KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2020

FORTB I LDUNG 01 / 2020 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 28 Akupressur: Massage spezieller Akupunkturpunkte. Hier bewährt sich die Instruktion der Eltern zur Durchführung der Akupressur zu Hause. Dies fördert auch die sehr wichtige und heilsame Interaktion zwischen Kind und Eltern. Einblick in den pädiatrischen Praxisalltag mit TCM In der Praxis, in welcher ich, Susanna Kemper, als Kinderärztin mitarbeite, sehe ich zu ca. 80% Kinder ab Säuglingsalter mit den Diagnosen «rezidivierende obstruktive Bronchitis», «Kleinkindliches Asthma bronchiale», «Hyperreagibles Bronchialsystem» und «Chronischer Husten» egal welcher Ursache. Die restlichen 20% fallen in die Kategorien «ist wirklich zu oft krank» (hier u.a. auch Kinder mit Down-Syndrom, chronischer Verschleimung etc.), «Atopische Dermatitis», «Gedeihstörung ohne klare Ursache» «Regulationsstörungen» und diverse andere Subkategorien. In der Erstkonsultation, welche zwischen 30–45 Minuten dauert, erheben wir eine möglichst gute Anamnese und machen bereits die erste Behandlung mit dem Laser. Mit der Zeit kennen wir die Patienten immer besser, verfeinern unsere Punktauswahl und nehmen zusätzlich Nadeln dazu. Folgesitzungen dauern üblicherweise ca. 20 Minuten, mit noch ein paar Minuten dazu für Untersuchung, Anamnese und Instruktion der Eltern. Wir binden meist die TCM-Beratung in unsere üblichen Konsultationen mit ein. Die Ernährung wird immer besprochen und nach 5-Elemente-Ernährung angepasst. Regelmässig ergänzen wir die Akupunkturtherapie mit westlichen Kräutern, welche nach TCM klassifiziert wurden und individuell rezeptiert werden – wir erfreuen uns dabei einer ausgesprochen guten Zusammenarbeit mit einer naturheilkundlich arbeitenden Apotheke in Zürich. Vor allem bei Atemwegsproblemen instruieren wir die Eltern in der sanften Schröpftherapie (modern, mit Handvakuumpumpe), angepasst für Babys und Kinder. In der Akutsituation ist diese für die Eltern fast unverzichtbar und wird ergänzt mit Kräutertropfen. Implementierung der TCM in den Spitalalltag Seit vielen Jahren wird am Stadtspital Triemli eine pädiatrisch-gastroenterologische Sprechstunde und eine Sprechstunde für Schreibabys angeboten. Eine besondere «Knacknuss» der Gastroenterologie sind die sog. funktionellen Bauchschmerzen (FID), für die häufig das klassische Therapiespektrum limitiert ist. Daher haben wir 2018 begonnen, eine interdisziplinäre Sprechstunde mit dem Schwerpunkt Akupunktur aufzubauen. Hier setzen wir die Akupunktur gezielt als therapeutische Option im ambulanten Setting bei chronisch funktionellen Abdominalbeschwerden (v.a. Bauchschmerzen und funktionelle Dyspepsie) ein. Die Akupunkturbehandlungen werden je nach Intensität der Beschwerden zunächst alle 1–2 Wochen durchgeführt. Bei den Babys wird vor allem die Shonishin-Therapie durchgeführt. Nach ca. 3 Sitzungen erfolgt die erste Zwischenevaluation und evtl. Anpassung des Therapieregimes und der Behandlungsintervalle (Auswahl der Akupunkturpunkte, Wechsel der Behandlungsmethode etc.). Je nach Erfolg der Behandlung wird das weitere Procedere gemeinsam mit dem Patienten und den Eltern besprochen. Zwischen allen behandelnden Ärzten findet ein regelmässiger Austausch statt. Dieser dient zur Evaluation der Behandlungsergebnisse sowie zur Klärung neu aufgetretener Fragestellungen, falls die Therapie nicht zum gewünschten Erfolg führt. TCM Diagnose und Therapie am Beispiel einer «Obstruktiven Bronchitis» erklärt Wie schon zu Beginn erklärt, handelt es sich bei der TCM um ein in sich geschlossenes Medizinsystem mit eigener Diagnosestellung unter Einbezug insbesondere der Konstitution des Kindes («ganzheitliche Betrachtung»). Die klassischen Symptome der Schulmedizin werden in unterschiedliche TCM Kategorien eingeteilt und auch entsprechend anders therapiert. Im Folgenden besprechen wir zwei Kinder mit einer klassischen rezidivierend obstruktiven Symptomatik. Beide Kinder haben immer wieder obstruktive Episoden, welche sich auch bei einfachen Infekten immer wieder verschlechtern. Beide Kinder sind schon mit unzähligen Episoden Betamimetika und auch intermittierend oder länger mit inhalativen Steroiden behandelt (gemäss den GINA Guidelines). Die Eltern waren mit dieser symptomatischen Therapie nicht mehr einverstanden und suchten nach einer ursächlichen Therapie, daher erfolgte die Zuweisung in die TCM Sprechstunde. In der Sprechstunde erweitern wir die Anamnese nach TCM und finden A) die 2-jährige Lisa, ein sehr kräftiges, temperamentvolles Kind mit eher trockener Haut, roten Backen, viel Energie und grossem Appetit und B) die 7-jährige Jasmin, ein zierliches, blasses, eher schwach wirkendes Mädchen mit multiplen Allergien, eher wenig und wählerischem Appetit. Nach konventionellem Ansatz würden beide Kinder gemäss GINA Guidelines eine langfristige Steroidtherapie bekommen, dazu eine entsprechende Allergiebehandlung. In der TCM aber betrachten wir Lisa als «Fülle»- Muster mit Nahrungsstagnation, Jasmin hingegen als «Leere»-Muster mit schwacher Verdauung. Beide Kinder würden in der Akupunkturbehandlung gemeinsame Punkte wie z.B. Ren 17 (Punkt der Mittellinie auf Höhe der Brustwarzen) und Lu 7 (Punkt am Handgelenk) bekommen, aber danach geht die Behandlung auseinander. Der 2-jährigen Lisa würden wir empfehlen, die Ernährung auf weniger und besser verdauliche Nahrungsmittel anzupassen, evtl. zusätzlich ableitende Kräuter wie Leptandra virginica und besondere Punkte zur System-

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