KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2019
K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 32 JAHRESTAGUNG 2019 04 / 2019 E s braucht keine eigene, spezielle Kommunikations- technik im Gespräch mit den Jugendlichen, sondern gewisse Punkte müssen speziell beachtet werden. Je- der hat seinen Stil, und den soll, ja den MUSS er bei- behalten, weil der Jugendliche unbedingt eine authen- tische Person als Gegenüber braucht! Jeder von uns muss auf seine Art die Praxis betreiben, und alle sollten gewisse Tatsachen der Jugendlichen beachten: sensibler Selbstwert, «Äusserlichkeiten» häufig extrem wichtig, Geschlechtsidentifikation (…Muskeln zeigen, Brust ver- stecken…), sensibles Schamgefühl (körperliche Un- tersuchung wirklich nötig?), sensible Selbstsicherheit (…«Coolheit» ausstrahlen, mit Herzklopfen wie ein Weltmeister…). Der Jugendliche ist selber in die Praxis gekommen oder ist zumindest mit der Mutter mitgegangen. DER ERSTE SCHRITT – war sicherlich der schwierigste! − Dies müs- sen wir würdigen und in unserer Haltung ausdrücken. Des Weiteren sind der Gesprächsrahmen, die Bedin- gungen extrem wichtig! Auch der Jugendliche hat sei- ne Sensoren (VAKOG: v isuell, a uditiv, k inästhetisch, o lfaktorisch, g ustatorisch) voll ausgefahren, auch wenn es nicht so wirken mag. Er wird alles bemerken und al- les auf sich beziehen… Der Jugendliche muss wissen: Wie lange er bei mir ist, dass er alles unter Kontrolle hat (= es passiert nichts gegen seinen Willen), von wem ich was über ihn weiss, dass wir auf Augenhöhe reden, dass ich an ihm, an sei- ner Situation interessiert bin, dass ich am liebsten mit ihm alleine sprechen würde. Aktives Zuhören heisst im Gespräch mit den Jugend lichen, auch aktiv zuwarten können, das Schweigen aus- zuhalten und interessiert, motiviert, ruhig zu bleiben in der Haltung («Ich will dich im Ganzen verstehen, ohne Vorurteile»). Auch beim Jugendlichen ist eine der effektivsten Ge- sprächsführungstechniken der bewusste Einsatz von Fragen. Für dieses Alter bewähren sich vor allem auch hypothetische Fragen («Jetzt mal angenommen…») und zirkuläre Fragen («Wenn jetzt deine Mutter hier wäre…»). − Die zirkuläre Frage ist zwar auch hypothe- tisch, aber der Jugendliche versetzt sich in eine andere Person. Dies ist wie ein Spiel und so fällt es ihm häufig leichter, über persönliche Dinge zu sprechen. Diese An- gelegenheiten sind dadurch nicht mehr persönlich! Nicht vergessen: Der Abschluss ist − wie immer − sehr wichtig (siehe Merkpunkte). Merkpunkte: 1. Bleibe authentisch 2. Grundhaltung: Ich möchte dich im Ganzen ver stehen und habe keine Vorurteile (bin unabhängig von der Elternmeinung) 3. Sich den versteckten Hauptthemen der Entwick- lungsphase der Adoleszenz bewusst sein 4. Rahmen dem Jugendlichen mitteilen (= Ängste, Vorurteile des Jugendlichen auffangen) 5. Aktives Zuhören = Stille aushalten, ausreden lassen, interessierte Haltung bewahren 6. Fragen: insbesondere an hypothetische und zirku läre Fragen denken 7. Auftrag/Ziel finden: «Was kann er ändern, damit er nicht kommen muss wegen den anderen?» 8. Abschluss: Ressourcen, Stärken, Positives hervor heben / du kannst verändern / du entscheidest, ich bin «immer» da. Ich danke der Referentin Frau Susanne Pickert und der Moderatorin Brigitta Thomann ganz herzlich für diesen guten, informativen Workshop! Von mir kriegen sie eine Sechs! ■ REFERENTIN: DIPL.-PSYCH. SUSANNE PICKERT, PSYCHOTHERAPEUTIN IN EIGENER PRAXIS IN ZÜRICH, AUSBILDNERIN UND SUPERVISORIN AM INSTITUT FÜR ÖKOLO- GISCH-SYSTEMISCHE THERAPIE, ZÜRICH MODERATORIN: DR. MED. BIRGITTA THOMANN, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, LEHRPRAKTIKERIN, LEHRÄRZTIN UNIVERSITÄT ZÜRICH, PRAXISPÄDIATERIN IN SCHLIEREN AUTOR: DR. MED. ANDREAS WÜRMLI, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATER IN ALTSTÄTTEN SG KORRESPONDENZADRESSE: andreas.wuermli@ purzelbomm.ch Workshop 3 – für Ärztinnen und Ärzte Kommunikation mit Jugendlichen: «Ich weiss nicht», «Mir doch egal» – und dann?
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