KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2020

16 BERUFSPOL I T I K 03 / 2020 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ Wellen Angenommen, wir waschen uns während 20 Sekun- den – so wie empfohlen – die Hände mit Seife bei lau- fendem Wasser, so verbrauchen wir zirka 1,5 l Wasser, manche mehr. Angenommen, wir machen das im Ver- gleich zur Vor-Corona-Zeit zusätzliche sieben Mal pro Tag, so verbrauchen wir zusätzliche 10,5 l Wasser pro Tag, immerhin die Hälfte der für jeden Menschen emp- fohlenen Mindestmenge von 20 l für Trinken, Kochen, Waschen, Putzen und Hygiene. Sollte sich die Hälfte der Schweizer Bevölkerung so verhalten, dann verbrau- chen wir zirka 47 Millionen Liter Wasser mehr pro Tag, Trinkwasser. Das ist zwar nur zirka ein Zehntausendstel des Inhaltes des grössten Stausees der Schweiz (Lac de Dix), würde bei einer plötzlichen Entleerung aber doch gewisse lokale Auswirkungen haben. Denken wir uns die zusätzliche Wassermenge in Lastwagenladungen, so müssen wir uns weit über 1000 Vierzigtönner vor- stellen. Jeden Tag. Was für eine Stauwelle! Die Aare in Bern transportiert im August zirka 200m 3 Wasser pro Sekunde, bräuchte also zum Abtransport des zusätzli- chen Schweizer Händewaschwassers zirka 4 Minuten, jeden Tag. Das resultierte doch in einer gigantischen Welle, sollte das Wasser in unsere Keller fliessen. Die Aare würde davon aber nicht wesentlich nässer, nähme die Wassermenge doch nur um zirka 3% zu, sie bliebe weiterhin bebadbar. Wir wollen weder über die (relative) Grösse von Wellen streiten noch sie zählen, sondern sie kennen und be- nennen, damit wir mit ihnen umgehen können. Die Qualitätswelle Wir sahen sie kommen. Seit Jahren wird von Versiche- rern und Politik «Qualität in der Medizin» gefordert. Nur, was damit gemeint ist, bleibt weiterhin unklar. Den Ärzteverbänden ist es trotz einiger Bemühungen nicht gelungen, Qualität aus ihrer Sicht zu definieren und die geforderten Kontrollmechanismen zu installieren. Der Bundesrat hat das Zepter selbst in die Hand genom- men. Das Parlament hat im Sommer 2019 den seit fünf Jahren disktutierten neuen Qualitätsartikel im Kranken- versicherungsgesetz KVG beschlossen. Sobald die jetzt in der Vernehmlassung stehende entsprechende Ver- ordnung festgeschrieben ist, treten die Gesetze in Kraft, voraussichtlich per 01.01.2021. Art. 43 Abs. 4 KVG – genau der, welcher die betriebs- wirtschaftliche Bemessung der Tarife festlegt, welche nun durch die Normierung von Tardoc verhindert wird – wird ergänzt mit dem Zusatz, dass sich die Tarife und Preise an jenen Leistungserbringern orientieren, welche die «obligatorisch versicherte Leistung in der notwendi- gen Qualität effizient und günstig erbringen». Damit keine Zweifel aufkommen und niemand sagen wird, wir hätten von nichts gewusst, wurde Artikel 58 KVG «Qualitätsentwicklung» von 3 Ziffern mit 2 Un- terbuchstaben auf 8 Buchstaben mit 33 Ziffern und 17 Unterbuchstaben ergänzt, oder von einer Drittelseite auf 4 Seiten. Leistungserbringer und Versicherer werden verpflichtet, Qualitätsverträge abzuschliessen, Qualität zu messen, Qualitätsentwicklung zu fördern, über beides öffentlich Rechenschaft abzulegen, das Einhalten der Vorgaben zu überprüfen und bei Nichteinhalten Sanktionen zu ergreifen. Qualität wird ausdrücklich nicht nur am Re- sultat, sondern auch an der Effizienz und am Preis ge- messen. Können sich die Versicherer und Leistungser- bringer nicht einigen, entscheidet der Bundesrat. Die Einhaltung der Regeln zur Qualitätsentwicklung ist Vo- raussetzung, um zulasten der obligatorischen Kranken- pflegeversicherung abrechnen zu können. Der Bundesrat setzt eine Qualitätskommission ein, fi- nanziert von Bund, Kantonen und Versicherern. Die Qualitätsarbeit der Leistungserbringer wird nicht ent- schädigt. Für Fortbildung sind in den Tarifen (Tarmed und Tardoc) 80 Stunden pro Jahr eingerechnet. Zusätzliche Quali- tätsarbeit muss von uns gratis erbracht werden. Selbstverständlich hat sich mfe in den Vernehmlassun- gen zu den Änderungen im KVG und entsprechend in der Krankenversicherungsverordnung KVV eingebracht. mfe begrüsst Qualitätsstandards in der Medizin, äus- sert aber Vorbehalte. Die Grundversorger müssen zwin- gend in die Qualitätsentwicklung mit einbezogen wer- den. Umgekehrt müssen wir uns für unsere Anliegen stark machen. Die Besonderheiten der Pädiatrie hat mfe im Austausch mit Politik und Behörden immer wieder hervorgehoben. Qualitätsarbeit darf die Praxen weder zeitlich noch finanziell zusätzlich belasten. Motivation ist zielführender als Sanktionen. Die Normierungswelle Die Bedingungen des Bundesrats sind erfüllt: Leistungs- erbringer und Versicherer, die eine Mehrheit der Ver- sicherten vertreten, haben einen gemeinsamen Tarif Tardoc eingereicht und das vom Bundesrat geforder- te Kostenneutralitätskonzept vorgelegt. Dass Tardoc als DR. MED. ROLF TEMPERLI VORSTANDSMITGLIED MFE, EHRENMITGLIED KIS, LIEBEFELD Korrespondenzadresse: temperli-rossini@bluewin.ch

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