KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2021

45 04 / 2021 ERFAHRUNGSBER I CHT K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Als Einstieg wurden Gesprächs-Situationen gesammelt und aufgeschrieben, die von den teilnehmenden Kinderärztinnen und dem teilnehmenden Kinderarzt als schwierig empfunden werden. Wie gehe ich mit übertriebenen Forderungen, z. B. nach nicht zielführenden Untersuchungen, um? Wie erkläre ich Eltern, dass etwas nicht in Ordnung ist, wenn diese das gar nicht erwarten. Und wie erkläre ich Eltern, dass alles in Ordnung ist, wenn diese sehr besorgt sind? Wie halte ich den Zeitrahmen ein? In sehr gut verständlicher Art und Weise hat Frau dipl.- psych. Susanne Pickert, Fachpsychologin für Psychotherapie FSP und Psychotherapeutin, uns die Basics der Gesprächsführung vermittelt. Was empfinden wir selber in einem Gespräch als einladend und angenehm bzw. was als abstossend und nicht gesprächsfördernd? Blickkontakt, ein nettes Wort am Anfang, ein freundliches, offenes Klima, Zeit lassen zum Ausreden, mit dem Kopf bei der Sache sein. Wichtig ist auch, seine Wertschätzung zu zeigen und die Anerkennung, dass man das Gegenüber versteht. Der Satz «Ich verstehe Sie» bewirkt bei den Eltern das Gefühl, ernst genommen zu werden, auch wenn ein Problem im Moment nicht gelöst werden kann. Und: Die Arbeit muss Freude machen. Wenn wir selbst keine Freude an unserer Arbeit haben, dann merkt das auch unser Gegenüber… Ebenfalls im Laufe eines Gesprächs muss geklärt werden: «Wer will was von wem». Denn das ist gar nicht immer so einfach zu beantworten. In einem nächsten Teil wurde der Umgang mit verschiedenen Elterntypen besprochen: Aggressive Eltern: Hier hilft es, den wahrgenommenen Druck der Eltern anzusprechen. «Ich habe den Eindruck, dass Sie unzufrieden sind / gerade sehr unter Druck stehen, stimmt das?» Ängstliche Eltern: Haben viele Fragen, die z. T. nicht die eigentlichen Ängste, sondern sozusagen nur die Spitze des Eisbergs, widerspiegeln. Hilfreich ist es in dieser Situation mittels Körpersprache, aber auch mit verbalen Botschaften, Sicherheit zu vermitteln, ohne falsche Versprechungen zu machen. Z. B. «Das kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen» wirkt beruhigender als «das weiss ich auch nicht». Mitteilsame Eltern: Hier ist vor allem eine Steuerung von hoher Wichtigkeit. Es wurde auf die Unterscheidung zwischen offenen bzw. geschlossenen Fragen, um ein Gespräch besser zu strukturieren, eingegangen. Anstrengende, nörgelnde Eltern: Verlangen eine besondere Wertschätzung. Oft verbergen sich dahinter Ärger, Angst oder Trauer. Wichtig ist dann, dass man innere Haltung, aber auch Distanz bewahrt und nicht in den gleichen Tonfall verfällt. Sachliche Eltern: Darauf achten, dass man unmissverständliche, sich nicht widersprechende Informationen gibt. Bei allen Eltern gilt aber grundsätzlich: Auf schwierige Gespräche oder das Akzeptieren einer anderen Sichtweise können sie sich nur einlassen, wenn die Beziehung stimmt und vertrauensvoll ist. Damit eine Botschaft nicht nur gehört, sondern auch umgesetzt wird, braucht man zuerst das Vertrauen der Zuhörer. Ansonsten kann man sich alle Argumente, z. B. um eine Verhaltensänderung zu bewirken, schenken. Denn wie es Susanne Pickert ausgedrückt hat: Der Sender entscheidet, was er sagt, der Empfänger aber, was er hört. Ein weiteres Augenmerk am Kurstag wurde auf die Jugendlichen gelegt. Diese kommen manchmal gegen ihren Willen zum Termin, weil sie von den Eltern geschickt werden, um ein für sie unangenehmes Thema zu besprechen. Häufig haben sie dann die Haltung «Dann komme ich halt, sag aber nichts», was es schwierig macht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Für diese Situationen wurde insbesondere auf zirkuläre Fragen eingegangen, die man anwenden kann, um eine Diskussion in Gang zu bringen: «Was würde deine Mutter sagen, wenn sie jetzt hier wäre, warum sie dich bei mir angemeldet hat?» Durch den Rollentausch, sodass die Jugendlichen nicht ihre eigene Sichtweise erklären müssen, kann ein Gespräch in Gang kommen. So ging ein spannender und abwechslungsreicher Tag, welcher viele neue Inputs gebracht hatte, zu Ende. Dies lag nicht zuletzt auch an der äusserst angenehmen und interessanten Referentin, die die Fortbildung gut strukturiert und abwechslungsreich gestaltet hatte. Susanne Pickert zeigte ihre Anerkennung dafür, dass die Arbeit der Pädiater im Spannungsfeld zwischen Kindern, Erwartungen und Ängsten der Eltern und dem Zeitdruck der Agenda nicht immer einfach ist. Zum Schluss gab sie uns deshalb noch ein treffendes Zitat von Eugen Roth mit auf den Weg. Der Kinderarzt lebt nicht so sehr vom Kind, das krank ist, wirklich schwer – Das sind die Fälle nur seltern – Als von der Angst der Eltern Sie ist es, die er heilt im Grund – Das Kind wird meist von selbst gesund ■ DR. MED. IRIS ATAIA-BÜHLER FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, CHUR Korrespondenzadresse: iris.ataia@hin.ch Nach mehreren coronabedingten Verschiebungen war es am 3. Juni 2021 soweit und der schon für 2020 geplante Gesprächsführungs-Kurs konnte doch noch durchgeführt werden. Gesprächsführung in der kinderärztlichen Praxis 3. Juni 2021

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