KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2020
34 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L 04 / 2020 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ Hoher Informationsbedarf unter Zeitdruck von allen Seiten Die grösste Herausforderung beim neuen Coronavirus war und ist, dass dazu kein langjähriges medizinisches Fachwis- sen besteht und wir deshalb auch über keine erprobten Massnahmen/Therapien verfügen. Dies führte zu Beginn zu einer grossen allgemeinen Verunsicherung im Umgang mit der neuen Situation, welche – aus meiner Sicht – zum Teil auch uns medizinische Fachkräfte einschloss. Die Schu- len standen unter hohem Zeitdruck, die Schutzmassnah- men umzusetzen, und sahen sich einer nie dagewesenen Flut von medizinischen Fragen gegenüber. Sie mussten so- wohl auf die gesundheitlichen Bedürfnisse/Ängste der Mit- arbeitenden wie auch auf diejenigen von Eltern und Schü- lerinnen und Schülern eingehen. Da ist es verständlich, dass sich viele ratsuchend an ihre Schulärztinnen und Schulärz- te wandten – dafür sind wir schliesslich da. Das Volksschul- gesetz beauftragt uns unter anderem, die Schulen bei der Umsetzung der kantonalen Massnahmen bei Infektions- krankheiten zu unterstützen. Im Gegensatz zu anderen In- fektionskrankheiten beansprucht die Beantwortung der zahlreichen Corona-Fragen jedoch einen erheblichen Teil unserer Arbeitszeit – bis heute. Dass wir zeitnah eine hilfreiche Beratung anbieten konnten, war nur möglich, weil diverse Player wichtige Informationen zur Verfügung stellten. Eine grosse und unverzichtbare Hil- fe waren die Leitungszirkulare des Volksschulamtes mit kon- densierten Informationen und Handlungsanweisungen für die Schulen und die Schulärzte im Kanton Zürich – letzte Woche erschien bereits das 25. Corona-Update! In der Stadt Zürich hatten wir den grossen Vorteil, dass die sieben Schul- präsidien das Vorgehen an den Schulen untereinander und mit uns abstimmten. Der Vorsteher des Schul- und Sportde- partements – Stadtrat Filippo Leutenegger – setzte alles da- ran, die Schulleitungen über das elektronische Coronabulle- tin und die Eltern über den elektronischen Elternbrief immer zeitnah auf den neusten Stand zu bringen. Herausragende Einsatzbereitschaft im SAD Stadt ZH Am Mittwoch der ersten Sportferienwoche erreichte mich ein Anruf des Kantonsarztamtes: Verschiedene Fragen im Setting Schule seien noch nicht geklärt, weshalb zeitnahe eine Sitzung einberufen werden müsse. Ich war gezwun- gen, meine Sportferien um ein paar Tage zu kürzen. Darauf- hin begann jeder Arbeitstag damit, dass ich mich mindes- tens eine Stunde mit den neuen Vorgaben/Informationen vertraut mache und an unsere Mitarbeitenden weiterleite. Mit zunehmendem Umfang an Informationen mussten wir im Ärzteteam die Recherche-Arbeit aufteilen und die Mitar- beitenden erhielten pro Woche 2–3 Mails mit Zusammenfas- sungen aus COVID-19 News aus dem Umfeld Schule, BAG, Pädiatrie Schweiz, FMH, AGZ und ab Juni dann die wertvol- len VZK-Kispi-News zum Thema Corona. Diese bringen Ak- tuelles auf den Punkt und liefern hilfreiche Antworten auf anstehende Fragen. Ein grosses Dankeschön – an alle! Im März kam dann der Lockdown – eine sehr intensive Zeit für das SAD-Team und mich. Für unsere Schulärztlichen Pra- xen bedeutete es einerseits innert Tagen das Homeoffice zu organisieren, jedoch auch die vitalen Leistungen (Impfen, In- tervention bei Infektionskrankheiten und Kindesschutz) auf- rechtzuerhalten und – sofern nötig – in einem der Stadt- spitäler auszuhelfen. Mitte April hiess es dann – wie bei Euch in der Kinderpraxis – Schutzkonzepte in den Praxen zu etablieren und umzusetzen und die verschobenen Vorsorge- untersuchungen, Impfungen und Nachkontrollen nachzu- holen. Das hat viel Flexibilität und auch viel Organisations- Energie gebraucht. Mit zunehmenden Fallzahlen bestand schon bald (April) der Wunsch, dass unsere Schulärztinnen sieben Tage die Woche zur Verfügung stehen, um die Massnahmen des kantona- len Contact Tracing bei positiven COVID-19-Fällen an Schu- len umzusetzen – etwas nie zuvor Dagewesenes! Werben wir doch in unseren Stelleninseraten mit familienfreundli- chen Arbeitsbedingungen zu Bürozeiten, insbesondere kei- ne Wochenenddienste! Auf einmal war alles anders – Wo- chenenddienste, Schulferiendienste waren zu leisten und der Arbeitstag ging auch schon mal bis 21 Uhr oder länger! Von einem Tag auf den anderen waren wir auch für CO- VID-19-Fälle am Sportamt, am Musikkonservatorium Zürich und an der Fachschule Viventa zuständig, da sie ja auch zum Schul- und Sportdepartement der Stadt Zürich gehö- ren. Bisher bestand zu diesen Einheiten wenig Kontakt. All dies neben der regulären Arbeit. Ich war sehr beeindruckt und gerührt, dass unsere Ärztinnen und Ärzte diese neuen Vorgaben und Aufgaben trotz grösserem Arbeitsanfall kol- legial mitgetragen haben. Während wir vor den Sommerferien durchschnittlich ca. ei- nen COVID-19-Fall pro Woche hatten, sind es nun an den Volksschulen der Stadt Zürich ca. 2–3 Fälle pro Tag. Die Fall- DR. MED. RAFFAEL GUGGENHEIM MITGLIED REDAKTIONS- KOMMISSION, ZÜRICH Korrespondenzadresse: dokter@bluewin.ch Als Kinderärzte haben wir natürlich einiges zu tun gehabt, um unsere Praxen und unsere Arbeitsweisen an die neue COVID-Realität anzupassen. Wie ist es aber eigentlich den Schulärztinnen in der Stadt Zürich gegangen? Dieser Frage gingen wir nach und fragten bei Dede (Andrea-Seraina) Bauschatz, Leiterin des Schulärztlichen Dienstes der Stadt Zürich nach. Schulärzte und Schulärztinnen der Stadt Zürich in COVID-Zeiten Interview mit Dr. med. Andrea-Seraina Bauschatz vom 22. September 2020 Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Leiterin Schulärztlicher Dienst der Stadt Zürich, Zürich
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