KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2019

K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 47 04 / 2019 JAHRESTAGUNG 2019 Z u später Stunde, nach einem bereits sehr anspruchs- vollen Programm gab es noch den Nachschlag: gut zubereitet, reichhaltig, schmackhaft und viel Fleisch am Knochen!  Überraschend viele Teilnehmer/-innen fanden sich im Hörsaal ein, um nicht nur zu lauschen, sondern ganz nach KIS-Manier aktivst bei der Veranstaltung mitzu- machen, die von Daniela Brunner-Di Pietro und Philipp Agyeman, Infektiologe an der Kinderklinik Bern, bra- vourös geleitet wurde. Mit farbigen Kärtchen, die zu Be- ginn verteilt wurden, konnte jede/-r bei den vorgestell- ten Fällen aus Klinik und Praxis mit abstimmen, wenn es darum ging, wie Abklärungen, Untersuchungen und Therapien weiterzuführen sind. Oft war das Publikum dabei genauso auf dem Holzweg, wie es die Referen- ten in den vorgestellten Situationen waren… sehr erfri- schend und mutig von den beiden, ihre eigenen Umwe- ge und Fehleinschätzungen offen darzustellen.  Fieber in der Praxis – wahrscheinlich das Alarmsymp- tom, welches die heutigen Eltern immer beunruhigt und in den (meist notfallmässigen) Konsultationen und Telefo- naten der Zeitfresser ist. In den allermeisten Fällen ja Gott sei Dank banal, gilt es eben, die wenigen Fälle zu fischen, bei denen doch etwas Bedrohliches und umgehend zu Behandelndes dahintersteckt. Fieber ist bei der Beurtei- lung ja meistens nur die Beilage; wichtig sind Verlauf und Ausprägung der Beschwerden des Kindes: Kopf-, Bauch- oder sonst lokalisierte Schmerzen, Exanthem, Symptome von Respirationssystem und Gastrointestinaltrakt.  Immer wieder die Kniffelfrage: Wann und warum ma- chen wir welche Labor- oder bildgebenden Untersuchun- gen? Einfach mal drauf los, um uns oder die Eltern zu beruhigen, kann dann manchmal recht beunruhigend wir- ken und weitere (ungewollte…) Abklärungen nach sich ziehen. Oder uns in falscher Sicherheit wiegen lassen, was wahrscheinlich gefährlicher ist. Unser CRP und Leukozyten aus der Maschine sind oft nicht sonderlich hilfreich dabei.  Wichtig bei allen Untersuchungen ist die Vor-Test- Wahrscheinlichkeit: Wie sicher bin ich mir, dass auf- grund der klinischen Symptome die gesuchte Diagnose vorliegt? Bestätigt mir die Untersuchung meine Annah- me, ist alles klar, wenn aber nicht, kann selbst bei guter Sensitivität des Tests die gesuchte Erkrankung trotzdem vorliegen. Beispiel Strept-A-Schnelltest: Es liegen klare Scharlachsymptome vor; wenn der Schnelltest vom Rachenabstrich negativ ist, wird trotzdem mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Scharlacherkrankung vorlie- gen? Genau andersrum: Wenn keine typischen Symp- tome einer Strept-A-Angina vorliegen und der – zur «Si- cherheit» durchgeführte – Schnelltest positiv ist, wird wahrscheinlich keine antibiotika-pflichtige Erkrankung vorliegen. (Zu diesem Thema wollte sich Philipp Agye- man nicht auf die Äste rauslassen: Streptokokkeninfek- te antibiotisch behandeln oder nicht? Sicher ein gutes Thema für die nächste Jahrestagung!). Die Schnelltests für virale Erkrankungen (Adenovirus, RSV) helfen mehr der Ärztin (wird von der Kasse auch nicht gezahlt!) als dem Patienten, eventuell tragen sie dazu bei, eine un- nötige Antibiotikatherapie zu vermeiden.  Wann welche radiologische Untersuchung? Bei V. a. Osteomyelitis in der Frühphase lieber ein MRI, da Rönt- gen und CT noch keine Veränderungen zeigen. Bei un- erklärbaren Kopfschmerzen eher eine LP (Borreliose!) als ein MRI, aber bei starken Kopfschmerzen mit Fieber, die eine Sinusitis-Symptomatik imitieren, kann im MRI dann ein Epiduralabszess rauskommen…. REFERENT: DR. MED. PHILIPP AGYEMAN, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, FACHARZT FÜR INFEKTIO­ LOGIE FMH, OBERARZT KINDERINFEKTIOLOGIE INSELSPITAL BERN MODERATORIN: DR. MED. DANIELA BRUNNER-DI PIETRO, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATERIN IN MURI BEI BERN AUTOR: DR. MED. CHRISTIAN KNOLL, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATER IN BIEL KORRESPONDENZADRESSE: chknoll@hin.ch Supplément Fieber in der Praxis – so häufig trivial…und manchmal so tricky! Was ich vom Workshop mitgenommen habe: 1. Immer die Vor-Test-Wahrscheinlichkeit abwägen, bevor ich teste 2. Wenn die Klinik stimmt, sich nicht von «unpassendem» Labor vom Weg abbringen lassen, es aber dennoch als Anlass zum Nachdenken wahrnehmen 3. Bei V.a. Osteomyelitis in der Frühphase MRI machen 4. Bei persistierendem Fieber an (inkomplettes) Kawasaki-Syndrom denken 5. Das mit den Streptokokken müssen wir unbedingt noch klären… Nach diesem kurzweiligen Workshop konnten sich alle – endlich – auf den Apéro stürzen und die Jahrestagung genüsslich ausklingen lassen! ■

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