30 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L 03 / 2021 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Impfungen für die Vorsorgeuntersuchung wurden im Sprechzimmer deponiert, bevor der Arzt drin war, während der Wartezeit haben die Kinder den Spritzeninhalt rausgedrückt. Was haben wir gelernt? Impfungen werden an einer für die Kinder schlecht erreichbaren Stelle im Untersuchungszimmer abgestellt oder erst durch den behandelnden Arzt mit ins Sprechzimmer genommen. Ein Kind stellt sich vor mit einer starken lokalen Impfreaktion am rechten Arm, zwei Tage zuvor wurden zwei verschiedene Impfungen an beiden Armen verimpft. Keiner konnte sich mehr erinnern, wer was wo geimpft hatte. Was lernen wir daraus? Immer dokumentieren, welche Impfung rechts oder links geimpft wurde. Eine Mutter ruft an und erkundigt sich nach dem Blutwert. Der Hb-Wert von 11,8 g/dl leuchtet im Laborfeld rot auf. Die MPA sagt am Telefon, der Wert sei etwas niedrig und vereinbart einen Besprechungstermin in 3 Tagen. Die Mutter sitzt aufgelöst im Sprechzimmer, sie habe 3 Nächte nicht geschlafen. Dabei ist das Kind 1 Jahr alt und der Hb-Wert für das Alter im Normbereich. Was lernen wir daraus? 1. Am Telefon keine wertenden Aussagen machen. 2. Wichtig für die MPAs zu wissen: Erwachsenen-Normwerte sind nicht gleich pädiatrischen Normwerten und nicht alle Labore hinterlegen die Altersreferenzwerte. Grippezeit, alle Kinder in der Umgebung sind krank. Eine thailändisch-stämmige Mutter, welche ein deutsch-englisches Kauderwelsch spricht, aber immer auf alle Fragen lachend antwortet, ruft wegen ihrem 11-jährigen Sohn an. Die MPA stellt alle Fragen zur Einschätzung der Dringlichkeit: Fieber seit 3 Tagen, etwas Husten, trinkt heute weniger. Dass er aber seit über einer Woche Bauchschmerzen, mehrmals erbrochen und seit dem Vortag das Bett nicht verlassen hatte, erwähnt sie nicht. Der Knabe erhält einen Termin um 16.00 Uhr. Bei der Untersuchung findet sich ein Knabe in stark reduziertemAllgemeinzustandmit einer 4-QuadrantenPeritonitis und im nachfolgenden OP ein Abdomen voller Eiter mit massiven Adhäsionen nach einer nicht mehr frischen Appendizitis perforata. Er wird intubiert auf die IPS der Uniklinik verlegt bei beginnendemMultiorganversagen. Zum Glück hat er sich vollständig erholt… Was haben wir gelernt? Gerade Personen aus dem asiatischen Raum antworten häufig mit einem höflichen Ja, auch auf Fragen, welche sie nicht immer ganz verstanden haben. Die Fragen am Telefon waren zu wenig genau oder wurden nicht verstanden. Wenn das Zweite der Fall ist, muss das Kind ohne Verzögerung bestellt werden, auch wenn es meist dann «nichts» ist. Hilfreich sind in diesem Zusammenhang auch das gezielte Abfragen von red flags. Bei einem 11-jährigen Knaben mit chronisch rezidivierenden Kopfschmerzen wird als «Zufallsbefund» ein gutartiger, aber inoperabler neuroepithelialer Hirntumor festgestellt. Die Kopfschmerzen verschwinden im Verlauf, der Knabe ist aber durch die Diagnose in den folgenden Monaten psychisch zunehmend belastet. Ein Kinderpsychiater wird beigezogen. Am Tag nach der ersten Sitzung, einem Freitagnachmittag, ruft mich die Mutter an und berichtet, dass ihr Sohn lethargisch im Bett liege GESAMMELT VON: DR. MED. IRMELA HEINRICHS LEITERIN REDAKTIONSKOMMISSION, USTER Korrespondenzadresse: iheinrichs@hin.ch Aus Fehlern lernen – Critical Incident Reporting System (CIRS) Beispiele aus dem Alltag von verschiedenen Kinderarztpraxen Aus Fehlern lernen – ein Konzept für die Kinderarztpraxis CIRS dienen dazu, Risiken, Fehler und kritische Ereignisse zu erkennen und deren auslösende Faktoren zu erforschen. Dies dient der Patientensicherheit und ist ein wesentliches Merkmal der Qualitätssicherung in der Medizin. Zwischenfälle passieren überall, wo gearbeitet wird. Unter einem Zwischenfall versteht man eine unerwartet aufgetretene potenziell gefährliche Situation, die zu einer Beeinträchtigung eines Patienten geführt hat oder bei der eine solche durch eine Massnahme abgewendet werden konnte. Ist ein Zwischenfall aufgetreten, so kann dieser zum Beispiel in Teamsitzungen und Qualitätszirkeln besprochen werden. Könnte sich der Zwischenfall überall ereignen, so kann er zusätzlich in die anonyme Datenbank der SGAIM / pädiatrie schweiz eingetragen werden: www.forum-hausarztmedizin.ch. Ausgenommen sind selbstverständlich relevante und möglicherweise bleibende Schädigungen des Patienten (Haftpflichtfall). CIRS können sowohl medizinische Fehler sein mit gravierenden Folgen als auch organisatorische «Patzer» ohne weiteren Schaden. Ziel ist es, einen guten Umgang mit Fehlern zu etablieren und aus ihnen zu lernen.
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