KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2019
K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 41 JAHRESTAGUNG 2019 F ernseher, Games, YouTube, Handy, Instagram,…Digi tale Medien gehören zum Alltag von Kindern und Jugendlichen. Doch wie gehen sie damit um, welche Medien nutzen sie wie, wann und warum? Wie sinn- voll sind Mediennutzungsregeln? Was ist «normal»? Welche Aufgabe haben Eltern und wo können sie von den Jugendlichen lernen? Einfache «Kochrezepte» gab es in diesem Work- shop wenige – aber die gibt es zu diesem Thema wohl auch sonst nirgends! Dafür viele Gedankenanstösse, Einblicke in die Denkweise von «Digital Natives» und Gamern, Fakten zum Medienkonsum und interessan- te Diskussionen zu Vor- und Nachteilen all der «Ver- suchungen» der digitalen Welt. Hier ein paar Fakten, die zwei wichtigen Studien auf dem Gebiet des Mediennutzungsverhaltens von Kindern und Jugendlichen entnommen sind: REFERENT: GIORGIO MACALUSO, MEDIENPÄDAGOGE, INFORMATIKER UND VATER, KURSLEITER FÜR SWISSCOM IM BEREICH MEDIEN, BERN MODERATORINNEN: MED. PRACT. CORDULA ZWINGGI, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATERIN IN LUZERN CLAUDIA SCHEIDEGGER, MPA IN RAPPERSWIL-JONA AUTORIN: DR. MED. NADIA SAUTER OES, MITGLIED REDAKTIONS- KOMMISSION, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGEND- MEDIZIN FMH, PRAXIS- PÄDIATERIN IN WINTERTHUR KORRESPONDENZADRESSE: nadia.sauter@oes.ch Workshop 12 – für Ärztinnen und Ärzte und MPAs: Medienkompetenz Chancen und Risiken der digitalen Medien Die MIKE-Studie (Medien, Interaktion, Kinder und Eltern) zeigt unter anderen, was heute bei 6–13-Jährigen «normal» ist: 34% besitzen ein Tablet 13% der Mittelstufenschüler/-innen haben sich schon online belästigt gefühlt 48% besitzen ein Smartphone 35% nutzen das Smartphone mindestens 1× /Woche zur Schlafenszeit 34% gamen täglich oder fast täglich Die JAMES-Studie (Jugend, Aktivität, Medien – Erhebung Schweiz) schaut das Gleiche bei 12–19 Jährigen an: 73% besitzen einen eigenen Computer 51% gamen täglich oder mehrmals/Woche alleine 87% nutzen Instagram oder Snapchat 99% besitzen ein Smartphone 12% sagen, dass sie schon einmal erotische oder aufreizende Bilder/Videos von sich selbst übers Internet verschickt haben. ■ Bildschirmzeitlimite: 10 Min./Lebensjahr/Tag oder 1Std./Lebensjahr/Woche ■ 3-6-9-12-Faustregel: kein Fernsehen unter 3 Jahren, keine eigene Spielkonsole vor 6, Internet nach 9 und Soziale Netzwerke nach 12 Jahren (Referenz: «Medienkompetenz: Tipps zum sicheren Umgang mit digitalen Medien», Hrsg. Jugend und Medien und Zürcher Hochschule für Ange- wandte Wissenschaften ZHAW, 2016). ziemlich nackten Hintern hat (auf einschlägigen Ka- nälen auch zu normalen Sendezeiten). Er zeigte aber auch auf, dass die oft sorgenbesetzten Ansichten der «analogen» Älteren nicht immer die besseren sind. Denn die Digitalisierung, der Einfluss der verschiede- nen Medien in unserem Alltag, nimmt auf allen Ebe- nen enorm zu. Sich da gut auszukennen und keine Berührungsängste zu haben, ist ein Vorteil, den die Jüngeren klar auf ihrer Seite haben. Wie und ob sie diesen Vorteil nutzen können, hängt wesentlich da- von ab, ob sie einen verantwortungsvollen Umgang mit den verschiedenen Medien erlernen konnten. Und genau hier ist die Elterngeneration gefragt. Eltern sind als Vorbilder und Filter wichtig. Sie sollen die Kinder und Jugendlichen in der digitalen Welt begleiten und Stellung beziehen: Was finden sie sinnvoll, wo haben sie Zweifel, wie machen sie es selber. Die junge Gene- ration erhält so die Chance, ein «inneres Parlament» aufzubauen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Inwieweit wir uns als Kinderärzte in diese Meinungs- bildung und damit unweigerlich auch in gewisse Fa- milienwerte einbringen möchten, muss jeder für sich entscheiden. Meiner Ansicht nach gehört zum Bei- spiel Beratung betreffend sinnvoller Bildschirmzeit als präventive Massnahme in einer Vorsorgeuntersu- chung dazu. Ein paar einfache Faustregeln sollen hier genannt werden: Der Medienpädagoge und Informatiker Giorgio Ma- caluso zeichnete zu diesen Zahlen und anhand der Er- fahrungen aus seiner täglichen Arbeit alltagsnah und sehr humorvoll die unterschiedlichsten Situationen auf. Situationen, in denen die Ansichten der verschie- denen Generationen oder Elterntypen und der Kinder/ Jugendlichen in der Luft (oder besser der Cloud) zu- sammenprallen und Verständnis oder wenigstens ein Kompromiss oft schwierig zu finden ist. Situationen, in denen Schule und Elternhaus überfordert sind mit übermässigem oder schädlichem Medienverhalten von Jugendlichen und wo professionelle Hilfe ange- zeigt ist. Situationen, in denen das scheinbar harmlo- se Fernsehen ein äussert hässliches Gesicht und einen Wer weitere Informationen zum Thema Jugend und Medien sucht, dem seien oben erwähnte Studien und der folgende Ratgeber empfohlen: «Medien- kompetenz: Tipps zum sicheren Umgang mit digita- len Medien», Hrsg. Jugend und Medien und Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. Download der Broschüren unter www.jugendund- medien.ch oder https://www.zhaw.ch/de/psycholo- gie/forschung/medienpsychologie/medienpaedago- gik-kompetenz/ratgeber-medienkompetenz/ Der Workshop hätte liebend gerne einen ganzen Tag dauern dürfen! Vielen herzlichen Dank an Giorgio Macaluso und Cordula Zwinggi für diesen kurzwei- ligen und sehr humorvollen Einblick in die Welt der Medienkompetenz. ■
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