KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2021

21 04 / 2021 JAHRESTAGUNG K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Wir Kinderärzte und -innen sind in unserer Praxistätigkeit tagtäglich mit unseren kleineren und grösseren Patienten und -innen im Kontext mit ihren Familien in verschiedensten Lebenssituationen gegenübergestellt. Deshalb bot dieses sehr interessante und für uns alle immer aktuelle Thema mit einem hervorragenden Referenten einen wunderbaren Rahmen, nach einer längeren, pandemiebedingten «Pause» wieder live gemeinsam hinzuhören. Was ist eine Familie? «Eine Familie ist ein transgenerationales Gefüge (mit mindestens zwei Generationen im gleichen Haushalt, wobei mindestens ein Elternteil vorhanden sein muss). Sie stellt eine intime Beziehung zwischen den Familienmitgliedern i. S. eines emotionalen Interesses und Bezugs zueinander dar. Sie hat einen Zeithorizont mit längerfristiger Verantwortung des Elternteils für das Kind (finanziell und juristisch bis zu seiner Mündigkeit, emotional das Leben lang).» (K. Schneewind, 2021) ■ Adoptionsfamilien ■ Pflegefamilien 71% der Kinder wachsen in klassischen Zweielternfamilien auf, 16%mit einemalleinerziehenden Elternteil, 7% mit nicht verheirateten Eltern, 6% in Patchwork-/ Fortsetzungsfamilien. Macht die Familienform für das Befinden der Kinder einen Unterschied? Je nach Familienform ist gemäss einer Studie (mit 1954 Kindern im Alter zwischen 9 und 12 Jahren aus dem Jahr 2016) das Befinden des Kindes in verschiedenem Ausmass beeinträchtigt. Die Kinder aus Zweielternfamilien waren am wenigsten betroffen mit 14,6%, diejenigen aus Stieffamilien etwas mehr mit 20%, diejenigen aus einer Einelternfamilie mit 23,9% und dies aus den Patchworkfamilien am stärksten mit 37,6%. Gemäss Studienergebnissen von 2001 mit 1781 Adoleszenten (12- bis 30-jährig, Studie über 7 Jahre) waren die Ergebnisse interessant, weil die positiven Effekte, die bei gut funktionierenden Zweielternfamilien in allen Bereichen im Vergleich zu anderen Familienformen herausragten, bei konfliktreichen Zweielternfamilien besonders schlecht abschnitten. Die Mutter- und Vaterbeziehung litt am meisten im Vergleich zu den anderen Familienformen. Die positiven Effekte der Zweielternfamilien hatten keine Bedeutung mehr, auch nicht bezüglich früher Aussenorientierung, v. a. beim Suchtmittelkonsum, wo sogar noch höhere Zahlen zu verzeichnen waren. Fazit: Diese Studien beweisen, dass die Familienform keinen direkten Einfluss auf kindliche Auffälligkeiten hat. Für das Befinden der Kinder/Jugendlichen kommt es nur bedingt und indirekt auf die Familienform an. Wichtiger ist, WIE die Familie im Alltag gelebt wird. Die Zweielternfamilie ist den anderen Familienformen nur dann überlegen, wenn sie günstige Bedingungen bietet. Günstige Bedingungen für eine gesunde Entwicklung der Kinder: Liebe, Nähe, Wärme, Geborgenheit ➜ Bindung Grenzen/Regeln, Strukturen ➜ Erziehung Umgang miteinander ➜ Familienklima Zeit für das Kind ➜ Grundlage für alle drei Aspekte REFERENT: PROF. DR. GUY BODENMANN Ordinarius für Klinische Psychologie (Kinder/ Jugendliche & Paare/Familien) Psychologisches Institut Universität Zürich AUTORIN: DR. MED. SEVCAN SCHÖNBECK Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Arztpraxis Altstetterstrasse 118, 8048 Zürich Korrespondenzadresse: s.schoenbeck@bluewin.ch Hauptreferat «Wie viel Familie braucht ein Kind und worauf kommt es wirklich an?» Die verschiedenen Familienkonstellationen, wo die Kinder aufwachsen: ■ Zweielternfamilien (hetero- oder homosexuell, verheiratet oder ohne Trauschein) ■ Einelternfamilien (Mütter oder Väter, aufgrund von Trennung/Scheidung oder Verwitwung, Living apart together) ■ Einfache oder komplexe Stieffamilien (wieder verheiratete Scheidungsfamilien mit Kindern beider Partner und ev. neuen gemeinsamen Kindern) ■ Einfach oder komplexe Fortsetzungsfamilien (Patchwork-Familien mit Kindern beider Partner und ev. neuen gemeinsamen Kindern)

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