01 / 2020 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 33 Versuche mit repetitiven Verdünnungsschritten von 1 zu 100, bei denen er die verdünnte Lösung mit jedem Schritt kräftig schüttelte. Das war ein damals übliches Vorgehen, bevor man ein Medikament verabreichte. Erstaunlicherweise blieb mit diesem Verfahren, das er Potenzierung nannte, die Wirkung auch bei Verdünnungen über die Avogadro’sche Zahl hinaus erhalten, und die Nebenwirkungen verschwanden [1]. In der Folge machte er gemeinsam mit anderen Ärzten Arzneimittelprüfungen, die zu Enzyklopädien führten, die alle Symptome eines Mittels enthalten [2,3].Kleine Mittel umfassen nur wenige, mittelgrosse einige Hundert und sehr grosse Mittel bis zu 2000 und mehr Symptome. Mit der Hilfe vonRepertorien , welche jedem Symptom zugeordnete Arzneimittel auflisten, konnten nun die wesentlichen Patientensymptome dem Mittel zugeordnet werden, das sie am besten abdeckte [4]. Hahnemanns ausgedehnte klinische Versuche, die Erfahrung von Tausenden von Ärzten weltweit sowie in jüngerer Zeit auch eine grosse Zahl an Studien zeigen, dass man auf diese Weise mit homöopathisch potenzierten Arzneimitteln viele Krankheiten einfach und sanft heilen kann (§ 2, Organon der Heilkunst [ 1 ] ). Auf die wissenschaftliche Datenlage werden wir in der Diskussion kurz eingehen. Beispiel rezidivierende Otitis media Anhand eines Kindes, das unter gehäuften eitrigen Otitiden litt, soll das Vorgehen des homöopathischen Arztes veranschaulicht werden: Die 2¼-jährige Laura wurde uns von ihrer Kinderärztin zugewiesen, weil sie in den vergangenen sechs Monaten vierzehn akute Mittelohrentzündungen durchgemacht hatte. Trotz Adenotomie und Parazentese vor zwei Monaten sind weitere eitrige Otitiden aufgetreten, weshalb die Eltern eine homöopathische Behandlung wünschen. Laura ist ein blasses, blondes, leicht adipöses Kind mit vergrösserten, entzündeten Tonsillen und einem wässrigen Schnupfen. Beide Trommelfelle sind gerötet und narbig eingezogen. Der übrige HNO- und HerzLungenbefund ist unauffällig. Damit wir nun ein passendes homöopathisches Arzneimittel bestimmen können, müssen die Modalitäten des Kindes bei Krankheit bekannt sein. Modalitäten sind natürliche Umstände, Aktivitäten, Körperpositionen oder äussere Einwirkungen, die die Krankheitssymptome positiv oder negativ beeinflussen, z. B. Wärme, Kälte, frische Luft, Bewegung, körperliche Anstrengung, Essen, Trinken, Liegen, Sitzen, Stehen, Berührung, Druck etc. Die Eltern erhalten zur Erfassung eine Checkliste, auf der sie markieren können, was sich beim kranken Kind gegenüber dem gesunden vorherigen Zustand verändert hat. Die Modalitäten sind die wichtigsten und auch zuverlässigsten Merkmale, die zum richtigen Arzneimittel führen [5]. Lauras Eltern übermitteln uns Folgendes: ■ Eitrige Mittelohrentzündung ■ Druck verschlimmert (Druckempfindlichkeit des Ohres) ■ Schlucken verschlimmert (Halsschmerzen) ■ Essen verschlimmert (ist schmerzhaft) ■ Bewegung verschlimmert (ist schmerzhaft) ■ Beim Einschlafen verschlimmern sich die Ohrenschmerzen ■ Während Schlaf verschlimmern sich die Ohrenschmerzen ebenfalls ■ Wärme verschlimmert (Laura will eine kühle Umgebung bei Krankheit) ■ Entblössung bessert (deckt sich ab, wenn krank) ■ Traurigkeit, Weinerlichkeit Mit diesen Symptomen führen wir mithilfe einer geeigneten Software die Repertorisation durch [6]. Sie ergibt das folgende Resultat: Laura B. Rezidivierende, eitrige Otitis media Lyc. Calc. Nit-ac. Sulph. Sep. Phos. Puls. Merc. Rhus. Bry. Treffer 10 10 10 10 10 10 10 10 10 9 Summe 31 26 20 23 22 25 28 24 20 24 Polaritätsdifferenz 20 20 14 13 13 12 11 8 1 18 28 Ausfluss eitrig aus den Ohren 3 3 2 2 1 1 3 3 2 93 < Druck, äusserer [agg.] P 4 3 3 1 3 2 1 2 1 1 93 < Schlucken [agg.] P 2 2 3 4 3 3 3 3 3 4 91 < Essen, beim [agg.] P 3 3 4 1 3 3 3 2 1 2 126 < Bewegung [agg.] P 1 2 2 2 1 3 1 3 1 4 99 < Einschlafen, beim [agg.] P 5 5 1 3 4 4 4 5 5 5 113 < Schlaf, während [agg.] P 4 2 2 4 3 5 4 3 2 4 73 < Wärme allg. [agg.] P 2 1 1 2 1 1 4 1 1 1 37 > Entblössung [amel.] P 4 3 1 2 1 2 2 1 1 1 61 Traurigkeit, Niedergeschlagenheit P 3 2 1 2 2 1 3 1 3 2
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