KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019

K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 57 03 / 2019 DAS GUTE K INDERBUCH FÜR DI E PRAX I S D er zehnjährige Rico Doretti bezeichnet sich selbst als «tiefbegabt»: Er kann zwar sehr viel denken, aber das dauert meist etwas länger als bei anderen Leu- ten. Rico gerät gedanklich schnell durcheinander, ähn- lich wie die Kugeln in einer Bingotrommel. An seinem Gehirn liegt es nicht, das ist normal gross. Aber manch- mal fallen ein paar Sachen raus, leider weiss Rico vor- her nie, an welcher Stelle. Ausserdem kann sich Rico nicht immer gut konzentrieren beim Erzählen. Manch- mal verliert er den roten Faden, jedenfalls glaubt Rico, dass er rot ist. Er könnte aber auch grün oder blau sein, und genau das ist das Problem.  Rico lebt mit seiner Mutter Tanja in der «Dieffe 93» in Berlin Kreuzberg und besucht ein nahegelegenes För- derzentrum. Auf der Strasse lernt Rico eines Tages den drei Jahre jüngeren Oskar kennen. Oskar fürchtet sich vor fast allem und trägt deshalb vorsichtshalber einen Sturzhelm, wenn er das Haus verlässt. Oskar ist hochbe- gabt und die ungleichen Kinder freunden sich an. Rico muss bald einsehen, dass Hochbegabung auch kein Vergnügen ist. Die beiden Freunde kommen in dieser Detektivgeschichte dem berüchtigten Entführer Mis- ter 2000 auf die Schliche und lösen den Fall gemein- sam. Erzählt ist die Geschichte in Ich-Form in Form ei- nes Tagebuchs, welches Rico im Auftrag seines Lehrers erstellen soll. Dadurch kann er sich von den Hausauf­ gaben im neuen Schuljahr «freikaufen». Sein Förder- schullehrer hat nämlich entdeckt, dass Rico ein talen- tierter Schreiber ist. Beim Schreiben muss Rico immer wieder Fremdwörter im Lexikon nachschlagen und fasst diese Erklärung dann in seinem Tagebuch in eigenen Worten zusammen:  Für das Buch «Oskar, Rico und die Tieferschatten» erhielt Andreas Steinhöfel unter anderem den Deut- schen Jugendliteraturpreis. In der Jurybegründung des Deutschen Jugendliteraturpreises hiess es unter ande- rem: «Die Darstellung der Hauptfigur Rico wird auch als Kritik am Bildungssystem mit seinen engen Definiti- onen von Begabung und Intelligenz verstanden. Sie führt vor Augen, wie verfehlt der Begriff der geisti- gen Behinderung ist, denn Rico erweckt kein Mitleid, sondern Freude an seiner ungewöhnlichen Denk- weise.»  Das Buch ist eigentlich für die junge Leserschaft ab 10 Jahren gedacht. Wir haben dieses Buch unserem 8-jährigen Sohn vorgelesen, und auch wenn er nicht alles verstanden hat – insbesondere die Bemerkungen zwischen den Zeilen –, haben wir alle grossen Spass beim Lesen gehabt. Es machte Freude, in Ricos Welt einzutauchen und die Welt einmal mit anderen Augen zu betrachten. Zudem bekommt man hautnah vor Au- gen geführt, dass emotionale Intelligenz viel wichtiger ist, als mancher denkt. ■ DR. MED. MATTHIAS FURTER, MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, WINTERTHUR Korrespondenzadresse: matthias.furter@hin.ch Rico, Oskar und die Tieferschatten Depression: Das graue Gefühl. Mama hat es mal so genannt, als wir uns über Frau Dahling unterhielten. Eine Depression ist, wenn all deine Gefühle im Rollstuhl sitzen. Sie haben keine Arme mehr und es ist leider auch gerade niemand zum Schieben da. Womöglich sind auch noch die Reifen platt. Macht sehr müde.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx