KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2020
33 04 / 2020 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ A ls ich mich im Sommer 2019 für die jeweiligen Unterassistenzen beworben habe, war das SARS- CoV2 noch ausserhalb der Sichtweite. Unser aller All- tag wurde auf unterschiedlichste Art und Weise geprägt und hinterlässt auch in der Pädiatrie seine Spuren. So spürte ich während meiner vierwöchigen Unter- assistenz die Konsequenzen dieses schlecht greifba- ren Virus an mehreren Reprisen. Abgesehen von den langsam steigenden Fallzahlen und den damit in Ver- bindung stehenden Corona-Abstrichen, welche sich als naheliegendes Aufgabengebiet anbieten für eine Unter- assistentin, zeigte sich das Virus als ständiger Begleiter im Praxisalltag. Die Einführung der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr und somit auch im Wartezimmer der Arztpraxis führte anfangs zu Verunsicherung und einer speziellen und zum Teil angespannten Atmosphä- re. Auch die Untersuchungen von Kleinkindern waren durch das Tragen der Masken ungewohnt, sowohl für die Eltern als auch ihre Kinder, wobei sich letztere meist relativ gut mit den nun maskierten Kinderärztinnen an- freunden konnten. Die Verwendung von desinfizierba- ren Utensilien zur Entwicklungsabklärung ist sicherlich eine der ersten zusätzlichen Hürden des für uns nun normalen Arbeitsalltags. Meine wahrscheinlich eindrücklichste Begeg- nung mit dem SARS- CoV2 in der Kinder- praxis war durch eine überraschende Mittei- lung des Kinderspitals, welcher wir entnehmen konnten, dass sich ei- ner unserer jüngsten Pa- tienten nun in ihrer Ob- hut befinde und positiv auf das Virus getestet wurde. Nur einige Tage vor der Hospitalisierung war der Patient zur üblichen Einmonatskontrolle in unserer Praxis. Die- se Mitteilung zog einige unvorhersehbare Massnahmen mit sich, insbesondere bezüglich eines allenfalls nöti- gen Contact Tracing. Eine anfängliche Verunsicherung über die genaue Vorgehensweise und möglichen Kon- sequenzen, welche für das Personal im Rahmen einer Exposition umzusetzen wären, waren spürbar. Nach ei- ner genaueren Rekonstruktion der Begegnung mit dem Patienten wurde eine Liste von möglichen Kontakten in- nerhalb der Praxismittarbeiter erstellt. Die Tatsache, dass wir nicht direkt durch das Contact Tracing kontaktiert wurden, stattdessen indirekt durch einen Eintrittsbrief des Kinderspitals an den zuständigen Kinderarzt aus der Anamnese entnommen hatten, dass wir den Patienten erst vier Tage vor dessen Einweisung in unserer Praxis zur Routineuntersuchung untersucht hatten, verunsicherte uns in der Vorgehensweise. Wir entschlossen, uns direkt mit den zuständigen Ärzten des Kinderspitals in Verbindung zu setzen, um uns über das Befinden unseres Patienten und über allfällig nöti- ge Massnahmen zu informieren. Beruhigt über den sta- bilen Zustand unseres Patienten setzten wir unsere Su- che nach Antworten bezüglich unserer Situation beim Kantonsarzt weiter. Dank nun immerzu steigenden Zah- len trafen wir auf einen Telefonbeantworter, der uns die Corona-Hotline empfahl. Erwartungsvoll schilderte ich unsere Situation, worauf ich in einer sehr netten, jedoch wenig hilfreichen Interaktion aufgrund einer sachlichen Überforderung ein weiteres Mal weitergeleitet wurde. Dieses Mal versuchte ich mein Glück bei den sogenann- ten Corona-Ärzten, bei welchen ich eine sehr ernüch- ternde Antwort erhielt. Praxispersonal, welches sich mit einer Gesichtsmaske schützt, wird automatisch als ein geschützter Kontakt aufgefasst und benötigt keinerlei weitere Massnahmen. Etwas überrascht über diese sehr klare Aussage, da der Säugling selbst ja keinen Mund- schutz getragen hat, wir uns zudem über deutlich mehr als 15 Minuten in engem Kontakt befanden und der Maskenschutz unserer Maske ebenfalls nicht hundert- prozentig ist, entschieden wir uns nach erneuter Ab- sprache unter Kollegen zu einer Testreihe unserer Mit- arbeiter. Anhand dieses Falles, der uns doch so einiges Kopf- zerbrechen bereitet hatte und eine regelrechte Suche nach Antworten mit sich zog, verdeutlicht sich die Kom- plexität des Umgangs mit einem noch immer schlecht verständlichen Virus. Wie wir in dieser nun bereits be- vorstehenden Grippezeit mit ähnlichen Fällen im Praxis- alltag umgehen werden, wird sich zeigen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Regelkreise bezüglich einer klaren Auskunft für medizinisches Personal in den kommen- den Monaten eingleisen und somit solche Situationen einfacher zu handhaben werden. ■ DR. SC. ETH RASCHIDA RAFFAELA BOUHOUCH MSC, MEDIZIN- STUDENTIN IM 6. JAHR, LAUSANNE Korrespondenzadresse: raschida.bouhouch@gmail.com Der Praxisalltag hat sich im letzten Jahr deutlich den Umständen entsprechend verändert. In meinem Wahlstudienjahr habe ich mich dafür entschieden, möglichst viele verschiedene Einblicke in die Pädiatrie zu gewinnen. Besonders neugierig war ich auf das Erleben des Alltags in der Kinderarztpraxis, mit der Erwartung, dass die Unterassistenzen mir bezüglich der Wahl des Fachgebietes weiterhelfen würden. Praxisalltag in COVID-Zeiten Illustration: Kerstin Walter
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