KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2020

21 04 / 2020 JAHRESTAGUNG K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ «Was ist das Schwerste von allem? Was dir das Leichteste dünket: Mit den Augen zu sehen, was vor den Augen dir lie- get.» (J. W. von Goethe). Das fallorientierte Dermatologie- Quiz während der KIS-Jahrestagung 2020 forderte Zuhö- rer und -seher, auch Mitdenker zu werden. PD Dr. med. Lisa Weibel präsentierte vermeintlich Leichtes, was auf den zwei- ten Blick mit den angehängten Quiz-Fragen während des Vortrages plötzlich weniger augenscheinlich war. Exempla- risch stand dafür die Präsentation eines Borrelien-Lymphozy- toms der Haut an den Augenbrauen 1 – anstatt des eher be- kannten auriculären Auftretens. Ungewohnt war auch die vorgestellten speziellen Formen einer Enterovirusinfektion mit makulopapulöser, vesikulärer, bullöser bis erosiver Prä- sentation mit disseminiertem oder gruppiertem Auftreten perioral, an Extremitäten und am Stamm neben den sonst typischen Beteiligungen palmar, plantar und enoral. Beim «Eczema coxsackium» können die Effloreszenzen häufig an Arealen auftreten, die typischer Weise im Rahmen einer vorbestehenden atopischen Dermatitis involviert sind. 2 Auch eine Windeldermatitis kann provozierend wirken. Moderne Jugendtrends als Mutproben tituliert öffneten ei- nem ebenfalls die Augen: Hierbei verletzen sich Jugend- liche mit langandauerndem Aufsprühen von Deosprays aus Sprühdosen auf die Haut aus nächster Nähe «deo- dorant burn challenges» – je länger, desto wirksamer um lokal eine Erfrierung 1. oder 2. Grades auszulösen (siehe z.B. hier: www.youtube.com/watch?v=ATHqsTtqVBU ). Ähnliche Effekte lassen sich auch auslösen durch direk- tes Auflegen von Eiswürfeln auf die Haut unter Zugabe von Salz; die «salt and ice challenge». Die Fälle einer Ti- nea capitis sive faciei wirkten dagegen als klassische Krank- heitsentitäten. Allerdings wird unter Umständen eine Tinea faciei lange nicht als solche erkannt und Details der Therapieoptionen können eine Herausforderung sein: Microsporum: 1. Itraconazol (Sporanox® Sirup oder Tabl., 5 mg/kgKG/d, 1 x täglich; Sirup nüchtern(!) einnehmen), 2. Terbinafin (Lamisil® Tabl. < 20 kg – 62.5 mg/d; 20–40 kg – 125 mg/d; > 40 kg – 250 mg/d). Trichophyton: 1. Terbinafin, 2. Itraconazol. Die Therapiedauer umfasst bei der Tinea faciei 3–4 Wochen und mindestens 8 Wochen bei Beteiligung haar- tragender Hautareale (z.B. Augenbrauen). Dass anhand von Effloreszenzen an den Händen der Kin- der die Genussvorlieben der Eltern unter Umständen er- kannt werden können, zeigte ein weiterer Fall. Hier führ- te der Kontakt mit Limettensaft bei der Vorbereitung eines Getränks während der Familienferien zu hyper- pigmentierten Hautarealen nach Sonnenlichtexposition, sog. «Photodermatitis pigmentaria» oder auch Berloque- Dermatitis. Die verantwortlichen Furocumarine finden sich auch in Zitronen, Grapefruits, Orangen und Bergamot- te (letzteres auch als Öl in Duftstoffen). Als Therapieoption gelten topische Steroide für 2 Wochen und anschliessender Einsatz von Calcineurininhibitoren (Elidel ® Creme oder Pro- topic ® Salbe). Die Identifizierung eines Exanthema (exsudativum) multi- forme war weniger eine Herausforderung, die Abgrenzung zu allfälligen Differenzialdiagnosen hingegen schon, u.a. mit dem Steven-Johnsons-Syndrom, toxischer epidermaler Nekrolyse und als mögliche eigene Entität ein durch Myko- plasma pneumoniae induzierter Ausschlag mit Mukositis. 3 Beim « M. pneumoniae induced rash and mucositis» (MIRM) sind mindestens zwei Schleimhautareale befallen. Bei insge- samt guter Prognose können unter anderem Komplikatio- nen bei Beteiligung der Augen oder eine Bronchiolitis ob- literans auftreten – generell ist eine rasche Zuweisung zur Therapie unter Spitalbedingungen indiziert. Im Kleinkindalter treten vermehrt das idiopathische fa- ziale aseptische Granulom auf, was sehr häufig an den Wangen lokalisiert ist. Die Granulome, die wie ein Abs- zess wirken, präsentieren sich bläulich-rötlich, vereinzelt oder multipel, oft mit putridem, fluktuierendem Inhalt, wobei dieser steril ist. Die Therapie besteht aus Abwar- ten. Bei ausgeprägten Befunden («dick» oder «fluktuie- rend») ist Metronidazol mit systemischer Einnahme für 3 Wochen eine Option. 4 Mehrheitlich bekannt ist, dass die periorale Dermatitis durch topisch angewandte Steroide (auch Inhalativa) verschlech- tert oder provoziert werden kann; ein gleiches Phänomen kann zudem durch die fetthaltige Salbengrundlage des Pro- topic ® getriggert werden. Therapieempfehlungen für die, auch am Unterlid der Augen mögliche Dermatitisform sind Metronidazol lokal (z.B. Rosalox ® ) am Morgen und Elidel ® am Abend. Auch wenn Vorträge generell die Gefahr des Abtauchens bieten, besonders, wenn eine physische Präsenz nicht mög- lich ist, förderte der kompakte und sehr informative Vortrag von FrauWeibel das Eintauchen und aktive ‘Mitschwimmen’ in der – sich nun für mich wieder ein wenig leichter zu er- kennenden – Welt der bunten Kinderdermatologie. ■ Anmerkung der Redaktion: Die im Vortrag präsentierten Bilder können aufgrund urheberrechtlicher Gründe nicht reproduziert werden. DIPL. ARZT SVEN SPRENGER FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, OBERARZT KANTONSSPITAL AARAU, KINDERARZTPRAXIS AM BAHNHOF, AARAU Korrespondenzadresse: sven_sprenger@web.de Ärzte Referat Von Händen und Füssen bis zum Kopf – Dermatologie-Quiz LITERATUR: 1. Amschler K, Schön MP, Mempel M, et al. Atypical location of lymphocy- toma cutis in a child. Pediatric Dermatology. 2013;30:628–629. 2. Mathes EF, Oza V, Frieden IJ, et al. «Eczema coxsackium» and unusual cu- tanous findings in an enterovirus outbreak. Pediatrics. 2013;132:e149–157. 3. Canavan TN, Mathes EF, Frieden IJ, et al. Mycoplasma pneumoniae – in- duced rash and mucositis as a syndrome distinct from Steven-Johnson syndrom and erythema multiforme: a systematic review. J Am Acad Der- matol. 2015;72:239–245. 4. Roul S, Léauté-Labrèze C, Boralevi F, et al. Idiopathic aseptic facial gran- uloma (pyrodermite froide du visage): a pediatric entity? Arch Derma- tol. 2001;137:1253–1255. Referentin: PD Dr. med. Lisa Weibel, Fachärztin für Dermatologie FMH, Venerologie FMH sowie Kinder- und Jugendmedizin FMH, leitende Ärztin, Universitäts-Kinderspital Zürich

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