KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2019
K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 27 04 / 2019 JAHRESTAGUNG 2019 K inderärzte Schweiz haben sich anlässlich der diesjäh- rigen Jahrestagung die spannende Frage über Gene- rationenproblematik in der Praxis gestellt. Können aus- gerechnet die Ärzte in einem Land wie der Schweiz, welches von sich behauptet, dass hier die Uhren am ex- aktesten ticken, ausser Takt geraten? Der Hauptreferent, Prof. Dr. Dr. h. c. Klaus Hurrel- mann, Professor of Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin, fasste die Ein- stellungen und Mentalitäten der vier Generationen, mit welchen wir in unseren Praxen heute zu tun haben, prägnant zusammen: Die älteste Generation, welche derzeit in der kinder- ärztlichen Praxis arbeitet, sind die Babyboomer (geboren ca. 1955 bis ca. 1970). Es ist eine grosse, machtbewuss- te und konstruktive Generation, welche hauptsächlich in wirtschaftlich boomenden Zeiten gross geworden ist und perfekte berufliche Perspektiven vorfand. Angehö- rige dieser Generation nehmen gerne Schlüsselpositio- nen ein und sind es sich gewohnt, leitende Funktionen zu übernehmen. Die Arbeit hat für sie einen hohen Stel- lenwert. Der Arbeitsstil ist meist strukturiert und ein re- gelmässiger Austausch im Team ist ihnen wichtig. Die «verwunderte» Generation X (geboren ca. 1970 bis ca. 1985) steht den Babyboomern gegenüber. Auf- gewachsen in einer Zeit, in der sich die Wirtschaftskrise bereits andeutete und die Arbeitsplätze knapper wur- den, stehen sie etwas verloren und vielleicht auch ent- täuscht im Schatten der mächtigen Generation. Die Hochblüte der Weltwirtschaft und die «Flower Power»- Generation haben die Welt nicht nachhaltig verbessert. Viele Angehörige der Generation X mussten während der Kindheit auf ihre Väter verzichten, da sich diese um höhere Positionen in der Arbeitswelt bemühten. Die Generation X möchte dies besser machen und stellt die Work-Life- Balance im beruflichen Alltag in den Vor- dergrund. Sie sind gerne unabhängig und suchen nach dem Sinn in ihren beruflichen und persönlichen Unter- fangen. Entwicklungsmöglichkeiten sind ihnen wichtig. In der Zwischenzeit ist auch die Ärzteschaft der Gene- ration Y (geboren ca. 1985 bis ca. 2000) im Praxisalltag angekommen. Es ist die ständig fragende Generation «Why?». Sie fühlen sich unter grossem Bewährungs- druck, orientieren sich aber gleichzeitig stark an den eigenen Bedürfnissen. An klassischen Arbeitsmodellen sind sie nicht interessiert. Gleichzeitig wollen sie aber die Zukunft verändern, interessieren sich für Projekte und wollen Spuren hinterlassen. Ausserdem ist es die Generation, welche mit modernen Medien gross ge- worden ist. Die Y Generation bringt entsprechend vie- le mediale Kenntnisse mit ins Berufsleben und kann so die älteren Generationen unterstützen. Flache Hierar- chien sind ihnen genauso wichtig, wie Familie und Be- ruf zu verbinden. Sie leben gerne im Hier und Jetzt und sind meist 24 Stunden online. Als Meister im Multitas- king sind ihnen Führungspositionen nicht so wichtig; sie arbeiten viel lieber projektbezogen. Der Generation Z oder Greta (geboren ca. 2000 bis ca. 2015) gehören die heutigen Jugendlichen an, welche als Lehrlinge in unseren Praxen mitarbeiten. Sie sind die Ge- neration, die komplett mit digitalen Technologien aufge- wachsen ist. Internet und Smartphone gehören zu ihrem Leben dazu – auf der Arbeit wie auch im Privatleben. Anders als die Generation Y differenzieren sie wieder mehr zwischen Arbeit und Privatleben. Klare Struktu- ren sind wieder erwünscht. Sie haben einen grossen Wunsch: sich frei zu entfalten. Gerne probieren sie aus und schauen, welcher Weg ihnen am besten passt. Die Jugend ist wieder selbstbewusst und politisch aktiv. Die vier Generationen treffen mit all ihren unter- schiedlichen Werten im Arbeitsleben in der Praxis auf- einander. Dies kann eine Herausforderung, aber gleich- zeitig auch eine grosse Chance bedeuten. Wenn man sich der unterschiedlichen Qualitäten der Generationen bewusst ist, können diese bestmöglich genutzt und zu- sammengeführt werden. Eine gute Arbeits- wie auch Gesprächskultur sind wichtig. Flexiblere Arbeitszeitmo- delle, kollegiales Arbeitsklima, Home Office wie auch Entwicklungsmöglichkeiten werden weiterhin gefragt sein. Auch die Eltern unserer kleinen Patienten, welche derzeit die Generationen X, Y und Z betreffen, werden von uns Kinderärzten andere Modelle erwarten. Flexible Praxisöffnungszeiten und Anbindung an soziale Netz- werke/Medien könnten immer mehr Thema werden. Besten Dank an Professor Hurrelmann für das inter- essante Referat. ■ Hauptreferat – Herr Professor Dr. Dr. h. c. Klaus Hurrelmann Vier Generationen in der Arztpraxis – Herausforderungen und Chancen DR. MED. ANGELA WALT, KINDER- UND JUGEND- ÄRZTIN FMH, LEITENDE SCHULÄRZTIN SCHUL GESUNDHEIT STADT ST. GALLEN Korrespondenzadresse: Angela.Walt@stadt.sg.ch
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