19 02 / 2021 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Einleitung Kinder und Jugendliche mit Typ 1 Diabetes (T1D), ihre Familien und die betreuenden Diabetologen waren und sind bei der Diabetes-Technologie oft an vorderster Front. Ein 14-jähriger Jugendlicher mit T1D war der erste Patient, der das vor 100 Jahren entdeckte Insulin erhielt. Die erste batteriebetriebene Insulinpumpe, 1979 lanciert, wurde ebenfalls zuerst bei Kindern und Jugendlichen getestet. Im Jahre 1999 kam ein erstes Gerät zur kontinuierlichen Glucose-Messung (CGM=continuous glucose monitoring) in der Klinik auf einer pädiatrischen Intensivstation zum Einsatz. Seither wurden im Bereich der Diabetes-Technologie viele Fortschritte erzielt und die Technologie wird laufend verbessert. Ziel dieses Artikels ist es, einen Überblick über die aktuell in der Schweiz verfügbare Diabetes-Technologie für Kinder und Jugendliche zu geben sowie einen kurzen Ausblick in die Zukunft zu wagen. Realität Insulinpumpen-Therapie Die kontinuierliche subkutane Insulininfusion (CSII=continuous subcutaneous insulin infusion) via Insulinpumpe hat sich in den letzten Jahren zu einer StandardtherapieOption entwickelt. Im internationalen Mittel verwenden ca. 50% der Kinder und Jugendlichen mit T1D eine Insulinpumpe, je nach Klinik variiert diese Zahl zwischen 30 und 70% (Sherr et al 2018). Eine Insulinpumpe besteht aus einem portablen System mit Steuereinheit, Pumpenmotor und Insulinreservoir mit Infusionskanüle ohne (=Patchpumpen) oder mit Katheterschlauch (=Schlauchpumpen), Abbildung 1. Die Insulinpumpe gibt zum einen kontinuierlich eine variabel vorprogrammierte Menge an schnell wirksamem Insulin ab (=Basalrate). Zu den Mahlzeiten und/oder zur Korrektur wird zudem noch manuell ein Bolus abgegeben. Die Insulinpumpentherapie wird durch den behandelnden Endokrinologen/Diabetologen verordnet; die Kosten sind bis zu einem Maximalbetrag durch die Grundversicherung gedeckt. Unter Umständen wird dieser aber je nach Menge des Verbrauchsmaterials überschritten und die Restkosten müssen durch die Familien selbst getragen werden. Ein Vorteil der CSII gegenüber mehreren täglichen Injektionen (MDI=multiple daily injections) ist die flexiblere, physiologischere Dosierung des Insulin-Basis-Bedarfs, angepasst an die individuellen und tageszeitlichen Gegebenheiten. Auch kann eine kurzfristige Anpassung durch eine temporäre Reduktion (z.B. bei Sport) oder Erhöhung (z.B. aufgrund von Krankheit) der Basalrate erfolgen. Nachteile einer Insulinpumpen-Therapie kann das Fehlen des langwirksamen Basalinsulins sein. Bei Abschaltung/Entfernung der Insulinpumpe oder einer Pumpenfehlfunktion (z.B. abgeknickte Insulinkanüle) kommt es innerhalb kürzester Zeit zu einem absoluten Insulinmangel und einem erhöhten Risiko einer diabetischen Ketoazidose. Durch die CSII kann im Vergleich zu MDI eine verbesserte Stoffwechselkontrolle (gemessen am HbA1c) sowohl kurz- als auch längerfristig erreicht werden (Johnson et al 2013, Sherr et al 2016), dies ohne Zunahme von schweren Hypoglykämien oder vermehrten Ketoazidosen (Karges et al 2017). Auch die Lebensqualität kann mit einer Insulinpumpe verbessert werden (Mueller-Godefrey et al 2018). In Insulinpumpen sind zudem Bolus-Rechner verfügbar, welche anhand der Eingabe der Kohlenhydratmenge, des aktuellen Blut- oder Sensor-Glucose-Wertes sowie dem noch aktiven Insulin eine Empfehlung zur benötigten Insulindosis abgeben können. Bolus-Rechner als Hilfestellung zur Berechnung des Mahlzeiten- und Korrekturinsulins stehen auch in konventionellen Blutzucker-Messgeräten oder Diabetes-Apps zur Verfügung. Bei diesen Modellen wird jedoch das aktive Insulin nicht miteinberechnet – je nachdem, wie lange die letzte Injektion mit schnell wirksamem Insulin zurückliegt, ist also Vorsicht geboten. Kontinuierliche Glukosesensor-Systeme Aktuell stehen neben den konventionellen kapillären Blutzucker-Messgeräten Glucose-Sensor-Systeme zur kontinuierlichen Glucose-Messung in der Gewebeflüssigkeit DR. MED. MARIE-ANNE BURCKHARDT, PhD FACHÄRZTIN KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, SPEZIELL PÄDIATRISCHE ENDOKRINOLOGIE UND DIABETOLOGIE OBERÄRZTIN PÄDIATRISCHE ENDOKRINOLOGIE UND DIABETOLOGIE, UNIVERSITÄTSKINDERSPITAL BEIDER BASEL UKBB Korrespondenzadresse: marie-anne.burckhardt@ukbb.ch Diabetes-Technologie in der Pädiatrie – Realität und Zukunftsmusik Abbildung 1: Aktuelle Insulinpumpen-Typen. Patch-Pumpe (links): Die mechanische Einheit mit Insulinreservoir sitzt direkt über einer subkutanen Kanüle am Körper, die Steuerung erfolgt über ein separates, Handy-ähnliches Gerät. Schlauchpumpe (rechts): Das Insulin wird vom Reservoir innerhalb der Pumpe via Katheterschlauch über eine subkutan gelegene Kanüle appliziert. © Universitäts-Kinderspital beider Basel UKBB
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