15 02 / 2021 FRÜHL INGSTAGUNG K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Frau Dr. Yael Gilgen-Anner, HNO-Ärztin in eigener Praxis in Basel, hat uns mit einem reich bebilderten und mit Fallbeispielen illustrierten Vortrag den Paukenerguss, Ursache der häufigsten erworbenen Hörstörung in den ersten drei Lebensjahren, nähergebracht. Einen Paukenerguss findet man oft zufällig bei Routine-Trommelfellinspektionen. Im Gegensatz zu einer Otitis media ist hier das Trommelfell nicht entzündlich verändert und der Erguss nicht putrid. Trotz der Tatsache, dass Paukenergüsse häufig vorkommen, ist die Pathophysiologie dahinter noch in vielem unklar. Der flache kurze Verlauf der Eustachischen Röhre bei Kindern scheint Infekte und Ergüsse zu begünstigen. Vermehrte respiratorische Infekte (Kindertagesstätte, Nuggi), eine Adenoidhyperplasie, kraniofaziale Fehlbildungen, Trisomie 21, Zilienfunktionsstörungen, männliches Geschlecht, genetische Komponenten, gastroösophagealer Reflux und eine Rhinitis allergica sind prädisponierende Faktoren für die Entwicklung eines Paukenergusses. Vorbeugend wirken Stillen, die Pneumokokkenimpfung, eine rauchfreie Umgebung, kein Nuggi, gute Händehygiene und möglicherweise Trinken in aufrechter Haltung. Retraktionstaschen im Trommelfell gehören immer abgeklärt, sklerotische Veränderungen auf dem Trommelfell nicht. Die meisten Paukenergüsse heilen spontan und bedürfen keiner Therapie, eine Kontrolle nach 3–6 Monaten ist zu empfehlen (möglichst in den Sommermonaten). Paukenergüsse, die über die Sommermonate nicht abheilten, sind grosszügig einem HNO-Arzt zu überweisen, da die Chance auf eine Ausheilung in den infektreicheren Wintermonaten abnimmt. Ebenso sollten Risikokinder früh weitergeleitet werden. Hierzu gehören Kinder mit vorbestehender Hörminderung, Spracherwerbsstörung oder globaler Entwicklungsretardierung, Autismus-Spektrum-Störung, starker Sehbehinderung, Trisomie 21 und kraniofazialen Fehlbildungen wie z.B. Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Antibiotika lassen den Paukenerguss nicht schneller abheilen und bergen das Risiko einer Resistenzentwicklung, Belüftungsmanöver wie Valsalva oder Otovent, aber auch topische Steroide bei Adenoidhyperplasie, begünstigen die Ausheilung. Bei persistierenden Paukenergüssen kommen Interventionen wie Parazentese, Paukenröhrchen (kurzzeitig oder langzeitig), Adenotomie und neu auch Tubendilatationen zum Zug. Tritt Otorrhoe unter Paukenröhrchen auf, reicht eine topische Antibiotikatherapie mit Ciprofloxacin (nicht ototoxisch), allenfalls sollte vorgängig eine Gehörgangsreinigung erfolgen. ■ HNO: «Paukenerguss – Worauf muss ich achten?» REFERENTIN: DR. MED. YAEL GILGEN-ANNER Fachärztin Hals-NasenOhrenkrankheiten FMH, spez. Phoniatrie, Spezialgebiet Kinder-HNO und Pädaudiologie, Praxis HNO beim Zoo, Basel, Belegärztin Universitätskinderspital beider Basel AUTORIN: DR. MED. PIA DE GARIS-WERFELI Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Kinderarztpraxis de Garis, Zofingen Korrespondenzadresse: degaris@hin.ch Manche meinen immer noch, eine allergenspezifische Immuntherapie (AIT) bei Pollenallergie sei nur etwas für Kinder mit Asthma. Doch das sei völlig falsch, betonte Michael Hitzler. Nicht zuletzt erhöhe die AIT die Chance, dass es gar nicht erst zu einem Etagenwechsel in Richtung Asthma komme: «Wir stellen die Weichen und sollten nicht bis später damit warten!» Vor Beginn der AIT muss zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass die vermutete Allergie tatsächlich besteht. Dazu gehören eine erneute, sorgfältige Anamnese (Allergietagebuch während der Pollensaison führen lassen!) sowie spezifische Tests (Pricktest, antigenspezifische IgE). Testbefunde und Anamnese müssen in Einklang stehen: «Diagnostik ohne Anamnese ist nichts wert!» Liegt keine Sensibilisierung gegen das entsprechende Hauptallergen (Bet v 1, r phl p1,5, ole e1) vor, ist eine AIT nicht indiziert. Sie wäre dann wahrscheinlich nutzlos und könnte sogar neue Sensibilisierungen auslösen. Ob eine AIT subkutan (SCIT) oder sublingual (SLIT) erfolgt, hängt vom individuellen Fall und den verfügbaren Allergenextrakten ab: «Wenn zum Beispiel eines der relevanten Allergene nur als SCIT verfügbar ist, eine Spritzentherapie aber noch nicht möglich ist, warte ich nicht ab, bis das Kind reif dafür ist, sondern ich fange lieber früh mit einer verfügbaren SLIT an, auch wenn diese nicht alle Allergene abdeckt», sagte der Referent. Bezüglich der Coronavirus-Pandemie gilt: Kinder ohne Infektion und ohne Kontakt zu Infizierten sollten ihre SCIT oder SLIT genauso fortführen wie üblich. In Quarantäne oder im Fall einer Infektion mit SARS-CoV-2 sind sowohl eine SCIT als auch eine SLIT zu unterbrechen. ■ Allergologie: «Frühlingsgefühle in Aug und Nas!» REFERENT: KD DR. MED. MICHAEL HITZLER Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Schwerpunkt pädiatrische Pneumologie FMH, Praxispädiater in Baar und Méd. Adjoint Pneumologie und Allergologie im Kinderspital Luzern AUTORIN: DR. RENATE BONIFER Redaktorin «Pädiatrie», Neuhausen am Rheinfall Korrespondenzadresse: renate.bonifer@rosenfluh.ch
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx