KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2020
26 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L 03 / 2020 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ Einführung Die allergische Rhinitis ist eine häufige Erkrankung, welche entzündliche Symptome in den oberen Atem- wegen, der Nase und den Augen hervorruft [1, 2]. Die Allergische Rhinitis betrifft bis zu 40% der Bevölke- rung weltweit mit einer Prävalenz in Europa von 23– 30% [3]. Graspollen, Birkenpollen und Hausstaub- milben gehören zu den häufigsten Auslösern [3]. Die allergische Rhinitis verursacht jährlich erhebliche direk- te und indirekte Gesundheitskosten, da sie die Men- schen in ihrem Alltag einschränkt und sich somit auf die Lebensqualität und Produktivität auswirkt [1]. Sie ist ausserdem häufig assoziiert mit verschiedenen an- deren atopischen Erkrankungen, insbesondere mit dem Asthma bronchiale. Die spezifische Immunthera- pie (SIT) ist die einzige Therapie für die allergische Rhi- nitis und/oder das allergische Asthma bronchiale mit Langzeiteffekt [4–8]. Indikation Eine SIT ist indiziert bei Patienten ≥ 5 Jahren, bei de- nen eine IgE-vermittelte Sensibilisierung nachgewiesen werden konnte mittels IgE-Testung oder Haut-Pricktest und zusätzlich ein eindeutiger Zusammenhang zwi- schen der Sensibilisierung und den Symptomen be- steht. Eine weitere Voraussetzung ist, dass ein stan- dardisiertes Allergenextrakt zur Verfügung steht und dass bereits ein Wirksamkeitsnachweis für die geplan- te SIT für die jeweilige Indikation und Altersgruppe vorliegt (Tabelle 2) [9]. Es gibt verschiedene Variablen, die den Erfolg der SIT beeinflussen, wie z. B. eine kurze Erkrankungsdauer, ein junges Alter und eine geringe Beteiligung der un- teren Atemwege, sodass es durchaus Sinn macht, eine SIT bereits im frühen Schulalter mit den Patienten und ihren Familie zu thematisieren (Tabelle 1) [9]. In ausgewählten Situationen (polysensibilisierte Pati- enten) kann der Einsatz der In-vitro-Komponentendia- gnostik den Erfolg einer SIT schon zum Zeitpunkt der Indikationsstellung begünstigen. Patienten ohne Sen- sibilisierung gegen Majorallergenkomponenten (Ta- belle 3) [9] haben möglicherweise einen schlechteren Therapieerfolg der SIT [10]. Allerdings stehen hier wei- terführende prospektive Untersuchungen noch aus. Bei nachgewiesener Hausstaubmilbenallergie ist eine SIT indiziert, sofern Massnahmen zur Milbenkarenz (milbenallergendichte Matratzenüberzüge [«enca- sings»], waschbare Bettdecken und weitere Massnah- men zur Reduzierung der Hausstaubmilbenallergene) nicht ausreichend sind und nach dreimonatiger Karenz keine befriedigende Besserung eingetreten ist [9]. Eine SIT mit Tierallergenextrakten ist bei sehr guten Karenzmöglichkeiten nur in Ausnahmefällen indiziert, insbesondere da sich bei der SIT mit Tierallergenen häufigere und schwerere Nebenwirkungen zeigen als bei der Pollen SIT [9]. Bei einer Schimmelpilzallergie ist die vollständige Mei- dung der Allergene nur in Ausnahmefällen möglich. Bei einer saisonalen Schimmelpilzallergie, entspre- chender Indikation und gut charakterisierten Thera- pieallergenen (Alternaria, Cladosporium) kann eine SCIT mit Schimmelpilzallergenen erwogen werden [9]. Kontraindikationen Bei der Entscheidung zur SIT sind die Kontraindikati- onen zu berücksichtigen (Tabelle 4) [9]. Im Gegensatz zu den Erwachsenen, bei denen ein teilkontrollier- tes Asthma bronchiale immer eine Kontraindikation darstellt, kann bei Kindern auch bei teilkontrollier- tem Asthma [11] mit selten auftretender Symptoma- tik eine SIT erfolgen. Durchführende Ärzte sollten ne- ben den Empfehlungen der Leitlinie immer auch die Fach- und Gebrauchsinformationen der Allergenher- steller beachten. Auch bei der sublingualen Form der SIT (SLIT) sind In- dikationen und Kontraindikationen zu beachten. Sys- temische Nebenwirkungen werden bei der SLIT im Ver- DR. MED. CHRISTINA WEBER FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH UND FACHÄRZTIN FÜR ALLERGOLOGIE UND KLINISCHE IMMUNOLOGIE FMH, ZÜRICH Korrespondenzadresse: christina.weber@hin.ch DR. MED. MIRIAM HOERNES FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN UND FACHÄRZTIN FÜR ALLERGOLOGIE UND KLINISCHE IMMUNOLOGIE FMH, ZÜRICH Korrespondenzadresse: m.hoernes@kinderallergiedoktor.ch Spezifische Immuntherapie bei Pollenallergie Faktoren, die die klinische Wirksamkeit der SIT erhöhen a,b kurze Erkrankungsdauer geringe Beteiligung der unteren Atemwege junges Lebensalter (Das Paediatric Committee [PDCO] der European Medicines Agency [EMA] empfiehlt einen Beginn der Therapie nicht unter fünf Jahren.) gute Compliance und Adhärenz hohe kumulative Dosis der SIT a Je mehr Punkte zutreffen, desto wahrscheinlicher lassen sich mithilfe einer spezifischen Immuntherapie (SIT) sowohl Symptome und Medikamentenverbrauch reduzieren als auch ein Etagenwechsel mit Entwicklung eines Asthma bronchiale und eine Verbreiterung des Allergenspektrums verhindern. b Gilt nur für Inhalationsallergene. Tabelle 1
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