29 01 / 2022 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 1. Zahnen macht Fieber – einzig Infektiologen sagen, es sei ja meist ein paralleler Infekt. Zahnen macht kein Fieber, aber es ist so, dass Fieber, z. B. bei einem parallelen Infekt, den Zahndurchbruch beschleunigen kann, wodurch für die Eltern ein Zusammenhang geortet wird. 2. «Schlechte Zähne» sind vererblich. Bis auf ganz wenige genetisch bedingte Zahnmissbildungen (z. B. Amelognisis imp., Dentinogenesis imp.), die für Zahnärzte leicht von Karies zu unterscheiden sind, gibt es kaum erbliche Faktoren. Zahnärztinnen sagen salopp: Man erbt nur schlechte Angewohnheiten, die zu Karies führen. 3. Muttermilch schadet den Zähnen weniger als Schoppenmilch. Was soll man Müttern raten, die ihr Kind auch über den 1. Geburtstag hinaus nachts regelmässig stillen? Muttermilch enthält mehr Zucker als Kuhmilch, aber auch protektive Faktoren. Die Evidenz ist in der Literatur nicht völlig klar, aber viele Kinderzahnärzte beobachten «Schoppenkaries» auch bei exzessiv gestillten Kindern. Nachts ist der Speichelfluss um etwa 90% reduziert, von daher ist die Clearance und Pufferwirkung viel schlechter und es entsteht eher Karies. Lieber also nachts nur Wasser zu trinken geben oder aber den Mund nachher ausspülen, was kaum realisierbar ist. 4. Nach einem Sturz mit fraglicher Zahnbeteiligung (z. B. leichte Blutung an der Zahnkrone ohne Wackeln beim Kleinkind, das gehen lernt) braucht es aus versicherungstechnischen Gründen trotzdem immer ein Zahnarztkonsil. Auch bei geringfügigen klinischen Zeichen können Komplikationen auftreten, die zu langfristigen Schäden führen können. Eine Unfallmeldung sollte daher immer erfolgen. 5. Beim Zähneputzen ist die Zahnpasta das Wichtigste, nicht dass jede Ecke poliert wird – und natürlich keine Milch/Süssgetränke in der Nacht. Die mechanische Reinigung ist durchaus wichtig. Zumindest abends sollten daher die Eltern die Reinigung vornehmen. Tagsüber kann das auch mal dem Kind überlassen werden, in der Hoffnung, dass dann wenigstens das Fluorid der Zahnpasta wirkt. Auf altersgerechte Fluoriddosierung der Pasta achten! 6. Die indirekte Fluoridgabe über Speisesalz und Zahnpasta reicht für einen guten Zahnschmelz in den ersten Lebensjahren und muss nicht zusätzlich substituiert werden wie in einigen Nachbarländern. Inzwischen haben auch die deutschen Pädiater eingesehen, dass eine zusätzliche Tablettenfluoridierung keinen Sinn macht. Fluoride wirken primär direkt auf den Schmelz, der intrinsische Effekt ist vernachlässigbar. Man müsste also die Tabletten wenn schon lutschen und nicht schlucken. 7. Karies am Milchzahn muss nicht zum Zahnarzt. Karies sollte auch im Milchgebiss behandelt werden, ansonsten kann es zu Platzverlust, Schmerzen, Infekten und Schäden an der bleibenden Dentition kommen. Nur eine professionelle Beurteilung kann entscheiden, ob eine Umstellung der Ernährung und Mundhygiene genügt oder eine Füllung-Therapie nötig ist. 8. «Black Stain» gehen von alleine irgendwann weg und müssen nicht zwingend behandelt werden. Black Stain kann sich tatsächlich auswachsen. Wenn es kosmetisch stört, können diese entfernt werden, was mühsam ist und oft zu Rezidiven führt. Black Stain ist Folge einer bestimmten Mundflora, die – kleiner Trost – oft weniger Karies verursacht. ■ DR. MED. DENT. HUBERTUS VAN WAES OBERARZT, LEITER STATION FÜR KINDERZAHNMEDIZIN, ZENTRUM FÜR ZAHNMEDIZIN, UNIVERSITÄT ZÜRICH Korrespondenzadresse: hubertus.vanwaes@ zzm.uzh.ch Mythen Zahnmedizin ✗ ✓ ✓✗ ✗ ✗ ✓ ✗ ✓
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