KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2020

31 02 / 2020 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ Aus alter Zeit Vergleichsweise sehr alt ist die Basis in der Literatur, auf welche sich heutige Publikationen und Vorgehenswei- sen berufen. In vielen Papers werden Ortolani- und Bar- low-Manöver als Goldstandard zur Diagnostik von Dys- plasie und Instabilität empfohlen. Daran ist schon unsere Pädiater-Vorgeneration genauso verzweifelt gescheitert wie die Ärzte der Mongolei bis vor einigen Jahren. Wir Autoren dieses Artikels bekennen uns zur diesbezüg- lichen Unfähigkeit und sind erstaunt, wie selbstsicher andere Protagonisten von ihren Fähigkeiten in der klini- schen Untersuchung berichten. Viele der eifrig immer wieder zitierten Daten stammen noch aus dem letzten Jahrhundert. Die damaligen tech- nischen Voraussetzungen sind mit den heutigen Stan- dards für die Bildgebung nicht mehr vergleichbar. Die Ultraschall-Methode nach Graf hat sich in der Zwi- schenzeit entwickelt, so sind zum Beispiel Kippfehler erst neueren Datums. Graf ist standardisiert, reproduzierbar, untersucherunabhängig und quantifiziert das Ausmass einer Dysplasie des Pfannendaches. Im angelsächsisch- französischen Sprachraum werden jedoch die Methoden von Harcke/Morin oder Terjesen favorisiert (eine Art «Or- tolani unter Sicht»), die feststellen, ob eine Hüfte stabil oder instabil ist – mit begrenztem Aussagewert und ver- gleichsweise hohen Inzidenzen. Die alte, kontroverse Diskussion, ob ein generelles Ultra- schall-Screening einem selektiven vorzuziehen sei – wohl wissend, dass selektiv weit über die Hälfte aller Kinder zu untersuchen wären, wenn man den relevanten Risi- kofaktor des weiblichen Geschlechtes berücksichtigt – ist «a never ending story». Mit einem selektiven Scree- ning werden allerdings über die Hälfte der Fälle von DDH (developmental dysplasia of the hip) verpasst. Das darf durchaus als nicht nutzbringend eingestuft werden. Auch die ökonomische Diskussion darüber, ob und wel- che Strategie finanzierbar und «gewinnbringend» sei, ist schon in die Jahre gekommen und einigermassen festgefahren. Ganz in diese Kapitel gehört auch die Dis- kussion bezüglich «under- oder over-treatment». Auch älteren Datums ist die abgehobene Debatte da- rüber, wem eigentlich die Kinderhüfte gehört… den Or- thopäden? Pädiatern? Ökonomen? Allenfalls dem Kind? Wer hier Neuland betreten will, stapft unweigerlich in fremde Gärten… Neualt ist die Erkenntnis, dass nicht nur die Diagnostik, sondern besonders auch das Management der DDH in- ternational, national, regional, ja sogar lokal verblüffend uneinheitlich sind. Dieser Umstand war zuletzt beim Jah- reskongress der Schweizer Kinderorthopäden deutlich spürbar. Eine einheitliche Strategie ist auch nach über 30 Jahren Graf nicht erkennbar, ja es gibt weltweit noch nicht einmal eine einigermassen fassbare Diagnose für die Hüftdysplasie, dieses häufigste «angeborene» und potenziell invalidisierende Leiden des menschlichen Bewegungsapparates. Die Frage nach Sicherheit und Zweckmässigkeit der unterschiedlichen Vorgehens- weisen ist aus pädiatrischer Sicht zwingend, denn das Kindswohl ist die einzige Priorität in dieser Debatte! Neu: Do it yourself, keep it simple and safe! Eine vereinheitlichende Vereinfachung des Systems tut not. Dieses umfasst die folgenden Punkte: 1. Eine plausible einheitliche Diagnose möglichst früh 2. Ein generelles zuverlässiges Screening aller Kinder 3. Ein einfaches, reproduzierbares Diagnoseschema 4. Eine einfache, sichere, von den Eltern problemlos durchführbare Behandlung 5. Ein Tool, das die Qualität der Diagnose und Behand- lung garantiert 6. Regelmässige Datenerhebung zur Inzidenz, zum Fol- low up und zur Langzeitprogose Ad 1: Die Formgebung und Ausreifung des knöchernen Pfannendaches definiert im Sinne eines Entwicklungs- mangels eine DDH, wie von Graf beschrieben. Die klini- sche Instabilität kann die Folge einer Dysplasie sein, ist aber nicht deren Entität. Der Umstand, dass ein frühes Erkennen mit kürzerer Behandlungsdauer und besseren Resultaten einhergeht, darf als unbestritten gelten. Ad 2: Prävention, die die Hälfte aller Probleme nicht er- kennt, ist nutzlos. Dies gilt sowohl für das alleinige klini- sche Screening wie ein selektives Ultraschall-Screening. Zum generellen Screening mit der Methode von Graf gibt es (derzeit) keine Alternative! Ad 3: Ein Screening soll letztlich nur eine Frage beant- worten: Liegt ein behandlungswürdiges Problem vor, ja oder nein? Eine Einteilung mit 11 Typen ist für die- DR. MED. RAOUL SCHMID FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, VORSTANDSMITGLIED SVUPP, BAAR Korrespondenzadresse: raoul.schmid@hin.ch DR. MED. THOMAS BAUMANN FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, VORSTANDSMITGLIED SVUPP, SOLOTHURN Korrespondenzadresse: tombaum@gawnet.ch Hüftsonografie Update 2020 Altes und Neues

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