KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2022

21 02 / 2022 FRÜHL INGSTAGUNG K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ MPA Referat 2: Das apathische Kind (Teil 1) «Mein Kind ist total apathisch – können Sie mir heute Morgen einen Termin geben?» Wikipedia definiert Apathie aus medizinischer Sicht als Teilnahmslosigkeit, mangelnde Erregbarkeit und Unempfindlichkeit gegenüber äusseren Reizen. NetDoktor beschreibt sie wie folgt: fehlende Reaktion auf äussere Reize wie zum Beispiel Ansprechen, Hochnehmen oder Berührung. Apathie ist eine Störung des Wachheitszustandes; sie betrifft das zentrale Nervensystem. Definition von Apathie aus Sicht der Eltern: Das Kind ist weniger (hyper)aktiv als sonst. Es ist etwas ruhiger, liegt eventuell müde und erschlagen auf dem Sofa, oft in Zusammenhang mit Brech-Durchfall. Wie sollen wir am Telefon entscheiden, ob das Kind apathisch oder dehydriert ist und ein Arztbesuch am gleichen Tag notwendig ist? Für die Telefonberatung als Richtlinie das Kinderärzte Schweiz MPA-Telefontriage Manual, Abschnitt «Entscheidungsmöglichkeiten der Behandlungsstufen» zu Rate ziehen. Vor allem müssen wir die Dehydrierung im Sinn haben! Wann hat das Kind zuletzt getrunken? Wann hat das Kind zuletzt gepieselt? Bei Erbrechen dem Kind löffelweise Flüssigkeit zuführen, egal welche Flüssigkeit, Hauptsache das Kind nimmt sie auf. Je mehr Brechreiz das Kind hat, desto kleinere Mengen sollen verabreicht werden, dies jedoch regelmässig! Elektrolyte-Lösungen haben einen salzigen Geschmack und werden von den Kindern nicht so gut genommen, aus diesem Grund lieber nur die Flüssigkeit geben, welche das Kind bevorzugt! Moro-Suppe wird weniger empfohlen, da sie häufig zu Verstopfung führt. Medizinische Behandlung: Mit Zofran für 2 Tage, Flüssigkeit löffelweise. Säuglinge bis 2 Monate mit Fieber über 38,0 (nur rektal messen) immer einbestellen. Fieber an sich ist nie gefährlich, egal wie hoch, aber es besteht die Gefahr, dass eine gefährliche Infektion der Auslöser sein könnte. Das Fieber alleine ist kein Grund zur Sorge, solange es dem Kind dabei gut geht! Die Fontanelle dient nicht als zuverlässige Kontrolle, ob eine Dehydrierung vorliegt oder nicht. Achtung, wenn nur Brechreiz ohne Durchfall vorliegt! Fallbeispiel: Mutter ruft an und sagt, dass sie bereits im Krankenhaus waren und das Kind hätte Magen-Darm-Grippe, aber dem Kind gehe es immer noch nicht besser, es sei apathisch! Die MPA verlässt sich auf die Angaben der Mutter, dass das Kind im Spital untersucht und eine Magen-DarmGrippe diagnostiziert wurde. Sie berät die Mutter, dass dies normal sei, dass sie weiterhin versuchen soll, dem Kind löffelweise Flüssigkeit zu geben. Später nochmals ein Anruf der Mutter, es gehe dem Kind gar nicht gut! Dabei erfährt die MPA, dass nur Brechreiz vorliegt und kein Durchfall. Dies bestätigt die Diagnose Magen-Darm-Grippe nicht. Sie empfiehlt daher, das Kind nochmals im Spital vorzustellen. Dort wird dann eine schwere Infektion festgestellt, kurz vor MultiOrgan-Versagen. Das Kind musste auf die Intensiv-Station. Mittlerweile geht es dem Jungen wieder besser. Fazit: Brechreiz alleine kann andere Ursachen haben! Wir MPAs müssen versuchen, am Telefon durch zusätzliche Fragen alle wichtigen Informationen zu bekommen. Dabei ist das KIS Telefontriage-Manual sehr hilfreich. Apathie im Sinne der Medizin entspricht nicht der Apathie im Sinne der elterlichen Beschreibung. Gut nachfragen und den Allgemeinzustand des Kindes durch Fragen ermitteln ist wichtig! ■ REFERENT: DR. MED. SERGIO STOCKER Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, SP Notfallmedizin, eigene Praxis seit 2006 in Schaffhausen, seit 2019 40% Praxis, daneben 60% als Leitender Arzt für Allgemeine Pädiatrie am Kinderspital Zürich AUTORIN: ARIANE LÜTHI, MPA Kinder- und Jugendpraxis am Bollwerk, Bern Korrespondenzadresse: kinderarzt.bollwerk@hin.ch

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx