KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2019

K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 58 REDAKT IONELLE SE I TEN 04 / 2019 D ie meisten Eltern sind bemüht, die kognitiven Schwierigkeiten ihres Kindes im Alltag selbst an- zugehen. Sie wollen unterstützen, fördern, mithelfen. Komplizierte Therapiemanuale und aufwendige Gerät- schaften sind dabei mehr Hindernis als Hilfe. Die Eltern wünschen sich etwas Konkretes für den Hausgebrauch. Aber was? Weder sind sie Fachpersonen noch haben sie ein grosses Budget für kostspielige Neuanschaf- fungen.  Da kommt die Idee, kognitive Funktionen nieder- schwellig mit Gesellschaftsspielen zu fördern, wie ge- rufen. Viele im Spielwarenhandel erhältliche Gesell- schaftsspiele beanspruchen wichtige Hirnfunktionen, etwa die Aufmerksamkeit, das Arbeitsgedächtnis oder exekutive Funktionen. Ausserdem: Die Spiele kommen nicht als Therapieinstrumente daher und wirken da- rum nicht stigmatisierend. Eine Kontraindikation gibt es nicht. Gesellschaftsspiele eignen sich als schnell realisier- bares, kindgerechtes und kostengünstiges Fördermate- rial. Nicht nur die Reifung von kognitiven Funktionen wird angeregt, Spielen stärkt auch sozio-emotionale Kompetenzen und sorgt für eine vergnügliche Atmo- sphäre und eine interaktive Beziehungsgestaltung. Wirksamkeit erwiesen? Die Vielfalt an handelsüblichen Spielen, welche eine oder mehrere Hirnfunktionen stark fordern, rief eine Forschungsgruppe aus den USA auf den Plan. In der Studie von Mackey und Kollegen verbesserten sich Schulkinder im Alter von 7 bis 9 Jahren nach 8 Wochen intensiven Spielens signifikant in der jeweils geförder- ten kognitiven Funktion (Mackey et al. 2011). Ein Hin- weis also, dass Spiele nicht nur ein Unterhaltungsme- dium sind, sondern darüber hinaus einen spezifischen kognitiven Fördereffekt haben. Kostenlose Broschüre mit Spieltipps Aus diesem Grund stellt das Inselspital Bern seit fast 10 Jahren eine kostenlose Broschüre mit Spieltipps für Kinder sowie (neu) für Jugendliche und Erwachsene zur Verfügung (beide Listen finden Sie im E-Paper dieser Ausgabe; der Link zur Broschüre ist am Ende dieses Ar- tikels aufgeführt). Jährlich erfolgt ein Update. Allen auf- gelisteten Spielen ist gemeinsam, dass nicht der Zufall, sondern die Kompetenz in der jeweiligen kognitiven Funktion spielentscheidend ist, dass die Spiele im Fach- handel frei erhältlich und kostengünstig sind und ohne elektronische Geräte gespielt werden können. Weiterbildung für Fachpersonen Seit 2017 werden am Ostschweizer Kinderspital in St.Gallen ausserdem Kurse für Fachpersonen zum Thema «Förderung kognitiver Funktionen mit Gesellschaftsspie- len» angeboten. Die Kurse erfreuen sich grosser Beliebt- heit. Die Veranstaltungen 2020 sind ausgebucht, Inte­ ressierte könnte sich aber auf die Warteliste setzen lassen (info.kerzentrum@kispisg.ch ). In vier halbtägigen Veran- staltungen wird eine von vier zentralen kognitiven Funk- tionen zunächst theoretisch beleuchtet, danach werden in Kleingruppen Spiele für Kinder zwischen 5 und 14 Jah- ren ausprobiert. In Zentrum stehen die Impulskontrolle, das Arbeitsgedächtnis, die Verarbeitungsgeschwindigkeit und die Flexibilität. Nebst langjährigen Klassikern wie «Halli Galli» werden auch brandneue Spiele vorgestellt, beispielsweise «Ratto Zakko» oder «Avocado Smash». Die begeisterten Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestätigen den Stellenwert von Gesell- schaftsspielen als Fördermedium für die kognitive und sozio-emotionale Entwicklung. ■ LITERATUR: Mackey et al. (2011). Differential effects of reasoning and speed training in children. Developmental Science, 14, 582–90. Link zur Broschüre: http://www.kinderkliniken.insel.ch/de/kinderkliniken/kinderheilkunde/ neuropaediatrie/neuro-angebot0/spielliste/ Listen vom Inselspital Neuropädiatrie DR. PHIL. BARBARA RITTER, NEUROPSYCHOLOGIN, KER-ZENTRUM, OSTSCHWEIZER KINDER­ SPITAL, ST. GALLEN Korrespondenzadresse: Barbara.Ritter@kispisg.ch Ratto Zakko, Avocado Smash und Halli Galli – Weihnachtswünsche für Pädiater Konzentrationsprobleme, ein schwaches Gedächtnis, Mühe beim Planen – tagtäglich sind wir mit Kindern konfrontiert, welche aufgrund von kognitiven Auffälligkeiten die Erwartungen der Schule nicht erfüllen oder im Alltag an Grenzen stossen. Wir beraten die Eltern und binden das Kind bei einer geeigneten Fachstelle an. Aber wie können die Eltern zu Hause ergänzend selber mitwirken?

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