KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2021

23 03 / 2021 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Warum die Diskussion um die Qualität notwendig ist Einerseits steht die Gesetzesänderung vor der Tür. Dieser entgegenzutreten dürfte einen schweren Stand haben. Viele Bereiche im alltäglichen Leben unterliegen einer Qualitätskontrolle, was nicht per se schlecht ist. Anderseits können Prozesse in der Praxis vielfach optimiert werden, und Investitionen in Patientensicherheit werden sich auszahlen. Eine Sensibilisierung mit dem Thema Qualität sowie Patientensicherheit dürfte niemandem schaden. Die Frage sollte vielmehr die Thematik behandeln, was wir unter guter Qualität verstehen und wie wir zeigen können, dass wir diese im Alltag bereits leisten. Dabei gilt es von Beginn an einen unnötigen und verzerrenden Wettbewerb sowie ausufernde Bürokratie zu vermeiden. Und sinnvolle, praxisnahe sowie wirksame Qualitätsaktivitäten zu fördern. In weiteren Qualitätsmassnahmen sollen nicht nur die Ärzte als Leistungserbringer betrachtet werden, sondern alle in der Behandlung involvierten Stakeholder wie Versicherer, Arzneimittelindustrie, Medizintechnik, Politik, Gesellschaft und Patienten. Bezugnehmend auf die Kampagne von choosing wisely6 bestehen im Bereich der Pädiatrie bei verschiedenen Themen durchaus Optimierungspotenzial – auch in der Praxis. Pädiatrie schweiz wird demnächst eine Top-5-Liste veröffentlichen, welche in die bestehende Qualitätsdiskussion eingebaut werden kann. Besonderheiten der Kinder- und Jugendmedizin Die Besonderheiten unseres Fachgebietes sollen bereits von Beginn an ausreichend beachtet werden. Die Kinder- und Jugendmedizin ist in vielen Bereichen aufwendiger als die Erwachsenenmedizin und lässt sich noch weniger standardisieren. Nicht nur entwickeln sich die Kinder vom Neugeborenen zum Erwachsenen auf verschiedenen Ebenen, sondern es widerspiegelt sich in der täglichen Behandlung auch die altersbedingte Abhängigkeit, was eine patienten- und familienzentrierte Behandlung erfordert. Die meisten Kinder haben zudem keine chronischen Erkrankungen oder Behinderungen. Viele Konsultationen zielen auf Prävention, Früherkennung, Vorsorge sowie Behandlung akuter Erkrankungen ab. Verschiedene soziokulturelle Hintergründe und allenfalls finanzielle Probleme der Eltern wirken sich auf die Gesundheit der Kinder und Familie aus. All diese Erkenntnisse wirken sich auch auf die Qualitätsmessungen aus. Qualitätsmessungen Die Qualitätsmessungen nach Donabedian7 erfassen üblicherweise die Bereiche Struktur, Prozesse und Ergebnis. Grundsätzlich sollen nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Messungen und Beurteilungen vorgenommen werden, um die medizinische Behandlung möglichst umfassend zu beurteilen. Bezugnehmend auf die vorangehende Einführung sollte sich das nachvollziehen lassen. Entscheidend für eine Behandlung ist nicht nur das Fachwissen, sondern auch die zwischenmenschlichen Faktoren, die darüber bestimmen, wie ein Arzt durch die Patienten wahrgenommen wird. Die sogenannten Soft Skills im klinischen Alltag sind schwieriger zu erfassen und einzuordnen. Es darf somit nicht nur gemessen werden, was einfach verfügbar ist. Ansonsten könnte die Gefahr bestehen, nur die messbaren Handlungen zu erfüllen und andere, dennoch relevante Aspekte in der Behandlung der Kinder und Jugendlichen zu vernachlässigen. Die Qualität ist somit nicht der Summe aller Qualitätsindikatoren gleichzusetzen, sondern die Messungen beinhalten viele Aspekte aus der Wissenschaft, lokalen Bedingungen, der Gesellschaft, der Politik, aber auch von Ansprüchen und wirtschaftlichen Verteilungskämpfen. Das Gesundheitssystem sowie die tägliche Arbeit sind sehr komplex und die Behandlungen erfordern individuell immer wieder dynamische Anpassungen. Somit sind Qualitätsmessungen idealerweise auf unterschiedlichen Ebenen und aus verschiedenen Perspektiven erforderlich. Pilotprojekt und Ausblick In einem ersten Schritt wurden durch die Arbeitsgruppe pädiatrie schweiz Qualitätsaktivitäten erarbeitet, die praktikabel und mehrheitlich einfach umzusetzen sind. Sie beruhten zudem auf den Ergebnissen der Umfrage der pädiatrie schweiz8. Selbst wenn diese Qualitätsaktivitäten durchaus ihren Sinn haben, gibt es noch Potenzial zur Weiterentwicklung. Es darf dabei jedoch auf keinen Fall zu unsinnigen Top-down-Verordnungen kommen, deren Akzeptanz nicht gewährleistet sein wird. Ebenso wenig soll sich dadurch eine leistungsorientierte Vergütung (pay for performance) etablieren dürfen. Diese zeigten bisher meistens weder den gewünschten Effekt noch führten sie wirklich zu einer verbesserten Behandlung. Ziel ist grundsätzlich, das System zu verbessern, was ohne die Mithilfe von uns allen nicht gehen wird. Eine verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften und der FMH wird wohl richtungsweisend sein – die Pädiatrie steht nicht alleine Die Eltern werden vielleicht eine ganz pragmatische Antwort geben und sich bei der Auswahl der Kinderärztin nicht auf irgendwelche Rankings oder Nachweise von Qualitätsaktivitäten berufen, sondern auf die Erfahrung und Meinung anderer betroffener Eltern. Dies unterstützt die Meinung vieler Kolleginnen und Kollegen, dass die Patienten wissen, wer qualitativ gut arbeitet. Dazu dient folgendes Zitat aus einem Beitrag im JAMA: «What makes a good, high-quality doctor? The answer – for patients and families – is intuitively, glaringly obvious: Who can make my loved one better?»5

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