KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2020
18 JAHRESTAGUNG 04 / 2020 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ «E in bisschen speziell hier so alleine», begann Prof. Dr. med. Christoph Berger vom Kinderspital Zürich seinen Vortrag. Statt im grossen Saal in Sursee sass ich zu Hause mit meiner Tochter auf dem Balkon vor dem Laptop. Sie hatte am Morgen gehustet und konnte so nicht in die Schule gehen. «Im COVID-Winter müssen Kinder mit Husten zu Hause bleiben», bestätigte Christoph Berger später. «Wir können klinisch nicht unterscheiden zwi- schen COVID-19 und anderen Viren.» Anhand von weltweiten Studien zeigt er auf, dass Kin- der viel weniger schwer an COVID-19 erkranken. Kinder werden wahrscheinlich genauso infiziert wie Erwach- sene, aber sie werden nicht krank. In der Schweiz sind es insgesamt 413 Fälle, davon 34 hospitalisierte und 1 Todesfall bei den unter 10-jährigen und 2116 Jugendli- che, davon 49 hospitalisierte bei den unter 19-jährigen (Stand 2.9.2020). Kinder sind nicht die «Spreader» dieser Krankheit. Es sind die Eltern, die das Virus in die Familie einbringen. Daten aus den Niederlanden und Australien zeigen, dass ein positives Kind selten ein anderes Kind oder ei- nen Lehrer ansteckt. Umgekehrt sind es bei der Grippe oft die Kinder, die das Virus an die Erwachsenen geben. Daten aus Genf zeigen, dass nur ca. 1% der Kinder zwi- schen 5 und 9 Jahren Antikörper (anti-SARS CoV-2 IgG) aufweisen, umgekehrt also 99% keine Antikörper tra- gen. Der Antikörpernachweis ist nur eine Momentauf- nahme und sagt nichts über Schutz und Schutzdauer aus. Zum Thema Kinder mit Vorerkrankungen: Die Risiko- kategorien für Erwachsene sind für Kinder nicht an- wendbar. Ein Kind mit Diabetes Typ 1 oder Asthma bronchiale sollte gut eingestellt werden, hat aber kein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf bei COVID- 19. Kinder und Jugendliche, die vor COVID-19 die Schu- le besucht haben, dürfen sie auch jetzt besuchen. Christoph Berger setzt sich sehr dafür ein, dass Schulen und Betreuungseinrichtungen geöffnet bleiben, auch wenn es eine Gratwanderung ist zwischen geöffne- ten Schulen und Vermeidung von Outbreaks. Wichtig sind Hygienemassnahmen (Social Distancing, Hände- waschen, sinnvoll Masken tragen) und Contact Tracing (Identifikation, Isolation und Übertragungsketten unter- brechen). Laut BAG muss man Kinder unter 12 Jahren mit leichten Symptomen wie Pharyngitis und Rhinitis und ein biss- chen Husten nicht testen, Kinder mit akutem Husten und Fieber sollten aber getestet werden. Kinder über 12 Jahre werden wie Erwachsene getestet. Falsch po- sitive Tests sind sehr unwahrscheinlich, falsch negative Tests kann es geben. Während der Goldstandard der kombinierte Nasen- und Rachenabstrich ist, ist für Kinder der nasopharyngeale Abstrich ausreichend. «Im COVID-Winter müssen kranke Kinder mit Husten und Fieber zu Hause bleiben.» Ist die Krankheit bin- nen ein paar Tagen selbstlimitierend, dann darf das Kind wieder in die Schule. Wenn es andauert, sollte man ei- nen Test machen, wenn der Test negativ ist, darf das Kind wieder in die Schule. Das «Wording» ist extrem schwierig und unsere Mitar- beit als Praxispädiater ist im Einzelfall gefragt. Auf die Frage: «Es gibt Kinder, die husten den ganzen Winter – und dann?» antwortet er: «Ich habe nicht die perfekte Lösung.» «Wir dürfen Kindern keine Angst machen», denn «Kinder sind weniger betroffen und Kinder sind nicht die Verbreiter dieses Virus». Meine Tochter ist am nächsten Tag wieder in die Schu- le gegangen und ich konnte in der Praxis alle Fragen zum Umgang mit COVID-19 bei Kindern souverän be- antworten. ■ DR. MED. IRMELA HEINRICHS VORSTANDSMITGLIED KINDERÄRZTE SCHWEIZ, LEITERIN REDAKTIONS- KOMMISSION, USTER Korrespondenzadresse: iheinrichs@hin.ch Referent: Prof. Dr. med. Christoph Berger, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH und Infektiologie FMH, Leiter Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene, Universitäts-Kinderspital Zürich Ärzte Referat Infektiologie: Kinder und COVID-19 Typische Symptome für COVID-19: ■ Fieber 40–60% ■ Husten 50% ■ Pharyngitis 40% ■ Rhinitis/Diarrhoe/… 20% Mediane Inkubationszeit 4,8 Tage 95% der Symptome binnen 14 Tagen Median bis zur Erholung 32 Tage
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