KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019

K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 54 ERFAHRUNGSBER I CHT 03 / 2019 A m 4. April fand zum ersten Mal die Fortbildung zum Thema «Pädiatrische Aspekte der Reisemedi- zin» im Seminarhotel Arte in Olten statt. Bei kühlem Wetter und Regen war die Beschäftigung mit Krankhei- ten aus vorwiegend tropischen Gegenden nicht gerade naheliegend. Nach Gipfeli, Kaffee und einem spannen- den Einstieg ins Thema war man jedoch rasch mitten in einer fernen Welt, die uns und unsere Patienten nicht nur auf Reisen, sondern bereits in naher Zukunft auch vor Ort beschäftigen könnte. Vektoren und Schutzmassnahmen Im ersten Vortrag von Dr. Bernhard Beck, der die Pra- xis für Tropen- und Reisemedizin am Bellevue, Zürich führt und als Konsiliararzt für Tropenmedizin am Uni- versitätsspital Zürich sowie Oberarzt am Schweizeri- schen Tropen- und Public Health-Institut tätig ist, wur- den wir in die Reisemedizin eingeführt. Dass dieses Thema in unseren Praxen zunehmend Bedeutung hat, zeigte sich nicht nur durch die zahlreichen Teilneh- menden. Jährlich reisen über zwei Millionen Kinder aus der Schweiz in andere Kontinente. Sie sind da- durch häufig durch Durchfall, Malaria und Dengue ge- fährdet, dies neben Verletzungen bei Verkehrs- und Badeunfällen.  Übertragen werden Infektion nicht nur durch biolo- gische Vektoren wie Aedes-Mücken oder Zecken, son- dern mechanisch durch Fliegen oder die eigenen Hän- de. So klebt das Weibchen der Dermatobia hominis Eier an den Bauch blutsaugender Insekten. Diese Eier pene­ trieren durch den Kontakt mit dem blutsaugenden In- sekt in die Haut von Mensch oder Tier und verursachen dadurch die Myiase, bei der aus dermalen Knoten Lar- ven schlüpfen. Schützen kann man sich bei der in Zen- tral- und Südamerika verbreiteten Art durch Mücken- schutz. In Afrika schützt man sich vor einer verwandten Art indem die Wäsche gebügelt wird – auch der Unter- wäsche, da diese Fliegen die Eier auf die zum Trocknen aufgehängte Wäsche legt.  Eine grössere Bedeutung haben jedoch die durch Ze- cken übertragenen Krankheiten. Neben Borrelien und FSME-Virus spielen zunehmend Rickettsien eine Rolle. Zecken haben bei uns keine natürlichen Feinde, wes- halb sie sich ungehindert vermehren. Zur Expositions- prophylaxe gehören das Meiden von Zecken-infestier- ten Gebieten, sowie Pyrethroid-imprägnierte Kleider (Hosen, Socken, Schuhe etc.) und Repellenzien wie Icardidin oder DEET. Durch Zecken übertragene Krank- heiten können durch Zeckenkontrolle am Körper und rasche Zeckenentfernung vermieden werden. Dies am besten durch Zangen, Faden, Zeckenkarte und evtl. Fingernägel. Beim Impfen von FSME auch an Erwachse- ne denken, v.a. an Grosseltern.  Bei durch Mücken übertragene Krankheiten denken wir an Anopheles und Malaria. Aedes-Mücken oder Stegomyia, wie sie neu heissen, übertragen viele ver- schiedene Viren wie Dengue, Chikungunya und Zika. Angelockt werden diese u.a. durch Wärme und Ge- ruchsstoffe. Zum Mückenschutz gehören neben langen lockeren Kleidern und Moskitonetzen zusätzlich Repel- lenzien. Von Dr. Beck werden DEET, Picaridin und Citri- odil® empfohlen. Dabei ist zu beachten, dass Mücken- schutzmittel mit etwas zeitlichem Abstand nach dem Sonnenschutzmittel aufgetragen werden und bei Kin- dern ab 1 Jahr trotz potenzieller Gefahr von Neben- wirkungen unbedingt Gesicht, Hände und Füsse ein- gecremt werden. Tollwut Diese bei uns seltene, aber nach Ausbruch praktisch im- mer tödliche Erkrankung wurde von Prof. Reto Zanoni, Institut für Virologie und Immunologie, ausführlich vor- gestellt und im Vortrag über Tierbisse von Prof. Rober- to Speck vertieft.  Seit dem Altertum ist die Tollwut eine bekannte Zoo- nose. Auch wenn alle Säugetiere grundsätzlich für das Tollwutvirus empfänglich sind, wird die urbane Tollwut durch den Übertragungszyklus von Hund zu Hund auf- rechterhalten. Die Hundetollwut ist bis heute in Asien, Afrika, im Mittleren Osten und in Teilen von Südameri- ka und Südosteuropa die vorherrschende Form der Toll- wut. Neben der silvatischen Tollwut, die durch weitere Karnivoren übertragen wird, besteht eine davon unab- hängige Fledermaustollwut. Exposition geschieht am häufigsten durch Bissverletzungen, wobei bereits Kratz- verletzungen genügen können. Beim Menschen stellen Verletzungen an Kopf, Hals und Händen das höchste Ri- siko für eine spätere Erkrankung dar.  Seit Mai 2018 ist ein verkürztes Impfschema für Toll- wutimpfungen möglich: zwei Impfungen im Abstand von (7–) 28 Tagen mit Beginn idealerweise sechs Wo- chen vor Abreise. Eine dritte Impfung nach einem Jahr wird empfohlen.  Dieses Impfschema gilt nicht für Reisende mit spezi- ellen Risiken oder Erkrankungen.  Wie immer bei Tollwut gilt: Tierkontakte meiden, auch bei Vorgeimpften. Eine sofortige Wundbehand- lung und Nachimpfungen müssen trotzdem so schnell wie möglich erfolgen, d.h. zweimalige Impfung im Ab- stand von drei Tagen mit Kontrolle der Impf-Antikörper frühestens nach 7 Tagen oder sofort nach Rückkehr in die Schweiz. Pädiatrische Aspekte der Reisemedizin JAKOB VON KÄNEL, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, MÜNCHENBUCHSEE Korrespondenzadresse: jakob.von.kaenel@iuvenis.ch

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