KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2020
31 04 / 2020 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ M ich packt die Neugierde, was es mit «Ciao Coro- na» auf sich hat. Auf der Internetseite www.ciao-corona.ch finden sich ausführliche Informationen zu dieser Studie, mit der eine Gruppe von Forschern der Universität Zürich herausfin- den möchte, in welchem Mass sich Kinder und Jugend- liche mit dem Coronavirus angesteckt hatten, und ob sie andere Kinder und Jugendliche anstecken können. Auch die Ansteckungsmöglichkeiten zwischen den Kin- dern und Lehrpersonen sowie den Eltern sind Inhalt der Untersuchung. Im Gespräch mit der Studienlei- terin Susi Kriemler wird klar, dass bisher keine umfassenden Studi- en und Zahlen zu diesem Thema vorliegen. Und dies obwohl sol- che Daten enorm wichtig wären zur profunden Begründung von COVID-Massnahmen (Einschrän- kungen oder Lockerungen) an unseren Schulen. Angetrieben durch das Bedürfnis nach verlässlichen Daten, aber auch durch die Verunsicherung in der Bevölkerung infolge man- gelnder Informationen, machte sich das Forscherteam deshalb Ende April mit einer unglaubli- chen Motivation an die Ausar- beitung eines Studienkonzeptes. Die Zeit drängte: Noch vor den Sommerferien mussten erste Daten erhoben werden, die die Verbreitung des Vi- rus während der «Lockdown-Zeit» aufzeigten. Ein nächs- ter Untersuchungszeitpunkt nach den Herbstferien wird die Durchseuchung nach Wiedereröffnung der Schulen zeigen. Und ein dritter Block soll Information liefern zur Beantwortung der Frage, ob die Immunität gegenüber dem Coronavirus bestehen bleibt. Rund 2500 Schülerinnen und Schüler aus 55 Schulen verteilt über den ganzen Kanton Zürich wurden sau- ber randomisiert ausgewählt, informiert und schliesslich klassenweise untersucht. Die Beteiligung war mit 60% erfreulich hoch. Der Stolz, bei so etwas Wichtigem mit- zumachen, scheint viele Schülerinnen und Schüler ange- spornt zu haben. Ebenso wichtig war der grosse Einsatz von Lehrerschaft und Schulleitungen. Der genaue Ablauf der Untersuchung kann auf der Inter- netseite eingesehen werden. Mittels Texten und Videos werden hier Eltern, Kindern und anderen Interessierten sehr verständlich die wichtigsten Informationen zur Stu- die und zum Coronavirus vermittelt. Neben einem Fra- gebogen und einer venösen Blutentnahme wurde eine Speicheluntersuchung gemacht. In beiden Proben wur- de eine Antikörperbestimmung durchgeführt. Die Resultate zeigen Erstaunliches! Wider Erwarten ist die Seroprävalenz von COVID-19 bei Kindern etwa gleich gross wie bei Erwachsenen, insgesamt nämlich 2,8%. Kinder sind also keineswegs weniger häufig be- troffen als Erwachsene. Die Dunkelziffer bei Kindern ist aber deutlich höher als bei Erwachsenen (Kinder Faktor 89!, Erwachsene Faktor 12). Dies bedeutet, dass es auf 1 PCR+ Kind 89 seropositive Kinder gibt, währenddem das Verhältnis bei Erwachsenen 1:10 ist. 73% aller Kin- der hatte vorgängig COVID-19-kompatible Symptome und zwar unabhängig davon, ob sie seropositiv oder se- ronegativ waren. Dies zeigt, was wir Pädiater eigentlich schon lange wissen: Die Symptome allein liefern keine verlässlichen Hinweise auf die Diagnose. Erstaunlicher- weise waren kleine Kinder leicht häufiger (aber statistisch nicht signifikant unterschiedlich) seropositiv (3,8% (1,6– 5,9%)) als Adoleszente (1,5% (0,5–3,0%)), was evtl. mit der Möglichkeit zur bewussten Umsetzung von Hygi- enemassnahmen und Abstandsregeln zusammenhängt. Interessanterweise zeigte sich kein Clustering in den Klas- sen, die Ansteckungen in dieser ersten Untersuchungs- phase scheinen also nicht über den Klassenverband ge- laufen zu sein. Spannend hierzu sind nun die Daten aus der Erhebung im Herbst. Sie werden zeigen, welchen Ein- fluss die Schule in der Verbreitung des Virus hat. Bei Redaktionsschluss liegen die neuen Daten noch nicht vor. Wenn ihr dieses Heft in den Händen hal- tet, sollten alle Kinder aber erneut untersucht wor- den sein! Informiert euch darüber auf der Internetseite (www.ciao-corona.ch ). Neugierde lohnt sich. Ich möchte mich ganz herzlich bei Susi Kriemler bedan- ken für die interessanten Gespräche zu diesem Text. Ihre Kompetenz ist beeindruckend und ihre Begeisterung für das Thema sehr ansteckend! ■ DR. MED. NADIA SAUTER OES MITGLIED REDAKTIONS- KOMMISSION, WINTERTHUR Korrespondenzadresse: nadia.sauter@oes.ch Immer wieder berichteten mir vor den Sommerferien Schülerinnen und Schüler ganz stolz, sie hätten bei einer wichtigen Studie mitgemacht. «Ciao Corona» heisse die Studie und nun finde man mit ihrer Hilfe heraus, wie das Coronavirus und die Abwehr des Körpers funktioniere und wie das Virus sich verbreite. Ja, darauf kann man wirklich stolz sein! «Ciao Corona»-Studie Nach einem Interview mit Prof. Dr. med. Susi Kriemler Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin sowie Sportmedizin, Institut für Sozial- und Präventivmedizin Universität Zürich Häufigkeit von betrof- fenen Kindern auf 100 Primar- und Sekundar- schulklassen des Kantons Zürich im Juni/Juli 2020 Die grauen Kreise stellen die Klassen dar, die kleinen roten Punkte die Schüler bei denen eine zurückliegende Ansteckung festgestellt wurde. Die Anzahl Klassen wurde auf 100 gerechnet. In 67 Klassen von 100 wurde keine Infektion festgestellt. In 29 Klassen von 100 wurde eine Infektion festgestellt. In 3 Klassen von 100 wurden zwei Infektionen festgestellt. In 1 Klasse von 100 wurden drei Infektionen festgestellt.
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