KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2020
40 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L 03 / 2020 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ Einführung Die Inzidenz der Nahrungsmittelallergien bei Kindern liegt aktuell weltweit bei ca. 5–8% und nimmt weiter zu [1]. Die Therapie bestand bisher ausschliesslich in einer strik- ten Vermeidung des Allergens und dem stetigen Mittra- gen eines Notfallsets. Es gibt bereits seit vielen Jahrzehnten den Versuch, die Nahrungsmittelallergien mittels spezifischer Immunthera- pie zu behandeln. Es gelang jedoch erst in den letzten Jahren, hierfür im Rahmen von doppelblind placebokon- trollierten Studien an grossen Patientenkollektiven einen sicheren Effekt zu zeigen. Im Gegensatz zu der sublingu- alen und epikutanen spezifischen Immuntherapie mit Nah- rungsmitteln hat sich die orale Immuntherapie als ausrei- chend effektiv gezeigt. Bei Kindern (5–17 Jahre) und für die Nahrungsmittel Erdnuss, Kuhmilch und Hühnerei kann die OIT nun seit 2018 gemäss den Leitlinien der European Academy for Allergy and Clinical Immunology (EAACI) empfohlen werden [2]. Wenn eine Nahrungsmittelallergie vorliegt, erschwert dies in der Regel den Alltag beträchtlich. Insbesondere, wenn man mit einer heftigen Reaktion gegen das Allergen rech- nen muss, falls es sich versteckt in einer Mahlzeit befindet. Das strikte Vermeiden des Allergens bedingt einen einge- schränkten Speiseplan. Da man eine allergische Reaktion nie ausschliessen kann, muss ein Notfallset mit Medika- menten immer zur Verfügung stehen. Eine orale Immuntherapie kann bewirken, dass man vom Allergen in Zukunft mehr verträgt, d.h. dass durch eine Desensibilisierung die Toleranzschwelle heraufgesetzt wird und somit gravierende allergische Reaktionen vermieden werden können. Die Lebensqualität erhöht sich damit be- trächtlich [3, 4]. Diese Therapie benötigt jedoch viel Ge- duld und die Bereitschaft, täglich eine Portion des allergie- auslösenden Lebensmittels zu sich zu nehmen. Ausserdem müssen der Patient und seine Familie bereit sein, ein er- höhtes Risiko für anaphylaktische Reaktionen auf sich zu nehmen [5]. Die orale Immuntherapie zeigt tendenziell gute Erfolge, da bei 80% der Patienten eine Desensibilisierung erfolgreich ist [6]. Studien zeigen jedoch, dass nur etwa 50% dieser Patienten nach OIT eine andauernde Toleranz entwickeln DR. MED. MIRIAM HOERNES FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH UND FACHÄRZTIN FÜR ALLERGOLOGIE UND KLINISCHE IMMUNOLOGIE FMH, ZÜRICH Korrespondenzadresse: m.hoernes@ kinderallergiedoktor.ch Orale Immuntherapie (OIT) bei Nahrungsmittelallergien Abb 1: Abwiegen der täglichen Dosen für eine Erdnuss OIT. Foto:Miriam Hoernes
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