KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2019
K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 38 JAHRESTAGUNG 2019 04 / 2019 I n diesem Workshop sollte es in erster Linie nicht um die Besprechung der aktuellen Therapierichtlinien ge- hen, sondern darum, wann wir bei wem in welchem Fall woran denken sollten. Wie ich finde, ist es den Re- ferenten gut gelungen, dies an zwei Fallbeispielen aus der Praxis zu veranschaulichen. Ein paar Fakten im Voraus: ■ In der Schweiz haben im Alter von 15 Jahren ca. 18% der männlichen und 14% der weiblichen Ju- gendlichen bereits Geschlechtsverkehr und erfreuli- cherweise benutzen 80% von ihnen Kondome. ■ Gonorrhoe, Chlamydien und Syphilis sind viel häufi- ger als HIV und Hepatitis, auch bei Sexarbeiterinnen. Die Erreger sind schleimhautgebunden und ein Kon- dom schützt nicht zwingend vor einer Ansteckung. ■ Gonorrhoe verläuft sehr häufig asymptomatisch. Aber die Prävalenz nimmt deutlich zu, vor allem bei den weiblichen Jugendlichen. Bei Jugendlichen mit Epididymitis sollte man daran denken und eine PCR aus dem ersten Urinstrahl bzw. einen Urethralabstrich anfertigen. Die Kultur bleibt weiterhin wichtig. ■ Die Prävalenz der Syphilis nimmt auch bei uns zu, vor allem bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM). Daran denken soll man auch bei unbegleite- ten jugendlichen Flüchtlingen. ■ Die Sensitivität der verschiedenen Tests ist häufig erst hoch nach 3 Monaten. ■ Die Übertragung von Hepatitis C erfolgt vor allem über Blut. Ich denke, die meisten von uns wissen, dass es wichtig ist, sich für die Jugendlichen Zeit zu nehmen, Interes- se zu zeigen, mit dem Jugendlichen allein zu sprechen und ihn über das Arztgeheimnis zu informieren. Wich- tig ist und bleibt auch, dass wir den Jugendlichen klar vermitteln, dass es darum geht, erstens eine Schwan- gerschaft zu verhindern und zweitens sich nicht mit se- xuell übertragbaren Krankheiten anzustecken. Wir soll- ten das tun, in dem wir ganz konkrete Fragen stellen und auch praktische Tipps geben; zum Beispiel dazu, wie ein Kondom anzuwenden ist. Wir sollten uns bewusst sein, dass gerade männliche Jugendliche in eine Versorgungslücke fallen, da sie häu- fig nicht mehr regelmässig von Ärzten gesehen werden. Im Gegensatz zu den jugendlichen Mädchen, für die die Gynäkologin/der Gynäkologe zu einer wichtigen Bezugs- person in der Gesundheitsversorgung wird. Wann sollte man denn nun welche Abklärungen durchführen? Auch hier ist die Anamnese wichtig, um das Risiko besser ein- schätzen zu können, welche Erkrankungen allenfalls übertragen worden sein könnten. Dabei sind auch «tech- nische» Fragen wichtig. Damit gemeint sind Fragen wie: Welche Art von Geschlechtsverkehr hat stattgefunden? War Blut im Spiel? Wurden Verhütungsmittel benutzt, wenn ja, welche? Wurde ein Kondom verwendet? Ist dieses geplatzt oder verrutscht? Diese Fragen sind wich- tig, um abschätzen zu können, welche Infektionen über- haupt möglich sind. Wenn sich ein Jugendlicher vorstellt, sollte die Gelegenheit auch genutzt werden, um den He- patitis-B-Impfschutz zu überprüfen. Wichtig im Gespräch ist es auch, die Bedeutung der Tests und ihre Konsequen- zen zu erklären. Zu guter Letzt ist es auch wichtig, wenn sich ein Jugendlicher mit einer solchen Fragestellung vor- stellt, ihn auch bezüglich seines Risikoverhaltens abzu- schätzen und zu beraten. ■ REFERENT: DR. MED. PHILIPP AGYEMAN, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, FACHARZT FÜR INFEKTIO LOGIE FMH, OBERARZT KINDERINFEKTIOLOGIE, UNIVERSITÄTSKLINIK FÜR KINDERHEILKUNDE, INSELSPITAL BERN MODERATORIN: DR. MED. ISO HUTTER, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATER IN THUN AUTORIN: DR. MED. ANGELA CHAPPATTE, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, DAVOS KORRESPONDENZADRESSE: dischma@hotmail.com Workshop 9 – für Ärztinnen und Ärzte: Infektiologie – Spezielle infektiologische Probleme bei Jugendlichen Schliessen von Wissenslücken zum Thema sexuell übertragene Infektionen bei Jugendlichen Hilfreiche Links: www.lovelife.ch www.feelok.ch www.mysize.ch www.bag.admin.ch
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