KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2022

45 02 / 2022 ERFAHRUNGSBER I CHT K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Warum habe ich an diesem Kurs teilgenommen? Ausgangslage: Vor circa 30 Jahren im Kinderspital Zürich am 24. Dezember. Eine Mutter brachte ihr Kind, kaum noch atmend, in den Notfall – Schockraum. Wir erfuhren, dass es sich um ein Kind mit Hirntumor handelte, welches eine infauste Prognose hatte. Da niemand wusste, wie der Reanimations-Status war, begannen wir mit der Reanimation, bis wir den diensthabenden Neuropädiater, der das Kind kannte, erreichten. Dieser beschloss zusammen mit dem Oberarzt, die Reanimation zu stoppen, ohne die anwesende Mutter in die Entscheidung miteinzubeziehen. Die Mutter schrie und flehte uns an, noch nicht mit der Reanimation aufzuhören. Sie war für diesen Schritt noch nicht bereit. Das Kind verstarb nach kurzer Zeit. Für mich war dieses Erlebnis eine prägende Erfahrung. Nicht auszumalen, wie es für die Eltern sein musste. Während meiner Praxistätigkeit haben wir zum Glück nur sehr selten Patienten verloren. Falls wir jedoch in der palliativen Phase eingebunden wurden, fühlten wir uns sehr oft hilflos. 30 Jahre später: Eine Patientin unserer Praxis hat eine lebenslimitierende Krankheit im Endstadium. Die Familie wird durch ein Pädiatrisches Palliative Care Team betreut, bei dem die Neuropädiatrie, Mercedes Ogal (als ambulante Leiterin des Palliative Care Teams), die Kinderspitex und am Rande auch unsere Kinderarztpraxis beteiligt sind. Wir werden laufend informiert. Das Kind hat einen Betreuungsplan. Wir wissen alle, wie der Reanimations-Status ist, welche Medikamente eingesetzt werden und welche Medikamente in Reserve sind. Die Eltern sind in der Entscheidungsfindung eingebunden. Wir wissen mit Telefonnummern und Erreichbarkeit, wer wie involviert ist. Die Eltern haben während 24 Stunden Kontaktpersonen, welche sie anrufen können, wenn es ihrem Kind schlechter geht. Ebenso ist mit ihnen über die Zeit nach dem Tod gesprochen worden. In diesem Kurs haben wir mit interaktiven Vorträgen und Workshops viel über die Kernleistungen der Palliative Care erfahren: ■ Symptome erfassen, behandeln und lindern (Medikamente, Magensonde etc.) ■ Gestaltung der letzten Lebensphase (Ort, Umfeld, allfällige Hilfsmittel etc.) ■ Entscheidungsfindung und Vorausplanung (was sollte zu welchem Zeitpunkt gemacht werden, REA-Status, Operationen, PEG-Sonde etc.) ■ Netzwerk bilden und koordinieren (Palliative Care Team, Betreuungsplan etc.) ■ Unterstützen der Angehörigen ■ Trauerbegleitung Ausserdem haben wir die Stiftung «pro Pallium» und ihr aktuelles Projekt, die Einbindung der Praxispädiater in die Palliative Care, kennengelernt. Wir haben erfahren, dass Palliative Care in der Medizin immer grössere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Meine grösste Hochachtung gilt all jenen, welche sich in diesem Fachgebiet engagieren. Ich habe Mercedes Ogal einmal gefragt, wie sie es schafft, immer wieder Familien mit Kindern mit lebenslimitierenden Krankheiten zu begleiten. Mercedes sagte zu mir: «Weisst du, ich kann der Familie auf dem langen Weg vieles erleichtern und ich bin überzeugt davon, dass das Kind nach dem Tod an einem wunderschönen Ort sein wird.» Ich bin nach dem Kurs sehr nachdenklich, aber mit einem zufriedenen Gefühl nach Hause gegangen. Herzlichen Dank an alle Referenten und besonders an Mercedes Ogal. ■ DORIS AUF DER MAUR FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATERIN IN ALTDORF Korrespondenzadresse: aufdermaur.doris@bluewin.ch «Pädiatrische Palliative Care – Praxisnah» Bilder: Mercedes Ogal, mit freundlicher Genehmigung der Patientenmutter.

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