KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2019

K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 52 REDAKT IONELLE SE I TEN 04 / 2019 KIS: Herr Prof. Sennhauser, schon über ein Jahr ist es her, seit Sie Abschied vom Kispi Zürich genommen haben. Kann Felix Sennhauser denn ohne Kispi leben? Erstaunlicherweise ja – dank neuen Herausforderungen und attraktiven Freiräumen für ein kurzweiliges Privat- leben. Die gelegentliche Mitbetreuung von zwei Gross- kindern im Sinne der vertikalen transgenerationellen Familie ist ein besonderes Highlight. Sport und Kultur bedeuten zusätzliche Ergänzung zur Mitarbeit in ver- schiedenen Stiftungen und zum zeitintensiven Verwal- tungsratspräsidium der neun in vier Spitalverbunden or- ganisierten kantonalen Spitäler des Kantons St.Gallen. KIS: In über 20 Jahren haben Sie das Kispi und seinen Werdegang als grösstes Kinderspital in der Schweiz geprägt. Wie sah denn die Pädiatrie aus, als Sie die Leitung übernommen haben, und was hat sich in dieser Zeit verändert? Sehr vieles, dazu nur einige wenige Beispiele: Fachlich hat sich die Spezialisierung bis hin zur hochspezialisier- ten Medizin weiterentwickelt mit zusätzlichen Schwer- punktbildungen. Damit verbunden hat sich die Bedeu- tung einerseits der (sub)spezialisierten Weiterbildung und klinisch-akademischen Nachwuchsförderung und anderseits die Erhaltung und Sicherstellung einer inte­ gralen allgemein-pädiatrischen Versorgung akzentuiert. Die Feminisierung hat stark zugenommen, erfreulicher- weise mit zahlreichen Habilitationen und Kaderpositio- nen talentierter Frauen mit hervorragendem Leistungs- ausweis. Die legitimen Erwartungen von Familien an eine individuelle und ganzheitliche Betreuung müssen trotzdem oder erst recht erfüllt werden im empathischen patientenzentrierten Prozess und interdisziplinären und interprofessionellen Team. Zu erwähnen ist die Öko- nomisierung der Medizin mit schwieriger Finanzierung innovativer Betreuungs- und Behandlungsoptionen. KIS: Vor rund 20 Jahren haben sich die Praxis­ pädiater durch die Spitäler und Spitalpädiater nicht mehr vertreten gefühlt, was zur Gründung des Forums geführt hat. Wo sehen Sie heute die Bedeutung der Praxispädiatrie und weshalb? Das duale und komplementäre System mit Praxis- und Spitalpädiatrie muss als Garant einer familienzentrier- ten, prozess- und stufengerechten medizinischen Be- treuung von Kindern und Familien unbedingt erhalten bleiben. Netzwerkbildungen, interdisziplinäre Gruppen- praxen und interprofessionelle ambulante Versorgungs- zentren werden wichtiger, um besonders in der Lang- zeitbetreuung die persönliche Beziehungspflege und Konstanz in der ambulanten Betreuung sicherzustel- len. Ohne Praxispädiatrie ist die allgemeine Pädiatrie und deren Weiterbildung erst recht gefährdet. Die Pra- xispädiatrie ist und bleibt DER Eckpfeiler pädiatrischer Grundversorgung! KIS: Mit dem Projekt des Praxisassistenten hat das Kinderspital Zürich dank dem Engagement von Sepp Holtz und Ihnen ja eine grosse Pionierleistung erbracht. Wieso haben Sie dieses Projekt so sehr unterstützt? Sepp Holtz hat ein faszinierendes und innovatives Wei- terbildungsprogramm präsentiert mit überzeugendem Stufenkonzept sukzessiver Eigenverantwortung der Pra- xis-Assistierenden. Sepp Holtz kannte und schätzte ich zudem als ausgezeichneten didaktisch und pädago- gisch agierenden «Lehrmeister», der als begeisterndes Vorbild gleichermassen fordert und fördert. Seine Hal- tung und Einstellung als Arzt und Mediziner waren ide- ale Garanten für ein dem Erfolg verpflichtetes praxis- taugliches und -orientiertes Weiterbildungsprogramm. KIS: Trotzdem bleiben das Gefühl und die Erfahrung, dass AssistentInnen, welche keine Praxisassistenz gemacht haben, weiterhin im Spital zu wenig auf die Fragestellungen in der Praxis sensibilisiert werden. Was kann man hier ändern? Praxis-Assistenzen sollten einerseits integrale Verpflich- tung werden für den Erwerb des Facharzttitels Pädia- trie. Anderseits ist sicherzustellen, dass eine geregel- te Finanzierung die Attraktivität von Praxis-Assistenzen gleichermassen für Lehrmeister und Kandidaten/-innen sicherstellt mit genügend Freiräumen nötiger und kom- petenter Weiterbildung mit intensivem Coaching und kontinuierlichem Mentoring der Praxis-Assistierenden. KIS: Wo ist Felix Sennhauser denn heute und wie bringt er sich für die Zukunft der Pädiatrie ein? Meine Zeit am Kispi war in verschiedenen Aspekten in- spirierend und mit Tätigkeiten verbunden, die nun hof- fentlich nachhaltig ihre Wirkung entfalten und mein Interview mit Prof. Dr. Felix H. Sennhauser, dem früheren Ärztlichen Direktor/CEO Medizin am Kinderspital Zürich DR. MED. RAFFAEL GUGGENHEIM, VORSTANDSMITGLIED KINDERÄRZTE SCHWEIZ, LEITER REDAKTIONS­ KOMMISSION, ZÜRICH KORRESPONDENZADRESSE: dokter@bluewin.ch

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