KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2020
11 02 / 2020 VERNETZUNG K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ Was ist das Fragile-X Syndrom? Das Fragile-X Syndrom (kurz FraX) wird durch einen Gendefekt auf dem X-Chromosom hervorgerufen und stellt die häufigste Form erblicher Lern- und geistiger Be- hinderung dar. Trotzdem ist es im Allgemeinen weitest- gehend unbekannt und wird häufig nicht diagnostiziert. Das Spektrum ist weitläufig, Jungen/Männer sind meist stärker betroffen als Mädchen/Frauen. Neben der mentalen Beeinträchtigung gibt es eine Rei- he körperlicher Besonderheiten, die beim FraX auftre- ten können. Typische Merkmale des Fragilen-X Syndroms ■ Verzögerte psychomotorische (Sitzen, Laufen, Sauberkeit) und intellektuelle Entwicklung (von leicht bis schwer) ■ Gestörte Aufmerksamkeit und Hyperaktivität (ADHS) ■ Verzögerte Sprachentwicklung, verwaschene Aus- sprache, Wiederholen von Worten oder Sätzen ■ Autistisches Verhalten, Ängstlichkeit ■ Schwierigkeiten im Sozialverhalten, Vermeiden von Blickkontakt oder Berührungen (empfindlich bei Lärm, bestimmten Materialien oder Lebensmitteln) ■ Verminderte Kontrolle über die Gefühle mit über- triebenen Reaktionen oder stereotypen Bewegun- gen (Handwedeln oder Handbeissen) Körperliche Symptome, bei der Geburt noch kaum sichtbar, verstärken sich bis zur Pubertät. Kurz nach der Geburt können Schwierigkeiten beim Schlucken beobachtet werden, in den ersten Lebensjahren häu- fig Ohrenentzündungen und gastroösophagealer Re- flux. Mädchen zeigen oft ein «unsichtbares Handicap» wie soziale Schüchternheit, Ängstlichkeit, Schulschwä- che vor allem in den mathematischen Fächern, Proble- me bei der Verständigung und Abstraktion. Diverse körperliche Merkmale werden beobachtet: ■ Längliche Gesichtsform, grosse Ohren ■ Überstreckbarkeit der Finger, Handgelenke und Ellenbogen (Hypermobilität) ■ Muskelschlaffheit (Hypotonus) ■ Senkfuss (Plattfuss) ■ Vergrösserte Hoden (Makroorchidie) ■ Neigung zu Krampfanfällen (Epilepsie) ■ Augenzittern (Nystagmus), Schielen (Strabismus) ■ Herzgeräusche Förderung und Behandlung Kinder mit dem Fragilen-X Syndrom können mit ver- schiedenen therapeutischen Massnahmen (Physio- therapie, Psychomotorik, Logopädie, Ergotherapie) und spezifischem sozialpädagogischem Unterricht (Sonder- schule) gefördert werden. Medikation – nach Konsultation eines Facharztes, der das Syndrom kennt – gegen die Auswirkungen der Hy- peraktivität, Ängstlichkeit und Epilepsie ist möglich. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unse- ren Verein oder einen Arzt Ihres Vertrauens. Vererbung und Früherkennung Das Fragile-X Syndrom wird durch eine Genverände- rung am X-Chromosom hervorgerufen. Die genetische Mutation verursacht eine mehr als 200-fache Wieder- holung der CGG-Tripletts auf dem FMR1 Gen (norma- lerweise hat man weniger als 45 Wiederholungen). ■ Männer wie Frauen können Träger der Prämutation auf dem FMR1 Gen sein und diese an ihre Nach- kommen vererben ■ Männer mit einer Prämutation vererben diese an ihre Töchter, aber nicht an ihre Söhne ■ Frauen mit der Prämutation vererben diese mit ei- ner Wahrscheinlichkeit von 50% an ihre Kinder bei- der Geschlechter ■ Nur die Prämutation einer Frau kann bei ihren Kin- dern zu einer Vollmutation führen = Ursache des Fragilen-X Syndroms. Ein Arzt kann die molekulare Analyse der DNA des FMR1 Gens zur Früherkennung des Fragilen-X Syn- droms bei einem genetischen Institut in Auftrag ge- ben. Anlass dazu sind Verdacht auf intellektuelle De- fizite, verzögerte Sprachentwicklung, ADHS, Autismus oder Lernstörungen. Wird die Mutation bestätigt, sollten alle Familienmit- glieder über das Ergebnis informiert werden und einen möglichen DNA-Test in Betracht ziehen. Für weitere Informationen besuchen Sie unsere Webseite oder kontaktieren Sie uns: FRAXAS – Verein Fragiles-X Schweiz – CH-3000 Bern contact@fraxas.ch ■ Der Verein Fraxas vereinigt Eltern und Personen, die vom Fragilen-X Syndrom betroffen sind, fördert den Austausch, die Erlangung und Verbreitung von Kenntnissen über das Fragile X und steht den Betroffenen beratend zur Seite. Fraxas – Verein Fragiles-X Syndrom in der Schweiz © Niels Ackermann / Lundi13
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