30 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L 02 / 2021 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Die Betreuung von Kindern mit Diabetes ist aufwendig. Und je jünger das Kind ist, desto intensiver ist die Überwachung und Begleitung durch die Eltern notwendig. Krankheitsbedingt müssen diese viel präsenter sein, als das bei einem gesunden Kind jenseits des normalen Säuglingsalters notwendig wäre. Sie müssen Tag und Nacht zur Verfügung stehen, Entscheidungen treffen und können diese Verantwortung viel weniger einfach abdelegieren, als wenn ein gesundes Kind betreut werden müsste. Wäre es nicht solidarisch, wenn man diese Eltern finanziell unterstützen würde? Dies ist möglich, beispielsweise durch die Hilflosenentschädigung der IV, denn wenn ein Kind in alltäglichen Lebensverrichtungen aus medizinischen Gründen dauernd auf die (indirekte) Hilfe1 dritter Personen angewiesen ist, einer dauernden Pflege oder persönlicher Überwachung bedarf, kann eine solche Geldleistung beantragt werden.2 Es ist bisher allgemein nicht bekannt und nur durch seltene Entscheidungen der IV in Realität umgesetzt, dass Kinder mit Diabetes Typ 1 bis zu einem gewissen Alter den rechtlichen Anspruch auf Hilflosenentschädigung haben. Der Aufwand für das Therapiemanagement ist in den letzten Jahren gestiegen. Gerade Kinder brauchen deshalb länger und intensiver Unterstützung. Deutsche Studien haben versucht diese zu quantifizieren; 39% der Mütter haben ihre Berufstätigkeit nach einer Diabetesdiagnose ihres Kindes reduziert, 10% gaben sie ganz auf. Dies führte bei fast der Hälfte der Befragten zu spürbaren finanziellen Einbussen. Hinzu kommen grosse psychosoziale Belastungen.3 Die Situation der Eltern in der Schweiz präsentiert sich ähnlich.4 Die Unterstützung durch die Sozialversicherungen ist für die betroffenen Familien daher nicht unerheblich. Viele Eltern chronisch kranker Kinder, nicht nur von diabetischen Kindern, erhalten keine Hilflosenentschädigung. Die Gründe sind vielfältig. Es bestehen oft Informationsdefizite und falsche Vorstellungen hinsichtlich der Hilflosenentschädigung. Der Aufwand zur Geltendmachung ist nicht unerheblich. So kennen beispielsweise viele Ärztinnen das entsprechende Formular der IV nicht, auf dem die relevanten medizinischen Angaben detailliert geschildert werden müssen. Oft werden nochmals ausführliche Stellungnahmen einverlangt. Diese gut zu formulieren ist wichtig, damit die Verwaltung diese auch versteht und der von den Eltern geltend gemachte subjektive Pflegeaufwand objektiviert und plausibilisiert werden kann. Insofern sind die Berichte von Ärzten wichtige beweisrechtliche Dokumente im ganzen Verfahren. Und schliesslich verfügen die meisten IV-Stellen in Bezug auf die Anspruchsabklärungen von Kindern mit Diabetes Typ 1 kaum über die nötigen Erfahrungen. Die IV führt oft vor Ort – beim Patienten daheim – eine Abklärung des Sachverhaltes durch. Sind diese Abklärungspersonen nicht genügend instruiert und geschult, LIC. IUR. CAROLINE BRUGGER SCHMIDT BEZIRKSRICHTERIN, RECHTSBERATUNG UND FACHBEREICH KINDER, JUGEND UND ELTERN, DIABETESSCHWEIZ, BADEN Korrespondenzadresse: brugger@diabetesschweiz.ch Sind Kinder mit Diabetes Typ 1 «hilflos»? Ein Aspekt der Krankheit: Die Organisation von Diabetes-Artikeln können Kinder meist nicht selbst übernehmen. Foto: Caroline Brugger Schmidt
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