01 / 2020 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 25 Pflanzliches Arzneimittel anstelle von Antibiotika Bei einer bakteriellen Tonsillitis (Angina) ist das Mittel der Wahl eine Kombination aus Kapuzinerkressenkraut (Tropaeolummajus) und Meerrettichwurzel ( Armoracia rusticana , Markenname Angocin ® ). Dieses pflanzliche Arzneimittel kann Kindern ab 6 Jahren gegeben werden. Wichtig hierbei ist, dass dieses Präparat nach dem Essen (!) eingenommen wird, weil es sonst zu Übelkeit kommen kann. Die in der Kapuzinerkresse wie auch in der Meerrettichwurzel enthaltenen und antibakteriell wirkenden Senfölglykoside [4] werden auf leeren Magen schlecht vertragen. Bei einem frühzeitigen Therapiebeginn nehmen erfahrungsgemäss die Beschwerden innerhalb von 24 Stunden deutlich ab und eine Antibiotikagabe kann so meist vermieden werden. Trotz der breit diskutierten Problematik rund um die zunehmenden Antibiotikaresistenzen ist dies eine viel zu wenig beachtete Alternative. Ätherische Öle bei Schnupfen Bei Schnupfen braucht es Arzneipflanzen, die eine antivirale, antientzündliche und abschwellende Wirkung besitzen. Dies erreicht man mit ausgewählten und für Kinder erlaubten ätherischen Ölen oder den dazugehörigen Arzneipflanzen, die man via Inhalation, Raumvernebelung oder in Salben appliziert. Geeignete ätherische Öle für Kinder sind beispielsweise Eukalyptus- (Eucalyptus radiata) , Thymian- (Thymus vulgaris linaloliferum) , Myrten- (Myrtus communis CT myrtenylacetat) oder Cajeputöl (Melaleuca cajeputii) . Prinzipiell sind campher-, menthol- und cineolhaltige ätherische Öle für Säuglinge und Kleinkinder ungeeignet, da sie zu Krampfanfällen führen können (für eine Positivliste, s. [5]). Bewährt hat sich auch ein Kombinationspräparat, das Eisenkraut, Enzianwurzel, Gartensauerampferkraut, Holunderblüten und Schlüsselblumenblüten enthält. Diese schon lang bekannte und bewährte Arzneipflanzenkombination (Markenname Sinupret ® ) kann in Tropfenform ab 2 Jahren gegeben werden. Für grössere Kinder gibt es dieses Präparat auch als Dragées. Die sekretolytische, auswurffördernde und entzündungshemmende Wirksamkeit konnte in verschiedenen Studien belegt werden [6]. Efeu und Co. bei Husten Als letzte Stufe einer Erkältung kommt es zu einem initial trockenen Husten, der dann in einen verschleimten Husten übergeht. Für die Hustenreizlinderung sind generell Arzneipflanzen mit Schleimstoffen geeignet, wie beispielsweise Malve (Malva silvestris) oder Eibisch (Althaea officinalis) . Die hustendämpfende Wirkung dieser Arzneipflanzen beruht auf einem lokalen Effekt, weshalb eine Kombination von hustenreizlindernden und schleimlösenden Arzneipflanzen, wie Thymian, möglich ist. Als Arzneipflanze der Wahl bei Husten gilt der Efeu (Hedera helix) . Extrakte aus den Blättern des Efeus haben eine hustendämpfende, krampflösende, aber auch schleimlösende, auswurffördernde sowie eine antibakterielle und antivirale Wirkung [7]. Efeu-Sirupe oder -Tropfen können ab einem Alter von 2 Jahren verabreicht werden. Auch Zubereitungen aus einer Geranienwurzel (Pelargonium sidoides) , die eine antibakterielle, antivirale, immunmodulierende und sekretolytische Wirkung besitzen, können ab 2 Jahren in Tropfenform bei akuter Bronchitis verschrieben werden. Phytotherapie – eine sinnvolle Therapieoption Erkältungskrankheiten sind nicht das einzige pädiatrische Anwendungsgebiet von Arzneipflanzen. Die Phytotherapie bietet für das gesamte Indikationsspektrum therapeutische Optionen, sei es als alleinige Therapie oder als unterstützende Behandlung. Es lohnt sich daher, sich in der Phytotherapie weiter- und fortzubilden (s.a. Kasten 2). ■ QUELLENVERZEICHNIS: 1. HMPC-Assessment report on Echinacea purpurea, Moench., herb recens (2014); EMA/HMPC/557979/2013 (online verfügbar) 2. Schapowal A., Klein P., Johnston S.L. Advances in Therapy 2015;32(3):187–200 3. HMPC-Assessment report on Zinger officinale Roscoe, rhizoma (2012); EMA/HMPC/577856/2010 (online verfügbar) 4. Conrad A, Biehler D, Nobis T, Richter H, Engels I, Biehler K, Frank U. Drug Res (Stuttg). 2013 Feb;63(2):65–8. 5. www.smgp.ch/smgp/homeindex/ arzneimittelf/dokumente/Empfehlungsliste_Terpene.pdf (Zugriff, 31.1.2020) 6. Melzer J et al.: Systematic review and meta-analysis of the clinical data with BNO-101: a herbal formula in the treatment of sinusitis. Forsch Komplementmed 2006;13(2): 78–87 7. HMPC-Assessment report on Hedera helix L., folium (2017); EMA/ HMPC/325715/2017 (online verfügbar) Weiterbildung in Phytotherapie Die Schweizerische Medizinische Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP, www.smgp.ch) bietet eine Weiterbildung in Phytotherapie in der Deutsch- und Westschweiz an. Diese wird mit einem von der SIWF anerkanntem Zertifikat abgeschlossen, dem «Fähigkeitsausweis Phytotherapie (SMGP)». Das dreijährige Fähigkeitsprogramm besteht aus Tageskursen, Exkursionen und Tagungen. Der Grundkurs (= Kurs 1) sowie die Exkursionen und Tagungen finden jährlich statt, während die zehn Tageskurse im 3-Jahreszyklus angeboten werden. Weitere Informationen dazu unter: https://www. smgp.ch/smgp/homeindex/faehigkeitsprog.html Blüte der Kapuzinerkresse © Richard Bolli
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