KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2020

01 / 2020 LESERBR I EF K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 45 Einige von uns werden im Verlauf des letzten Jahres unangenehme Post von tarifsuisse erhalten haben. Anfangs sehr freundlich: «Sie haben in den letzten Jahren die Position 09.01.04 Audiogramm abgerechnet. Bitte senden Sie uns Ihren Fortbildungsnachweis ORL und das Zertifikat für die Camera silens zu.» Was anfangs ganz unverfänglich klang – wer von uns Pädiatern bildet sich denn 25 Stunden im Jahr auf ORL-Fortbildungen weiter und wer verfügt in seiner Praxis über eine zertifizierte Camera silens? – endete dann meistens in einem weniger freundlichen Rückforderungsschreiben über mehrere Zehntausend Franken. Mit Einführung des Tarmed ging die zuvor pädiatrische Position «Audiogramm» vergessen resp. wurde sie wohl von den ORL-Kollegen als alleinige Leistungserbringer beansprucht. Die meisten von uns, die bereits zuvor eine Praxis betrieben haben, sind dann im Sinne der zugesicherten Besitzstandswahrung auf die Position 09.01.04 ausgewichen und haben diese während 16 Jahren anstandslos abgerechnet. Bis eben tarifsuisse zu einem Rundumschlag gegen viele Pädiater/innen ausholte… Ich erhielt im Mai den ersten freundlichen Brief und es folgte ein reger Briefwechsel mit immer wieder neuen Fristen seitens tarifsuisse. Da die Anerkennung resp. die Aufrechterhaltung der Besitzstandswahrung seit 2010 geplant, aber nie rechtlich umgesetzt wurde, ist mir tarifsuisse «kulanterweise» entgegengekommen und hat auf den Fortbildungsnachweis für 25 Stunden ORL verzichtet, aber auf die Zertifizierung der Hörkabine durch METAS bestanden! Da half kein Argumentieren, dass dies im Tarmedkatalog nicht ersichtlich resp. nicht gefordert ist (eine Internet-Recherche «Zertifizierung Camera silens» führte auch zu keinem Ergebnis), da musste erst der Hinweis auf die «Hörkabinenverordnung» kommen (was es alles gibt in der Schweiz…!). Diverse Abklärungen mit dem Spezialisten des Trustcenters und Juristen ergaben anfangs positive Aussichten, im juristischen Streitfall gut dazustehen. Diese wurden jedoch durch das klare Statement der FMH zunichte gemacht, da unsere Standesorganisation uns Pädiater im Regen stehen liess und tarifsuisse in ihrem Vorgehen Recht gab. Der abschliessende Vorschlag war, mit tarifsuisse einen Deal zu machen und die Summe runterzuhandeln… Ich habe mit dem sehr netten Mitarbeiter von METAS (Eidgenössisches Institut für Metrologie) Kontakt aufgenommen und mir erklären lassen, wie das Vorgehen für eine Zertifizierung aussieht. Das Audiometer, mit dem die Hörtests gemacht werden, muss den neuesten Anforderungen entsprechen und kalibriert sein (wird meist von der Vertriebsfirma des Geräts gemacht, in unserem Fall von Diatec). Dann würde ein Mitarbeiter in die Praxis kommen, das Audiometer prüfen und zertifizieren sowie «Stille-Messungen» in der Camera silens durchführen und bei Nichtüberschreiten einer bestimmten Lärmschwelle auch diese zertifizieren. Einen kleinen Raum hatten wir in unserer Praxis extra für Hör- und Sehtests abgetrennt, nur war dieser akustisch nicht optimal abgeschirmt. In einer WochenendAktion haben wir das Fenster sowie Heizung und Kabelkanal, die die grössten Schallbrücken waren, mit Steinwolle, Spezialdichtungsband und Holzplatten verschalt und das ganze inklusive der Tür mit Schallabsorberplatten (zu beziehen bei thomannmusic.ch EQ Acoustics Classic Wedge Tile, gibt es in Grau und Blau) verkleidet. Die Tür muss einen Planeten (automatische Türabsenkdichtungsstange) haben, der die Tür beim Schliessen nach unten abdichtet. Je nach Bauweise muss man eventuell auch die Wände mit diesen Platten verkleiden, um Geräusche aus den Nebenräumen zu absorbieren. METAS ist an einem ruhigen Tag, an dem nur ein Arzt mit Jugendlichen gearbeitet hat, vorbeigekommen, hat die Messung durchgeführt und einen Kleber an der Tür angebracht: alles i.O.! Das Zertifikat haben wir eingeschickt und die sehr kurze Antwort von tarifsuisse erhalten: «Die Angelegenheit ist damit für uns erledigt.» Gesamtkosten inklusive Service Camera silens – do it yourself! DR. MED. CHRISTIAN KNOLL FACHARZT FÜR KINDERUND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATER IN BIEL Korrespondenzadresse: chknoll@hin.ch

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx