VERBANDSZ I ELE 01 / 2020 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 10 Eine erfreuliche Zahl von interessierten KIS Mitgliedern und fünf Experten, welche seit Jahren in der pädiatrischen Forschung tätig sind, trafen sich am 30. Januar 2020 zur traditionellen Wintertagung in Zürich. Das diesjährige Thema war dieForschung in der Praxispädiatrie – eine äusserst wichtige und mehr denn je aktuelle Aufgabe, welche schon lange auf dem KIS Radar aufblinkt (spätestens seit Noldi Bächlers inspirierendem Appell anlässlich der Jubiläumstagung 2015). Die Zieleder Tagung waren, von Experten herauszufinden, welche Forschungsgefässeund -aktivitätenes in der Schweiz bereits gibt ; was es bei der praxispädiatrischen Forschung zu beachten gilt ; welcheWünsche und Vorstellungen Kinderärztinnen in der Praxis zum Thema haben ; was KIS dazu beitragen kann , sowie dasSkizzieren des weiteren Wegesdieses grossen und langfristigen Projektes. Damit die Praxispädiatrie auch in Zukunft ihren Platz in der Gesundheits- und Grundversorgung in diesem Land rechtfertigen kann, müssen wir unsere Arbeit mit Zahlen und Daten belegenkönnen. Darüber waren sich alle Teilnehmer der diesjährigen Wintertagung einig. In einem ersten Teilwurde in drei Expertenreferaten über verschiedene Projekte, sowie darüber, wie Forschung in der Praxispädiatrie am besten gelingt, informiert. FrauProf. Dr. med. Claudia KühniderUniversität Bern teilte ihre Erfahrungen und Ideen in der Versorgungsforschung mit uns. Daten von Kindern zu erhalten, ist aus zwei Gründen wichtig: einerseits, weil Expositionen in der Kindheit das ganze restliche Lebenbeeinflussen können, und andererseits, weil viele chronische Krankheiten in derKindheit beginnen . Eine tasmanische Langzeitstudie über die Lungenfunktion (durchgeführt mit über 8000 Probanden vom ersten bis zum sechsten Lebensjahrzehnt) hat zum Beispiel aufgezeigt, dass 40% der Fälle von chronisch obstruktiver Lungenerkrankung COPD bereits im Kindesalter durch Asthma, atopische Erkrankungen und untere Atemwegsinfekte prognostiziert werden könnten. Impfungen, Behandlungen und Expositionen wirken sich auf den weiteren Verlauf unseres Lebens aus; deshalb braucht esmehr standardisierte Langzeitstudien , welche die Gesundheit eines Menschen über dessen Lebenszeit untersuchen. KIS Wintertagung vom 30. Januar 2020: Forschung in der Praxispädiatrie: Wo stehen wir heute? DR. MED. MARC SIDLER PRÄSIDENT KINDERÄRZTE SCHWEIZ, BINNINGEN Korrespondenzadresse: marc.sidler@hin.ch DR. DANIEL F. BRANDL PHD GESCHÄFTSFÜHRER KINDERÄRZTE SCHWEIZ, ZÜRICH Korrespondenzadresse: daniel.brandl@ kinderaerzteschweiz.ch Wir dokumentieren in unseren Praxen jeden Tag massenweise Daten. Paradoxerweise werden Forschungsdaten häufig von Erwachsenen extrapoliert und es gibt viele Behandlungen, welche nicht evidenzbasiert sind. Daten in der Praxis, welche dann für Fragestellungen verwendet werden, können durchUmfragenan Ärzte, beobachtende Studien (vorhandener Daten und/oder mit zusätzlicher Datensammlung) und Interventionsstudien (randomisierte klinische Studien) erhoben werden. Frau Prof. Kühni träumt von einem «learning health system» in der Pädiatrie, in welchem die alltäglich durch uns produzierten Daten in der Praxis zur Forschung und zur ständigen Verbesserung der Versorgung genutzt werden können. Bei erfolgreichen Forschungsprojekten ist es nebst demwissenschaftlichen Support und klarenRegelnzur Zusammenarbeit wichtig, dass dievorhandenen Ressourcenoptimalgenütztwerden; dass das Vorgehen standardisiert ist; und dass eine kritische Masse anzentraler Expertiseund Ressourcenexistiert (IT, Administration, Kommunikation). DieHerren PD Dres. med. Michael von Rheinund Johannes Trücksowie Frau Dr. med. Michelle Seiler vom Universitäts-Kinderspital Zürichstellten in Form von realisierten Arbeiten den Status Quo der pädiatrischen Versorgungsforschung in ihrer Klinik sowie derer Perspektive vor. Wie ihre Vorrednerin wies dieses Team darauf hin, dass die in Praxis und Spital erfassten gesundheitsrelevanten Datenin der Pädiatrie kaum genutztwerden. Es gibt bisher keine, bzw. kaum koordinierte Studienan der Schnittstelle Praxis/Klinik , obwohl grosse gemeinsame inhaltliche Interessen bestehen und es auch Seitens des BAG ein Bedürfnis ist, die «Versorgungsforschung in der Schweiz» zu stärken. Die Vorteile und Möglichkeiteneiner Forschungskooperationzwischen Praktikern und Klinikern umfassen ■ breite und «real-life» Daten ■ das gemeinsame Entwickeln von Forschungsfragen und Design ■ auf praxisrelevante Fragestellungen anwendbare Ergebnisse ■ die Nutzung von, sowie das Fokussieren auf Übergänge und Schnittstellen ■ die Möglichkeit des Feedbacks bezüglich eigener Daten im Vergleich zu anderen Praxen oder dem Spital. Das Universitäts-Kinderspital Zürich bietet konkret an: ■ Entlastung der Praxen von Zusatzaufwand ■ Unterstützung bei Ethik und Finanzierungsanträgen ■ Entwicklung von Studiendesigns ■ indirekt den Zugang zu Infrastruktur, Study Nurses und Studierenden.
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