KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2022

27 01 / 2022 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Damit Säuglinge das aktive Sitzen lernen (also ohne jegliche Hilfsmittel oder sich abzustützen), müssen sie sich bewegen und ihre Muskeln stärken. Längeres Sitzen sollte vermieden werden, Pausen müssen eingebaut werden, damit sich das Kind austoben und bewegen kann. FAZIT: Die Dosis macht das Gift. Ein Kind zu lange hinzusetzen, ist genauso zu vermeiden wie zu langes Liegen auf dem Rücken. Das Kind soll möglichst viel und abwechslungsreich verschiedene Positionen einnehmen. Nicht das Sitzen ist wichtig, sondern der Weg dahin. «Kinder lernen das Laufen schneller, wenn man mit ihnen übt» Falsch – Kinder lernen alleine laufen. Was man absolut vermeiden sollte, ist ein «Babywalker», eine Lauflernhilfe auf Rädern, welche für Kinder im Alter von sechs bis 15 Monaten konzipiert sind. Das Kind wird in die aufrechte Position gebracht, bevor es dazu selbstständig in der Lage ist (https://physiopaed.ch/eltern/tipps-undhilfen/). Der Rumpf zeigt viel zu wenig Aktivität, da er ja passiv in diesem Sitzchen hängen kann, die Füsse können noch nicht genügend stabilisiert werden. Das Kind verbringt häufig sehr viel Zeit in diesen Wägelchen und es trainiert sich den Zehenspitzen-Stand an. Im Bereich von Schwellen oder Treppen besteht die Gefahr, dass es zu folgenschweren Unfällen kommen kann. In Kanada ist der Verkauf eines Babywalkers sogar verboten. Umfassende Kenntnisse über die kindliche Entwicklung sind unerlässlich. Kinder entdecken ihre Umwelt, indem sie krabbeln, klettern, kriechen, rennen. Ein Kind lernt nur durch Bewegung und soll nicht in seiner motorischen Freiheit eingeschränkt werden wie zum Beispiel mit einem Babywalker. Der Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Bewegungsentwicklung ist klar gegeben, die Bewegungskompetenz ist stark vermindert, wird das Kind nur passiv in seiner Motorik unterstützt (Riethmuller, 2009). «Eine Physiotherapie kann nur «Hands on» gemacht werden» Beim Frühinterventionsprogramm COPCA (=Coping with and Caring for Infants with special Needs) ist die Familie das zentrale Element. Das Ziel von COPCA ist, die Familienmitglieder zu befähigen, Probleme in der alltäglichen Betreuung ihres Kindes in natürlich auftretenden Erziehungssituationen wie Füttern, Baden oder Spielen lösen zu können. Die wichtigste Strategie, um dieses Ziel zu erreichen, ist das Coaching der Familienmitglieder. Resultate einer Studie zur traditionellen physiotherapeutischen Säuglingsbehandlung in der Schweiz zeigten, dass im Rahmen einer Therapielektion durchschnittlich 20% der Zeit für Elternedukation aufgewendet wurden, in 33% der Zeit wurden die Säuglinge zur motorischen Eigenaktivität angeregt. In 25% der Zeit wurden dem Säugling aber weniger als 20 Sekunden Zeit eingeräumt, um auf diese Herausforderung zu reagieren, bevor schon Hands-on-Techniken zum Einsatz kamen (Akhbari Ziegler, 2017). Zur entwicklungsfördernden Therapie können verschiedene Methoden angewendet werden, die auch sehr individuell auf die Familien abgestimmt sein müssen. Die Pandemie-Situation hat uns auch gezeigt, dass online Behandlungen möglich sind, nur leider können wir dieses Angebot (noch) nicht abrechnen. FAZIT: Eltern vermehrt in den Therapieprozess einbeziehen und dem Säugling mehr Zeit geben, auf Anregungen zur motorischen Eigenaktivität zu reagieren. «Jeder Zuweiser weiss, wie eine Physioverordnung verschrieben wird» Natürlich stimmt das – und doch möchte ich nochmals auf ein paar wichtige Punkte hinweisen: ■ Eine Verordnung für Physiotherapie gilt für max. 9 Sitzungen, wobei die erste Behandlung innert 5 Wochen seit der ärztlichen Anordnung durchgeführt werden muss (physioswiss). Erst nach der 4. Verordnung kann eine Kostengutsprache für Langzeittherapie an die Krankversicherer erfolgen (z. B. 1× pro Woche Therapie für die nächsten 7 Monate). Hier kann der Krankenversicherer vom Arzt eine schriftliche Begründung für eine Fortsetzung der physiotherapeutischen Behandlung verlangen. ■ Der Arzt muss eine Diagnose angeben, damit die Physiotherapeutin die Leistungen vom Krankenversicherer vergütet erhält. Bei den Diagnosen sollen möglichst alle erwähnt werden; anhand dieser wird es eine Sitzungspauschale für allgemeine Physiotherapie geben oder eine für aufwendige Bewegungstherapie. ■ Es können bis zu 2 Behandlungen pro Tag verordnet werden. Der Zuweiser muss diese Mehrfachbehandlung jedoch ausdrücklich verordnen (ankreuzen auf der Verordnung). ■ Für Kinder und Jugendliche gibt es ein spezielles Verordnungsblatt, das unter folgendem Link heruntergeladen werden kann: https://physiopaed.ch/fachpersonen/informationenzu-aerztlichen-verordnungen/ FAZIT: Ein genau ausgefülltes Verordnungsformular erleichtert die problemlose Abrechnung mit den Kostenträgern und unnötiger administrativer Aufwand wird vermieden.

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