KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2020

23 02 / 2020 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ Harte Durchfälle Wiederholte Bauchschmerzphasen verbunden mit Durch- fällen waren Konsultationsgrund bei diesem 10-Jährigen. Eine eindrückliche tumorartige Resistenz von Symphyse bis Bauchnabel und die anamnestische Schilderung der Symptomatik liessen die Verdachtsdiagnose von Obstipa- tion annehmen. Die Logik von Durchfällen bei Verstop- fung erschloss sich den Eltern trotz geduldiger Erklärung nicht und die gutgemeinte Idee, ihnen den abdominalen Tastbefund zu demonstrieren, war kontraproduktiv. Ver- ängstigt forderten sie eine Abklärung «beim Spezialisten». Die Bemerkung, dass wir Grundversorger, täglich mit die- sem Problemkreis konfrontiert, selber ausreichend qualifi- ziert seien, habe ich mir verkniffen und stattdessen die so- nografische Verifizierung angeboten. Unter abführenden Massnahmen verschwanden schliesslich alle Beschwerden. Kommentar: Der sorgsame Einsatz von Technik stützt manchmal unsere ärztliche Autorität, die Sonografie kann das für uns Offensichtliche den besorgten Eltern sicht- und damit fassbar machen. Zum Schluss: Nichts! Nichts, normal, harmlos. So lauten die häufigsten Beurtei- lungen in der pädiatrischen Praxistätigkeit. Nirgends sollte unsere Kompetenz so hoch sein und doch tun wir uns mit keiner anderen Diagnose so schwer. Nur der sichere Aus- schluss von Pathologie erlaubt sie. Selbstsicherheit und Er- fahrung sind gefragt, beides wird in der Ausbildung den Kinderärzten zunehmend weniger gelehrt. Glaubt man den Schilderungen von Abteilungsleitern an den Kinder- kliniken, so drücken wir Praxispädiater uns zunehmend vor der Verantwortung. Ihre Spezialsprechstunden sind über- voll mit «nichts» – die Zuweiser wollen sich rückversichern, fühlen sich von kritischen Eltern dazu gedrängt. Die Sonografie ist ausgezeichnet geeignet, das Normale zu sehen und «nichts» darzustellen. Sie kann das Gespräch öff- nen, Ängste und Sorgen erkennbar machen und damit zer- streuen. Das 8-jährige Mädchen leide unter täglichen Bauch- schmerzen, eigentlich «immer». Auslassdiäten, diverse komplementärmedizinische Massnahmen, Stuhlregulation, Magnesium, Hypnose und das Beschwerde-Wegdiskutieren waren erfolglos. Blut-, Stuhl- und Urinkontrollen konnten keine Ursache erschliessen. Das Schmerzprotokoll war cha- otisch und leider nicht therapeutisch (wie sonst so oft…). Erst der Abdomen-Ultraschall offenbarte wunderbar zart- wandige Darmschlingen mit perfekter Peristaltik, eine ausserordentlich schön homogene Leber, das makellose Pankreas, eine entzündungsfreie Milz und ästhetisch ge- zeichnete Nieren (Anmerkung für eilige Leser: wir müssen das Unauffällige hervorstreichen, Normales erwähnen!). Und beim ungezwungenen Plaudern mit Mutter und Toch- ter während der Untersuchung kommt ein schulisch-sozia- les Spannungsfeld zur Sprache – und eine schwere Erkran- kung des geliebten Grossvaters. ■ Bilder: In seiner Struktur deutlich aufgelockerter, in der Echostruktur «verwaschener» 4 cm grosser LK mit Perfusionsring um einen vermuteten kleinen Einschmelzungsherd (im Verlauf nicht so weit bestätigt, dass eine chirurgische Intervention nötig geworden wäre); angrenzend M. sternocleidomastoideus und ein unauffälliger LK zum Vergleich. Bild: Die Darstellung eines auf ca. 5 cm dilatierten, stuhlge- füllten Rectums hinter einer leeren Harnblase im Unterbauch- Querschnitt erlaubt die Diagnose einer Stuhlretention.

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