FORTB I LDUNG 01 / 2020 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 24 Mit den Begriffen Naturheilkunde, Alternativmedizin, Naturmedizin oder Komplementärmedizin wurde bis anhin in der Medizin eine klare Differenzierung zur sog. Schulmedizin festgeschrieben. Der seit jüngster Zeit kursierende Begriff «integrative Medizin» zeigt dagegen das Bemühen auf, verschiedene Heilverfahren in die Behandlung von akuten und chronischen Erkrankungen einzubeziehen. Im Folgenden soll die Phytotherapie näher beleuchtet werden. Warum Phytotherapie in der Kinderarztpraxis? Pflanzen wurden neben vielen anderen Verwendungsarten schon immer zu Heilzwecken eingesetzt. Über die Jahrhunderte, wenn nicht sogar Jahrtausende hatte sich bis zum 19. Jh. ein breites Erfahrungswissen angesammelt und die Arzneipflanzen haben bis dahin in allen Kulturen die Basis der damaligen Medizin dargestellt. Seit Beginn der modernen Chemie und Pharmakologie im 19. Jh. hat sich die Phytotherapie zunehmend zu einer wissenschaftlich fundierten Therapierichtung entwickelt. So kann sie sich heute nicht nur auf ein breites traditionelles Erfahrungswissen berufen, sondern sie ist durch umfangreiche pharmakologische und klinische Untersuchungen auch eine naturwissenschaftlich gut belegte Methode. Arzneipflanzen stellen ein Vielstoffgemisch dar. Diese komplexen Substanzmischungen haben zur Folge, dass die einzelnen Arzneipflanzen ein breites Wirkungsspektrum aufweisen und Nebenwirkungen im Normalfall milder ausfallen als bei chemisch-synthetischen Arzneimitteln. Da Arzneipflanzen richtig angewendet eher mild wirken (Giftpflanzen sind hiervon ausgenommen) und durch die verschiedenen Angriffspunkte immenschlichen Organismus verschiedene Symptome gleichzeitig beeinflusst werden können, sind sie gerade in der Kinderheilkunde bestens einsetzbar. Es lohnt sich daher, Arzneipflanzen bzw. deren Zubereitungen in den pädiatrischen Praxisalltag zu integrieren. Dies wird am Beispiel der Erkältungskrankheiten bei Kindern nachfolgend dargestellt. Immunmodulation bei Erkältungen Zubereitungen aus dem Kraut und den Wurzeln des roten Sonnenhutes (Echinacea purpurea/E. angustifolia) haben sich zur Prävention und zur Therapie der ersten Anzeichen von Erkältungssymptomen bewährt. Sonnenhutextrakte wirken nachgewiesenermassen antiviral, immunmodulierend, antibakteriell und antiinflammatorisch [1]. Auch konnte der Schutz vor rezidivierenden Infekten und der Schutz vor Komplikationen wie Pneumonie, Bronchitis, Tonsillitis oder Otitis media nachgewiesen werden [2]. Sonnenhutpräparate sind ab einem Alter von 4 Jahren zugelassen, im Sinne desoff-label-usekönnen auch Kinder ab 2 Jahren mit angepasster Dosierung mit Sonnenhut behandelt werden. Den Rachen im Fokus behalten Erkältungserkrankungen beginnen in der Regel mit einer viral bedingten Pharyngitis oder Sinusitis. Gegen die Entzündungen im Rachen können Halssprays mit Extrakten aus Kamillenblüten (Matricaria chamomilla) , schwarzen Johannisbeeren (Ribes nigrum) und Salbeiblättern (Salvia officinalis) eingesetzt werden. Nicht zu vergessen die ganze Palette an Kräuterbonbons mit Arzneipflanzen, die ätherische Öle, wie z.B. Thymian (Thymus vulgaris) , enthalten. Diese Arzneipflanzen mit ätherischen Ölen eignen sich auch zum Gurgeln oder Inhalieren. Der Ingwerwurzelstock (Zingiber officinalis) , der vor allem wegen seiner antiemetischen Wirkung bekannt ist, hat darüber hinaus noch eine antimikrobielle, antioxidative, entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung [3]. Aufgrund des scharfen Geschmacks eignet sich ein Ingwertee eher für grössere Kinder (s. Kasten 1). Phytotherapie – eine unterschätzte Therapieoption Eine Auswahl an wirksamen Arzneipflanzen DR. SC. NAT. BEATRIX FALCH APOTHEKERIN, VIZEPRÄSIDENTIN SCHWEIZERISCHE MEDIZINISCHE GESELLSCHAFT FÜR PHYTOTHERAPIE SMGP, ZÜRICH DR. MED. LUCIEN SIMMEN FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATER IN BRUGG Korrespondenzadresse: bfalch@sunrise.ch Für Eltern sind komplementärmedizinische Therapien sinnvoller Bestandteil einer Behandlung ihres kranken Kindes. Diese Verfahren allein führen oft zu einem Heilungserfolg, können aber auch begleitend zu einer schulmedizinischen Behandlung weitergeführt werden. Für Pädiaterinnen und Pädiater ist es daher notwendig, sich mit diesem Fachgebiet auseinanderzusetzen und sich ein gutes Basiswissen anzueignen. Rezept: Ingwertee bei Rachenentzündungen ■ Ingwerwurzelstock dünn schälen und dann raffeln. ■ Ca. 1 Teel. geraffelten Ingwer mit einer Tasse kochendem Wasser übergiessen. ■ 5 – 10 Minuten ziehen lassen, dann abseihen, etwas Zitronensaft dazu und mit Honig nach Belieben süssen. ■ Je nach Alter des Kindes bis zu 3× täglich eine halbe bis eine Tasse trinken. Ingwerwurzelstock, © Beatrix Falch
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