KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2020
35 04 / 2020 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ zahlen sind zwar in einem stabilen und überschaubaren Mass, aber ein einzelner Fall war gerade in der Anfangszeit aufgrund lückenhafter Informationen zum Indexfall und weil wir zusätz- lich für die Information und Instruktion zur Quarantäne zustän- dig waren, sehr zeitintensiv. Auch jetzt beansprucht ein ein- zelner Fall noch mindestens eine bis zwei Stunden: Es gilt, die Situation um den Indexfall zu klären, sich mit dem Kantonsärzt- lichen Dienst abzugleichen und die Kommunikation im Umfeld Schule aufzugleisen. Zwei Änderungen im COVID-19-Manage- ment haben geholfen, dass wir uns wieder dem Tagesgeschäft widmen können: Das kantonale Contact Tracing informiert nun alle von der Quarantäne betroffenen Personen, sodass wir nicht mehr ganze Klassenlisten abtelefonieren müssen, und wir ha- ben unter der Woche ein Team aus Schulärztin/Praxisassisten- tin, welches COVID-Dienst macht, sodass die anderen Teams die bestehenden Termine wahrnehmen können und nicht je- den Abend darauf gefasst sein müssen, lange über den Feier- abend hinauszuarbeiten. «Wieso messt Ihr kein Fieber in der Schule?» – oder welche Massnahmen sind angemessen? Der Umgang mit der Corona-Situation im schulischen Umfeld ist aufgrund der unterschiedlichen Erwartungen anspruchsvoll. Während die einen Eltern kranke Kinder (Stichwort Husten) wei- ter in die Schule schicken, fordern andere, dass am Eingang zum Schulhaus Fieber gemessen wird. Die Forderungen gin- gen auch schon so weit, bei einem positiv getesteten Kind die ganze Schule zu schliessen und alle Personen, welche mit die- ser Schuleinheit Kontakt hatten, einen Corona-Test machen zu lassen. Andere Eltern beschwerten sich über die eingesetzten Hygienemittel oder versuchten, die für ihre Kinder ausgespro- chene Quarantäne rückgängig zu machen. Sorgen um das Kindswohl machen wir uns bei Eltern, welche selber ein erhöh- tes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben und ihre Kinder deshalb nicht mehr in die Schule schicken wollen. Hier hilft aus unserer Erfahrung eine gemeinsame Strategie von Schule und unseren Schulärztinnen, bei jedem Gesuch zu klä- ren, ob tatsächlich eine Risikoerkrankung besteht, ob die Eltern die Möglichkeit haben, das Kind zu Hause angemessen zu un- terrichten und ob es in einem Umfeld leben kann, wo es sich psychisch und physisch gesund entwickeln kann. Bisher hat es funktioniert und man konnte von Gefährdungsmeldungen Ab- stand nehmen. Dies sind nur einige exemplarische Beispiele, welche zeigen sol- len, wie unterschiedlich sich uns der Umgang der Eltern mit der Corona-Situation präsentierte und dass auf diese und alle Fra- gen, welche zwischen diesen Extremen lagen, zeitnah Antwor- ten gefunden werden mussten. Grundsätzlich möchte ich jedoch allen Eltern meine Hochachtung aussprechen. Es ist exemplarisch und eindrücklich, wie die Gemeinschaft die Situation mitträgt. Jugendliche und Kinder finden ihren Weg – und sind meistens erstaunlich adäquat Ich erlebe in der Schule und im privaten Umfeld, dass die Kin- der und Jugendlichen einen guten Umgang mit der Situation, mit den maskentragenden Erwachsenen und mit den Ein- schränkungen finden. Das heisst nicht, dass sie sich immer proaktiv an die Massnahmen halten, sondern dass ich die meisten als interessiert, fröhlich und unbeschwert erlebe, wie ich dies jedem Kind/Jugendlichen in diesem Alter wün- sche. Dort wo wir Erwachsene gute Vorbilder sind, haben die Kinder und Jugendlichen auch die Möglichkeit, etwas «abzuschauen». Dies ist hilfreich, weil niemand weiss, wie lange die aktuelle Situation noch anhalten könnte. Mit einer guten Organisation und einem langen Atem in den Winter Die kommenden Monate werden sicher weiterhin intensiv bleiben: Die Rhinoviren sind bereits da und weitere respi- ratorische Viren werden den Umgang mit COVID-19 und seinen Symptomen in der Schule weiterhin stark beeinflus- sen. Es ist davon auszugehen, dass die Fragen bezüglich Ansteckungsrisiko in Schulen, Quarantäne, Schulschliessun- gen wieder zunehmen. Ziel bleibt das Offenhalten der Schu- len und der Betreuungseinrichtungen und das Verhindern eines erneuten Lockdowns. Dieser wäre für die Schulkin- der, aber auch für die Eltern, welche die Kinder zu Hause betreuen müssten, eine grosse Belastung. Die Möglichkei- ten der Eltern, das Homeschooling aufrechtzuerhalten, sind sehr unterschiedlich. Die Chancengerechtigkeit für Kinder in der Schule und für Eltern am Arbeitsplatz muss gewähr- leistet bleiben. Die neuen Richtlinien des BAG für Kinder bis 12 Jahre und die Entscheidungshilfe der DVK für Kinder mit Erkältungs- symptomen sind hilfreich und führen zu einer Beruhigung – nicht nur bei den Kinderärzten. Ich hoffe, dass die Zusam- menarbeit zwischen den einzelnen Playern weiterhin so gut bleibt wie aktuell. Ausblick Nur mithilfe aller Involvierten ist es im Schul- und Sportde- partement der Stadt Zürich – wie vermutlich in der ganzen Schweiz – gelungen, einen etablierten Prozess zu entwickeln. Inzwischen ist ein gewisser COVID-Steady-State erreicht. Mit einer guten Planung gegen innen und aussen sowie der solidarischen Zusammenarbeit mit Kinder- und Hausärz- ten/-innen in der Region und dem Partner «Schule» kann ich dem bevorstehenden COVID-Winter mit einer gewis- sen Gelassenheit entgegensehen. Hilfreich sind auch gute und einfach formulierte Informationen für Eltern, welche in der Landessprache nicht versiert sind, und Übersetzungen in ihre Muttersprache. Denn mit jeder guten und leicht ver- ständlichen Antwort tragen wir zur Energie bei, die Situati- on und die Massnahmen gemeinsam zu tragen. Dafür wün- sche ich uns gutes Gelingen. ■ Andrea-Seraina.Bauschatz@zuerich.ch Herzlichen Dank Dede Bauschatz für diese auf- schlussreichen und interessanten Inputs.
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