KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2019

K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 37 04 / 2019 JAHRESTAGUNG 2019 S ilvano Vella, Neuropädiater in Bern, hat sich viele Kenntnisse der Schlafmedizin während seines Aus- landaufenthaltes in Sydney, Australien angeeignet und wendet diese nun im Schlaflabor des Lindenhofspitals und in seiner eigenen Praxis an. Er und Sabine Heiniger, Praxispädiaterin in Bolligen, führten uns durch den kurz- weiligen, interaktiven Workshop. Wichtig! Unterscheidung von Müdigkeit und Schläfrigkeit! ■  Müdigkeit: Man ist energielos, kann aber eine be- gonnene Aufgabe mit erhöhtem Aufwand zu Ende führen. Medizinische Ursachen müssen ausgeschlos- sen werden (Eisenmangel, Schilddrüsenstörungen, chron. Schmerzen, Drogen/-entzug, systemische [Di- abetes mellitus] oder onkologische Erkrankung). ■  Schläfrigkeit: Geht mit erhöhtem Schlafdruck ein- her, man schläft in Situationen ein, wo dies nicht er- wünscht ist; kleine Kinder wirken der Schläfrigkeit mit Hyperaktivität entgegen. Untersucht wird in sol- chen Situationen der Schlaf (nächtl. Pulsoxymetrie, Schlaflabor). Die häufigsten Ursachen eines Schlaf- Apnoe-Syndroms sind Adenoid-/Tonsillenhypertro- phie, Makroglossie (Down-Syndrom), Prader-Willi- Syndrom, neuromuskuläre Erkrankungen, CP. Fakten zum Schlaf: ■  Wachstumshormonpeak (HGH) in der Nacht: «Kin- der wachsen im Schlaf» ■  Testosteron wird ebenfalls nächtlich vermehrt produ- ziert (Peak ist am Morgen). Bei Schlafapnoen vermin- derte Produktion. ■  Veränderung des Schlafrhythmus bei Jugendlichen kann zu Veränderungen des Stoffwechsels (Ge- wichtszunahme!) führen. ■  Schlaf ist genetisch determiniert (Lang-/Kurzschlä- fer). Schlechter Schlafrhythmus der Eltern/Geschwis- ter kann sich auf Patienten übertragen. ■  Blaulicht des Handys wird vom Gehirn als anregend wahrgenommen, deshalb 1 Stunde vor dem Ein- schlafen kein Konsum von elektronischen Geräten mehr empfohlen. Blaulichtfilter hilft, allerdings regt auch Gamen und Filme schauen das Hirn an (trotz Filter!). ■  Wirkung von Alkohol auf den Schlaf: Schnelleres Einschlafen, weniger Wachzeiten, weniger Tief- und REM-Schlaf. Verändert die Schlafstruktur! Diagnostik: ■  Zur Objektivierung des Schlafes empfiehlt es sich, an Wochenenden oder in den Ferien zu schauen, wie viel geschlafen wird. Es sind viele verschiedene Apps in Gebrauch, die die Schlafdauer aufzeichnen (er- wähnt wurden: Apple Watch, Fitbit, Jawbone Up, Sleep Better, Sleep Talk Recorder und viele andere). ■  Fragebogen zum Schlaf (kontrovers beurteilt von Teilnehmenden). ■  Nächtliche Pulsoxymetrie oder Schlaflabor bei spezi- eller Fragestellung (z. B. Schnarchen!) Therapeutische Massnahmen: ■ Schlafhygienische Massnahmen –  Bett nur zum Schlafen nutzen, andere Tätigkeiten ausserhalb des Bettes. –  1 Stunde vor dem Einschlafen nur noch ruhige Tätigkeiten (Lesen, Mandalas, ruhige Musik hören, keine elektronischen Geräte). –  Spaziergang abends vor dem Schlafen in der küh- len Luft oder kalte Dusche! Zweck: Absenken der Körpertemperatur. Kann auch nachts gemacht werden bei Durchschlafproblemen. –  An Wochenenden nicht zu lange ausschlafen (Verschiebung des Schlaf-Rhythmus!). Körperliche Aktivität tagsüber ist besser als «herumhängen». ■ Melatonin –  sehr gut erforscht bei ASS, Blinden und ADHS-Kindern –  1 Stunde vor dem gewünschten Einschlafen, wirkt schlafanstossend, es braucht einen Peak, keine Dauerwirkung –  Darf jahrelang gegeben werden, Dosis 3 mg genügt –  Apotheke zur Rose kann es bestellen, ebenso Apo- theke zur Mühlebrücke in Biel. Im Ausland (vor allem USA, Italien) können die Patienten es selber ohne Rezept kaufen. ■ Pflanzliche Produkte nur überbrückend für kurze Zeit (wirken gut, verändern aber den Schlafrhythmus). Kombipräparate wirken eher besser als Monopräpa- rate. Beispiele: Dormiplant, Redormin, Relaxane. ■ REFERENT: SILVANO VELLA, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, SCHWERPUNKT NEUROPÄDIATRIE, PRAXISPÄDIATER IN BERN MODERATORIN: SABINE HEINIGER, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATERIN IN BOLLIGEN AUTORIN: DR. MED. BARBARA LEHMANN, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATERIN IN MURI BEI BERN KORRESPONDENZADRESSE: barbara.lehmann@hin.ch Workshop 8 – für Ärztinnen und Ärzte Jugend und Schlaf: Sleepless in Sursee oder «schloofe tscheggi nid Aute»

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx