KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2020

39 03 / 2020 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ läre Symptome auftreten respektive bei anamnestisch wahrscheinlichem Allergenkontakt auch bereits bei zu- sätzlichen gastrointestinalen Symptomen, sollte unver- züglich Adrenalin i.m. angewendet werden. Wie geht es nach der Adrenalingabe weiter? Adrenalin i.m. ist schnell wirksam und hat abgesehen von möglichen leichten transienten adrenerg beding- ten Symptomen (Palpitation, Kopfschmerzen, Blässe, Angst, Unruhe) praktisch keine Nebenwirkungen [1, 4]. Nach der Adrenalingabe kommt es meist sehr schnell zu einer Besserung des Allgemeinzustandes. Bemerkung: In seltenen Fällen, wenn die Adrenalin-An- wendung keinen deutlichen Erfolg zeigt, ist problemlos eine zweite Anwendung von Adrenalin i.m. in gleicher Dosierung nach fünf Minuten möglich [1]. In diesem Fall sollte anschliessend die Rettung avisiert werden, da es möglicherweise weitere Massnahmen zur Stabilisie- rung braucht. Nach der Adrenalingabe muss eine optimale Körper- position gewählt werden [1], das heisst bei Beteiligung des Kreislaufs eine Schocklagerung bzw. bei Beteiligung der Atemwege eine aufrechte Sitzposition. Kinder neh- men bei Atemnot meist spontan eine günstige Körper- position ein. Ergänzende medikamentöse Therapie (immer zusätzlich zu und erst nach Adrenalin i.m.) [1]: 1. Bei Beteiligung der Atmung: Sauerstoff via Maske ohne Rückatmung 2. Bei Kreislaufbeteiligung (Hypotonie): Volumenbolus i.v. mit 20ml/kg/KG NaCl 0,9% 3. Bei Beteiligung der oberen Atemwege (inspiratori- scher Stridor): Inhalation von Adrenalin (5ml pur via Vernebler) 4. Bei Beteiligung der unteren Atemwege (Giemen): Inhalation mit Salbutamol (Ventolin ® ) via Vernebler (1ml gelöst in 2ml NaCl 0,9%) oder Trockeninhalati- on mittels Dosieraerosol via Vorschaltkammer: – Kinder unter 6 Jahre: 2–6 Hübe – Kinder ab 6 Jahre: 2–12 Hübe. 5. Nicht sedierendes Antistaminikum mit schnellem Wirkeintritt, z.B. Levocetirizin (Xyzal ® ): – Kinder von 2–5 Jahren: 2,5mg (10 Tropfen) p.o. – Kinder von 6–11 Jahren: 5mg (20 Tropfen oder 1 Tablette) p.o. – Kinder ab 12 Jahren: 10mg (2 Tabletten) p.o. Für Kinder unter 2 Jahren ist nur das sedierende Dimetinden (Feniallerg ® ) als Antihistaminikum mit schnellem Wirkeintritt verfügbar: – Kinder von 4 Wochen bis 2 Jahre: 0,05mg (=1 Tropfen) pro kg Körpergewicht p.o. Alternativ für alle Altersklassen bei vorhandenem in- travenösen Zugang: – Clemastin (Tavegyl ® ) 0,05mg/kg, max. 2mg lang- sam i.v. CAVE: Induktion einer Hypotonie. 6. Systemisches Steroid z.B. Betamethason (Betnesol ® ) 0,3mg/kg max. 15mg p.o. oder Prednisolon 2mg/ kg, max. 100mg p.o. oder i.v. Ein Kind sollte nach anaphylaktischer Reaktion wegen des Risikos für biphasische Reaktionen mehrere Stun- den überwacht werden [1, 9], deshalb empfiehlt es sich, auch wenn die Situation kontrolliert ist, das Kind per Ambulanz in ein Spital zu verlegen. Ein Notfallset inklusive Adrenalinautoinjektor muss vor der Entlassung abgegeben und instruiert werden. Zu- dem muss eine Instruktion zum Meiden des vermute- ten Auslösers erfolgen. Zur Evaluation des Auslösers und zur weiteren allergo- logischen Betreuung ist eine Zuweisung zu einer pädi- atrisch-allergologischen Spezialistin oder einem Spezia- listen dringend empfohlen. ■ LITERATUR: 1. Muraro et al: EACCI Position Paper: Anaphylaxis: guidelines from the European Academy of Allergy and Clinical Immunology, Allergy, 2014 2. Murao et al: Managing food allergy and anaphylaxis: A new model for an integrated approach, Allergology International, 2020 3. Grabenreich LB et al: Anaphylaxis in children ans adolescents: The European Anaphylaxis Registry, J Allergy Clin Immunol 2016 4. Kemp SF et al: Epinephrine: the drug of choice for anaphylaxis. A statement of the WAO, Allergy, 2008 5. Sampson HA et al: Fatal and near-fatal anaphylactic reactions to food in children and adolescents. N Engl J Med., 1992 6. Sampson HA et al: Second Symposium on the Definition and Man- agement ofAnaphylaxis: Summary Report – Second National Insti- tute ofAllergy and Infectious Disease/Food Allergy and Anaphylaxis- Network Symposium, Annals of Emergency Medicine, 2006 7. Wood JP et al: Safety of epinephrine for anaphylaxis in the emergen- cy setting, World J Emerg Med., 2013 8. Campbell RL et al: Epinephrine in anaphylaxis: higher risk of cardio- vascular complications and overdose after administration of intrave- neous bolus epinephrine compared with intramuscular epinephrine, J Allergy Clin Immunol Pract, 2015 9. Alqurashi W et al: Epidemiology and clinical predictors of biphasic reactions in children with anaphylaxis, Ann Allergy Asthma Immu- nol, 2015 10.Brown GAS: Clinical features and severity grading of anaphylaxis, J Allergy Clin Immunol, 2004 Für die Notfalltherapie der Anaphylaxie in der Kinderarztpraxis soll- ten folgende Medikamente vorrätig und gut erreichbar gelagert sein: 1. Adrenalin – Autoinjektor (mind. 2 Stück à 150µg und 2 Stück à 300µg) und/oder – Adrenalin-Ampullen, Tuberkulinspritzen, 25G Kanülen 2. Equipment zur Sauerstoffgabe 3. NaCl 0,9% Infusionslösung und Infusionsbesteck 4. Vernebler für Salbutamol (z.B. Ventolin ® ) respektive Adrenalin 5. Antihistaminikum p.o. und i.v. (z.B. Feniallerg ® ,Xyzal ® und Tavegyl ® ) 6. Steroide p.o. und i.v. (z.B. Betnesol ® , Spiricort ® und Prednisolut ® )

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