KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2020

29 03 / 2020 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ Patienten bei 192505 Injektionen über einen 10-jähri- gen Beobachtungszeitraum fanden sich insgesamt 115 systemische Reaktionen. Dies sind 5,2% der Patien- ten oder 0,06% aller Injektionen, welche nahezu alle in den 30 Minuten Nachbeobachtung auftraten [27]. Bei in einer Studie zwischen 2008 und 2011 untersuch- ten 6,3 Millionen Injektionsvisiten fanden sich bei etwa 0,1% systemische Reaktionen [28, 29]. Somit ist es unabdingbar, das Notfallschema und das Notfallequipment für jeden Patienten vor Durchführung einer SCIT bereit zu haben und das ganze Team auf eine solche Reaktion vorbereitet zu haben. Bei wiederholt schweren Reaktionen und/oder unzurei- chender Compliance (z.B. Patient bleibt nicht ausreichend lang in der Praxis, Intervallüberschreitungen, unangemes- sene körperliche Belastung etc.) sollte die Entscheidung über die Fortführung oder den Abbruch der Therapie von einem Allergologen unter Abwägung der Risiken bei The- rapiefortsetzung, der Dringlichkeit der Indikation und der Therapiealternativen diskutiert werden. Bei unerwünschten Begleitreaktionen ist eine Präme- dikation mit einem Antihistaminikum möglich, um die Häufigkeit und den Schweregrad möglicher systemi- scher Reaktionen zu mindern. Allerdings sind diese trotz Prämedikation nicht ausgeschlossen [30–32]. Wichtig: Das Auftreten schwerer, potenziell lebensbe- drohlicher systemischer Reaktionen bei der SCIT ist mög- lich, aber bei Einhaltung aller Sicherheitsmassnahmen sehr selten. Die meisten unerwünschten Reaktionen sind leicht bis mittelschwer und lassen sich gut behandeln. SLIT mit Inhalationsallergenen Die SLIT kann im Gegensatz zu der SCIT vom Patienten selbstständig zu Hause durchgeführt werden. Die erste Dosis muss jedoch immer unter ärztlicher Aufsicht ein- genommen werden mit 30 Minuten Überwachungszeit in der Praxis, wobei das gleiche Notfallequipment zur Verfügung stehen sollte wie bei der SCIT (siehe auch «Praktische Hinweise für die Praxis»). Die Tablette bzw. die Lösung wird unter die Zunge gegeben. 1–2 Minu- ten nach Einnahme der Tablette bzw. Lösung darf der Patient nicht schlucken und bis zu 5 Minuten nach Ein- nahme nichts essen oder trinken. Vor Therapiebeginn oder spätestens während der Über- wachungszeit sollte der Patient über die Verhaltens- massnahmen während der Therapie zu Hause ausführ- lich von einem allergologisch erfahrenen Arzt informiert werden. Kinder unter 12 Jahren müssen 30 Minuten nach der Einnahme unter der Aufsicht eines Erwachsenen sein. Bei Kindern oder Jugendlichen mit Asthma bronchiale sollte sichergestellt werden, dass dieses jederzeit ausrei- chend gut eingestellt ist. Die Einnahme zu Hause sollte unterbrochen werden bei akuten Entzündungen oder offenen Wunden im Mund oder Rachenbereich sowie bei Zahneingriffen. Ausser- dem sollte sie bei einer akuten Gastroenteritis oder ei- nem fieberhaften Infekt unterbrochen werden (siehe auch jeweilige Fach- und Gebrauchsinformation). Lokale Nebenwirkungen an der Schleimhaut der Mund- und Rachenhöhle sind zu Beginn der SLIT sehr häufig und kommen bei 40–75% aller Patienten vor [33–37]. Die Patienten sollten daher unbedingt darüber aufge- klärt werden und es sollten ihnen bereits Hilfsmassnah- men aufgezeigt werden, die sie zur Prophylaxe oder Lin- derung der Symptome durchführen können. So kann der Patient nach 5 Minuten zur Linderung der Symp- tome Wasser trinken, einen Eiswürfel lutschen, etwas essen oder ein orales Antihistaminikum einnehmen. Dieses kann versuchsweise auch bereits 1 Stunde vor Einnahme prophylaktisch gegeben werden. Die lokalen Nebenwirkungen treten zwar recht häufig auf, sind aber in der Regel nach 1–3 Wochen spontan rückläufig [33]. Es ist wichtig, den Patienten darauf hin- zuweisen, damit die Therapie nicht unnötigerweise vor- zeitig abgebrochen wird. Es wurde beobachtet, dass die lokalen Nebenwirkungen der häufigste Grund für einen Abbruch der Therapie sind [38]. Ebenso wie die SCIT sollte auch die SLIT über insge- samt 3 Jahre fortgeführt werden. Es gibt perenniale so- wie prä- und cosaisonale Dosierungsschemata. Für bei- de konnte eine Wirksamkeit gezeigt werden. Man sollte aber darauf achten, dass man das Schema wählt, für welches im Hinblick auf das verwendete Produkt eine Wirksamkeit nachgewiesen werden konnte. Um die Adhärenz der Patienten zu verbessern, sollte zu Beginn der SLIT eine Kontrolle nach 4 bzw. 12 Wo- chen durchgeführt werden. Anschliessend ist eine Ver- laufskontrolle nach 12 Monaten zu empfehlen, da die Patienten so einerseits bei prä- und co-saisonalen The- rapien an den Start des erneuten Zyklus erinnert wer- den und andererseits bei ungenügendem Ansprechen nach dieser Zeit von einzelnen Herstellern bereits ein Abbruch der Therapie empfohlen wird (siehe Fach- und Gebrauchsinformation). Effektivität Effektivität der SCIT bei allergischer Rhinokonjunktivitis und Asthma bronchiale Die Allergenextrakte entstehen durch die Prozessie- rung der Hersteller, die sich in Zusammensetzung und Allergenaktivität voneinander unterscheiden und da- her auch bei gleichen Allergenquellen nicht direkt ver- gleichbar sind (Abb 1 und 2: verfügbare Allergenextrak- te zur SIT) [9]. Die klinische Wirksamkeit der SCIT bei saisonaler aller- gischer Rhinokonjunktivitis wurde in DBPC Studien aus- gewertet und zeigt eine Minderung der Symptome, des Medikamentenbedarfs und eine Besserung der Lebens- qualität [33, 39].

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