23 02 / 2021 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ BZ = Blutzucker KH = Kohlenhydrate KHW = Kohlenhydratwert DR. MED MELANIE HESS LEITENDE ÄRZTIN ENDOKRINOLOGIE/ DIABETOLOGIE, UNIVERSITÄTSKINDERSPITAL BEIDER BASEL UKBB, BASEL Korrespondenzadresse: melanie.hess@ukbb.ch Häufige in der Diabetologie genutzte Begriffe, die im Umgang mit Patienten mit Diabetes mellitus hilfreich sein können Glossar Diabetologie Häufige Begriffe aus der Diabetologie Begriffserklärung 2 (3)-Spritzen-Therapie (=konventionelle Therapie) Einfachste Form der Insulintherapie und heute nur noch selten genutzt. Morgens und abends wird ein Gemisch aus Mahlzeiten- und Basalinsulin injiziert, der Patient muss dabei fixe Mahlzeiten zu festgelegten Zeiten einhalten. Manchmal noch bei jüngeren Kindern verwendet. Analoginsulin Synthetische mithilfe von Bakterien und Pilzen hergestellte Insuline, die gegenüber dem menschlichen Insulin um wenige Aminosäuren verändert sind mit dadurch schnellerem Wirkeintritt und kürzerer Wirkdauer im Vergleich zu den Humaninsulinen. Basalrate Entspricht dem Grundbedarf an Insulin über 24 Stunden, der kontinuierlich von einer Insulinpumpe appliziert wird und halb-/stündlich programmiert werden kann (ohne KH-Mahlzeiten). Vor der Pubertät häufig zu jeder Tageszeit gleich, mit Pubertätsstart dann meist zweigipflige Kurve/Bedarf. Bolus/Boli Abgabe von Insulin per Knopfdruck auf einer Pumpe, um damit erhöhte BZ-Werte zu korrigieren und/oder kohlenhydrathaltige Mahlzeiten abzudecken CGM = continuous glucose monitoring; kontinuierliche Glukosemessung im Gewebe mittels eines Sensors/Katheters CSII = continuous subcutaneous insulin infusion; Insulinpumpen-Therapie, in den letzten Jahren eine der Standardtherapien für Kinder und Jugendliche mit Diabetes mellitus Typ 1 Diabetes mellitus Typ 3 Unter Diabetes mellitus Typ 3 werden alle Diabetesformen zusammengefasst, die nicht Typ 1 oder Typ 2 sind: z.B. MODY-Formen, Gestationsdiabetes, medikamenteninduziert, der mitochondriale Diabetes mit Schwerhörigkeit oder auch ein Diabetes im Rahmen einer Cystischen Fibrose. FGM = flash-glucose monitoring, aktuell nur in Form des FreeStyle Libres auf dem Markt. Angabe des Gewebeglukose-Wertes nur, wenn der Nutzer den Sensor scannt. Mit und ohne Alarm bei Unter- und/oder Überzuckerung erhältlich Fruktosamin Nichtenzymatische Glykierung von Plasmaproteinen, abhängig von der Höhe des Blutzucker-Spiegels. Messwert zur Beurteilung der Blutzucker-Höhe der letzten 2–3 Wochen. Funktionelle Insulintherapie Aktuell – mit Pen-Therapie – das gängigste Insulin-Schema mit dem Ziel, die physiologische Insulinsekretion besser nachzuahmen als die konventionelle Therapie; sie besteht aus 3 Komponenten: 1. Basalinsulin (Langzeitinsulin) 1–2× täglich, 2. das schnelle Mahlzeiteninsulin, das zu jeder KH-haltigen Mahlzeit gespritzt wird und 3. Korrekturinsulin, bei erhöhten/erniedrigten BZ-Werten. Zum Teil auch multiple daily injection (MDI)-Therapie genannt. HbA1c Gibt den Anteil des verzuckerten Hämoglobins am Gesamthämoglobin wieder. Ziel sollte bei Kindern und Jugendlichen – wie auch bei Erwachsenen – ein Wert von <7,5%, besser <7% sein, ohne zu häufige und schwere Hypoglykämien zu riskieren. Humaninsulin Synthetisch in Bakterien oder Pilzen produziertes Insulin, das chemisch mit dem natürlichen Insulin der Bauchspeicheldrüse identisch ist. Wirkungseintritt ist aber später mit längerer Wirkdauer. Hybrid Closed Loop-System Ein CGM-Sensor, ein in der Pumpe hinterlegter Algorithmus und eine Insulinpumpe regeln «automatisch» die Abgabe des Basalinsulins. KH muss man weiterhin berechnen und in die Pumpe eingeben. Entsprechend dem hinterlegten Essens-Faktor und KorrekturFaktor gibt die Pumpe dann auf Knopfdruck einen Insulinbolus für die KH und zur Korrektur erhöhter oder niedriger Glukosewerte ab. Um einen komplett geschlossenen Kreislauf («Closed Loop») handelt es sich daher noch nicht, daher: «Hybrid-Closed-Loop». Hypo-Kit Bis November 2020 nur in Form einer Glucagon-Notfallspritze (GlucaGen-Hypo Kit®) in der CH erhältlich, nun auch als Baqsimi® Nasenspray (Wirkstoff ebenfalls Glukagon), was allerdings noch nicht von allen Kassen übernommen wird. Hypo-Reserve Schnelle und langsame Kohlenhydrate, die jeder mit Insulin behandelte Diabetiker immer mit sich führen muss im Falle einer Unterzuckerung. (Beispiele: 1 schneller KHW: 1dl Orangen-/Apfelsaft, 3 Blättchen Dextro Energen-Traubenzucker, 5 Sidroga Traubenzucker o.ä.; 1 langsamer KHW: 3 Darvida, 1 Farmer Riegel Crunchy Natural oder Soft Apfel [es sollten ca. 10 g Kohlenhydrate pro Riegel sein], 1 Milchschnitte o. ä.) Insulinresistenz Verringerte zelluläre Antwort auf endogenes oder exogenes Insulin. Physiologisch: Am ausgeprägtesten am frühen Vormittag durch die nächtliche Ausschüttung von Insulinantagonisten (=Dawn-Phänomen). Weniger stark ausgeprägt dann wieder am späten Nachmittag. Pathologisch: meist im Rahmen einer ausgeprägten Adipositas bzw. eines metabolischen Syndroms, nach Einnahme bestimmter Medikamente, z.B. Cortison oder als Folge einer Überproduktion kontrainsulinärer Hormone. Ketone/Ketoazidose Abbauprodukte des Fettstoffwechsels. Wenn Zellen über einen längeren Zeitraum nicht genügend Glukose aufnehmen können – im Fall von Typ 1 Diabetes, wenn nicht ausreichend Insulin gespritzt wird –, verbrennt der Körper Fett statt Glukose. Mit den dadurch entstehenden Ketonen kann die Zelle ihren Energiebedarf kurzfristig decken, dies führt aber mittelfristig zu einer Azidose. Patienten mit Typ 1 Diabetes müssen zu Hause die Möglichkeit haben, jederzeit Ketone zu messen, dies geschieht meist im Blut mit einem Handmessgerät. Ein Wert < 0,6mmol/l gilt als normal, bei einem Wert darüber sollte jeder Typ 1 Diabetiker ein Schema kennen, wie er sich verhalten muss, um eine drohende Ketoazidose zu vermeiden (u. a. mehr Insulin spritzen, mehr Wasser trinken, keine körperliche Belastung). Kohlenhydratwert (KHW) Entspricht 10 g Kohlenhydraten. Auch «Brotwert» genannt. Korrekturformel Dient der Insulin-Berechnung zur Korrektur von BZ-Werten ausserhalb des Zielbereiches. Üblich z.B. bei Jugendlichen ist eine Formel: (BZ-6)/ 2, was bedeutet, dass der Zielwert 6mmol/l ist und 1 IE (Mahlzeiten-)Insulin den BZ um 2mmol/l senkt. Beispiel: der BZ ist 13mmol/l, damit würde der Patient (13-6)/2 =3.5IE Insulin zur Korrektur benötigen, um einen BZ von 6 mmol/l zu erreichen. Lipodystrophie Veränderung des Fettgewebes an der Stelle der Insulin-Injektionen, aufgrund zu seltener Wechsel der Injektionsstelle. MODY «Maturity-Onset Diabetes of the Young/Youth». Meist familiär gehäuft und autosomal-dominant vererbt auftretend. Viele MODYFormen sind genetisch charakterisiert und führen zu verschiedenen Defekten der Beta-Zell-Funktion. Häufigste Formen: MODY 2 (=Mutation Glucokinase) und MODY 3 (=Mutation HNF1a) Spritz-Ess-Abstand Abstand zwischen der präprandialen Gabe des Mahlzeiteninsulins bis zum Beginn der Mahlzeit. Je höher der Blutzucker (BZ) ist, desto länger sollte der Spritz-Ess-Abstand sein, z.B. bei einem BZ von 10mmol/l ca. 10min, bei einem BZ von 13 mmol/l ca. 13 min ZeitAbstand. Time in Range (TiR) = Zeit im Zielbereich, der aktuell mit 3,9–10mmol/l festgelegt ist und meist in % angegeben. Messbar/ berechenbar bei Tragen eines CGM oder FGM. Ziel sollte ein Wert von >70% sein.
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