31 01 / 2022 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 6. Kinder haben weniger Zähne als Erwachsene? Zwar sind in der Mundhöhle im Alter der Milchdentition und der frühen gemischten Dentition (also bis ca. 12. Lebensjahr) weniger Zähne klinisch sichtbar als beim Erwachsenen, doch der Schein trügt. Intra-ossär werden die Zahnkronen der bleibenden Zähne schon früh mineralisiert (die meisten in den ersten drei Lebensjahren), welche in dichter topografischer Lagebeziehung zueinanderstehen. So sind beispielsweise im zierlichen Oberkiefer eines fünfjährigen Kindes nicht nur 10 Milchzähne vorhanden, sondern gesamthaft 24 kalzifizierte Zahneinheiten. Das Fehlen einer eigentlichen Trennung/Kompartimentierung zwischen den anatomischen Strukturen kann beim Kleinkind dazu führen, dass ein lokaler Zahnabszess oder ein rhinogener Infekt sich rasch zu einer grossflächigen Zahnkeimosteomyelitis ausbreitet. 7. Es gibt auch Erwachsene mit Milchzähnen? Die Hypodontie, also die kongenitale Agenesie eines oder mehrerer bleibender Zähne, tritt bei 6–8% der Bevölkerung auf und ist demnach recht prävalent (Polder et al, 2004). Fehlt ein bleibender Zahn, wird nicht selten versucht, den Milchzahn an seiner Stelle zu wahren. Milchzähne ohne Nachfolger besitzen oft noch lange Wurzeln – und deshalb auch eine gute Überlebensprognose (Dos Santos et al, 2022) – da die physiologische Resorption der Milchzahnwurzel normalerweise durch den Durchbruch des bleibenden Zahnes gefördert wird, der in diesem Fall ja fehlt. 8. Gibt es die Zahnfee? Die Zahnfee ist jedenfalls konkret genug, dass sich Kinderzahnmediziner und Kinderpsychologen mit ihr befassen. Der erste Milchzahnverlust ist ein emotionsbeladener Meilenstein in der Kindsentwicklung, der inmitten der Piaget’schen magischen Phase fällt und mit kulturellen und religiösen Riten behaftet ist (Patcas et al, 2019). Dabei spielt die Zahnfee in der westlichen Kultur eine überragende Rolle, geben doch 71% der Eltern in der Schweiz ihren Kindern an, dass sie von der Zahnfee besucht werden (Patcas et al., 2017). ■ LITERATUR Chaitanya, P., Reddy, J.S., Suhasini, K., Chandrika, I.H., Praveen, D., Time and Eruption Sequence of Permanent Teeth in Hyderabad Children: A Descriptive Cross-sectional Study. Int J Clin Pediatr Dent. 2018;11(4):330-337. Daugaard-Jensen, J., Nodal, M. and Kjær, I. (1997), Pattern of agenesis in the primary dentition: a radiographic study of 193 cases. International Journal of Paediatric Dentistry, 7: 3-7. Dos Santos, C.C.O., Melo, D.L., da Silva, P.P., Normando, D., What is the survival rate of deciduous molars in cases with agenesis of premolar successors? A systematic review. Angle Orthod. 2022 Jan 1;92(1): 110-117. Manfredini, D., Restrepo C., Diaz-Serrano, K., Winocur, E., Lobbezoo, F., Prevalence of sleep bruxism in children: a systematic review of the literature. J Oral Rehabil. 2013;40:631–42. Patcas, R., van Waes, H.J., Daum, M.M. and Landolt, M.A. (2017), Tooth Fairy guilty of favouritism!. Medical Journal of Australia, 207: 482-486. Patcas, R., Daum, M.M., van Waes, H.J.M., Beltrani, S., Pfister, L.T., Landolt, M.A. Emotions experienced during the shedding of the first primary tooth. Int J Paediatr Dent. 2019; 29: 22– 28. Polder, B.J., Van’t Hof, M.A., Van der Linden, F.P.G.M. and KuijpersJagtman, A.M. (2004), A meta-analysis of the prevalence of dental agenesis of permanent teeth. Community Dentistry and Oral Epidemiology, 32: 217-226. Proffit, W. et al., Contemporary Orthodontics, 6th edition, Mosby Verlag, 2018. Stöckli, P.W., in Zahnmedizin bei Kindern und Jugendlichen, Hrsgb: Stöckli P.W. und Ben-Zur, E.D., 4. Auflage, Thieme Verlag, 1994. van Waes, Hubertus J. M. et al. (2001), Dentale Pathologie bei Kindern: Ektopischer Durchbruch und Milchzahnpersistenz, in Farbatlanten der Zahnmedizin 17: Kinderzahnmedizin, Thieme Verlag, 2001. ✗ Ansicht einer Unterkieferfront bei einem Fünfjährigen (li), und Seitenansicht bei einem Achtjährigen (re). ✓ ;-)
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