36 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L 02 / 2022 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Zum Zeitpunkt dieses Interviews hat der Frühling grad sein «blaues Band» hervorgeholt und die Hobbygärtner denken ans Pflanzen und Säen. Und wenn diese Ausgabe im Briefkasten liegt, sind schon die ersten Erdbeeren und Salate geerntet worden. Spätestens jetzt kommen jedes Jahr die Fragen besorgter Eltern zum Thema Fuchsbandwurm. Im Interview mit Dr. med. Christa Relly haben wir einige praxisrelevante Fakten zu dem gruseligen Parasiten zusammengetragen und hoffen, euch so die Beratung in der Praxis zu vereinfachen. KIS: Zuerst die klassische Frage zum Fuchsbandwurm: Sollen die Wald- und Gartenerdbeeren wirklich immer gewaschen werden, bevor die Kinder sie genüsslich direkt aus der Natur in den Mund stecken? Und wenn ja, warum? Christa Relly: Aus meiner Sicht gehört es zu einer gesunden Entwicklung eines Kindes, dass es – unter Aufsicht! – Wald- und Gartenerdbeeren direkt in den Mund stecken darf. Das Risiko, dass ein Kind eine giftige Beere in den Mund steckt, wenn es nicht beaufsichtigt ist, ist viel grösser, als dass es sich an einer nicht gewaschenen Beere mit dem Fuchsbandwurm infiziert. Ich möchte keinesfalls den Fuchsbandwurm bagatellisieren. Von der Krankheit der alveolären Echinokokkose betroffene Menschen leiden beträchtlich und können auch nicht immer geheilt werden. Aber das Risiko einer Ansteckung ist so klein, dass ich es nicht unterstützen kann, Kindern aus Sorge vor diesem Parasiten keine Erdbeeren zu geben. Es ist gut zu wissen, dass der Mensch im Lebenszyklus der Echinokokken einen Fehlwirt darstellt. Der Parasit hat also kein «Interesse» daran, Menschen zu infizieren. Und selbst bei tatsächlich nachgewiesener Ingestion von Parasiteneiern werden die meisten Menschen nie daran erkranken. In der Schweiz hat es zwar in den letzten Jahrzehnten eine leichte Zunahme von alveolärer Echinokokkose gegeben, parallel zur Zunahme der Fuchspopulation, aber die Erkrankung ist mit einer Inzidenz bei Erwachsenen von 0,25/100000 immer noch sehr selten. KIS: Welche Symptome macht eine Fuchsbandwurmerkrankung? Sind Kinder schon davon betroffen und wenn ja, wie häufig? Oder zeigt sich die Erkrankung erst im Erwachsenenalter? Christa Relly: Zuerst einmal lange gar keine. Die Inkubationszeit beträgt meistens über 10 Jahre. Es ist somit zwar möglich, dass auch einmal ein Schulkind symptomatisch wird, meistens wird die Erkrankung aber im Erwachsenenalter diagnostiziert. Bei einem Kleinkind mit Bauchschmerzen gehört die alveoläre Echinokokkose also sicher nicht in die Differenzialdiagnose. Bei Erwachsenen manifestiert sich die Erkrankung ähnlich wie ein Lebertumor, das heisst, es können rechtsseitige Oberbauchschmerzen auftreten, unspezifische Allgemeinsymptome oder auch ein Ikterus, falls der Leberhilus betroffen und der Abfluss gestört ist. Gelegentlich werden als Zufallsbefund bei einem Abdomenultraschall Läsionen in der Leber entdeckt. KIS: Was machen wir mit Kindern, die möglicherweise Kontakt mit Fuchskot gehabt haben? Welche Diagnostik ist sinnvoll? Christa Relly: Eine Diagnostik nach möglicher Exposition, z. B. bei einem Kleinkind, das sich Fuchskot in den Mund gesteckt hat, macht keinen Sinn. Die Serologie wird meistens erst nach Monaten bis Jahren positiv und eignet sich daher nicht für eine frühe Diagnosestellung. Stuhluntersuchungen beim Menschen sind ebenfalls nicht zielführend, da die Echinokokken-Eier nicht im Stuhl von Zwischen- und Fehlwirten ausgeschieden werden. In Ausnahmefällen kann ein Abdomenultraschall frühestens ein Jahr nach Exposition durchgeführt werden. Ist dieser komplett unauffällig, ist eine Ansteckung mit dem Fuchsbandwurm sehr unwahrscheinlich. Bei äusserst grosser Sorge der Eltern kann eine Zuweisung zu einer Kinderinfektiologin oder einem Kinderinfektiologen zur Beurteilung und Beratung sinnvoll sein. KIS: Auch wenn es in der Stadt Zürich unterdessen bereits eine Fuchspopulation geben soll, sind Begegnungen mit Hunden doch viel häufiger. Wie steht es mit dem Hundebandwurm? Christa Relly: Echinococcus granulosus (Hundebandwurm) kommt vor allem in ländlichen Gegenden vor, wo Nutztiere (v. a. Schafe) gehalten werden und die Hunde Schlachtabfälle fressen. Unsere Haustiere in Städten sind wenig betroffen. Allerdings können Hunde in städtischen Regionen oder Agglomerationen, in denen es auch Füchse gibt, mit dem Fuchsbandwurm infiziert werden, wenn sie infizierte Nagetiere fressen. Die Befallshäufigkeit von DR. MED. NADIA SAUTER OES MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, WINTERTHUR Korrespondenzadresse: nadia.sauter@oes.ch Interview mit Dr. med. Christa Relly, Oberärztin Infektiologie am Universitäts-Kinderspital Zürich «Lueged nöd ume, de Fuchs gaht ume…» Wissenswertes zum Thema Fuchsbandwurm
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