KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019
FORTB I LDUNG 03 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 44 legt werden sollte, um die Verletzung der Epiphysenfu- ge zu minimieren. Die Verwendung von Anteilen des Li- gamentum patellae oder Allografts ist bei Kindern nicht 1. Wahl. Es gibt auch Operationsmethoden, welche die Epiphysenfuge umgehen, oder in Einzelfällen ist bei be- stimmten Voraussetzungen die direkte Kreuzbandnaht (Lygamis) möglich. Der Kreuzbandersatz muss sich dem Wachstum anpassen, dabei ist eine Zunahme der Län- ge möglich, nicht jedoch des Querschnitts. Die geome- trischen Verhältnisse der Befestigungspunkte verändern sich ebenfalls mit dem Längenwachstum. Die Auswir- kungen von frühen, vor der Pubertät durchgeführten Operationen sind diesbezüglich noch schlecht erforscht. Risiken 1. Wachstumsstörungen (ca. 2%), Achsenstörung oder partieller Wachstumsstop 2. sekundäre VKB-Ruptur d. h. Reruptur (13%) oder kontralaterale Ruptur (14%) 3. Osteoarthritis als Langzeitschäden bei Meniscekto- mie oder mangelhafter Reparatur 4. persistierendes Extensionsdefizit Verlaufskontrollen Single-leg hop Tests und isokinetische Krafttests haben in der pädiatrischen Population grosse Messfehler und müssen deshalb mit Vorsicht interpretiert werden. Der Focus sollte auf die Beurteilung der Bewegungsqualität gelegt werden. Es gibt bis jetzt keine validierten Tests zur Beurteilung der Bewegungsqualität und Kriterien für die Rückkehr zum Sport. Die Entscheidung beruht auf Erfahrung der betreuenden Physiotherapeuten und der Kenntnis der sportartspezifischen Belastung des be- treuenden Arztes. Zu den Kontrollen zählen auch regel- mässige Beurteilungen des Wachstums der Extremitä- ten, bis die Wachstumsfuge geschlossen ist. Persönliche Bemerkungen Die Belastungen auf die Kniegelenke von jungen Sport- lern haben vor allem durch die frühe Spezialisierung und zunehmenden artistischen Anforderungen (Schnee- sport, Kunstturnen) sowie die zunehmende Populari- tät des Fussballs bei Mädchen zu einer Zunahme von Kreuzbandrissen geführt. Die Entscheidung über die ge- eignete Therapieform muss individuell im gemeinsamen Gespräch mit dem Kind/Jugendlichen, Eltern und Trai- ner unter Berücksichtigung der o. g. Kriterien getroffen werden mit dem Ziel des langfristigen Erhalts einer phy- siologischen Kniefunktion. An die ethischen Grenzen kommt man dann, wenn aufgrund der Wettkampfplanung, trotz Risiko einer Re- ruptur, vorzeitig in den Spitzensport zurückgekehrt wer- den soll und diese Rückkehr Priorität hat. Als Kinder- arzt und Sportmediziner hat man, meiner Ansicht nach, auch bei der Beratung und Begleitung des jungen Spit- zensportlers bei einem unfallbedingten Ausstieg aus dem gewohnten durchgeplanten Tagesrhythmus eine anspruchsvolle Aufgabe. Leider fehlen in vielen Sport- verbänden entsprechende Konzepte für ein sogenann- tes «Detraining». Im besten Fall übernimmt die be- treuende Physiotherapeutin als Vertrauensperson und Coach die individuelle Planung der Rückkehr zum Spit- zensport oder den Ausstieg davon. Die Qualität der prä- und postoperativen physiotherapeutischen Betreuung spielt eine entscheidende Rolle. Das Management der isolierten VKB-Ruptur ist wegen des Schutzes der Me- nisci zunehmend operativ geworden, auch im präpuber- tären Alter. Langzeitstudien bei Kindern bezüglich des Therapie-Outcomes fehlen aber bisher. ■ LITERATUR [1]Ardern CL, Ekås GR, Grindem H, et al., 2018 International Olym- pic Committee consensus statement on prevention, diagnosis and management of paediatric anterior cruciate ligament (ACL) inju- ries, Br J Sports Med 2018;52:422–438. <http://dx.doi.org/10.1136/ bjsports-2018-099060>. [2]Shaw L, Finch CF, Bekker S. Infographic: trends in paediatric and ado lescent ACL injuries. B J Sports Med 2019;53:228. <https://bjsm.bmj . com/content/53/4/228>. [3]Rössler R, Junge A, Bizzini M, et al., A multinational cluster ran- domised controlled trial to assess the efficacy of ’11+ Kids’: a warm- up programme to prevent injuries in children’s football. Sports Med 2018;48:1493–1504. <https://link.springer.com/article/10.1007%2 Fs40279-017-0834-8>. [4]Kochet MS, DiCanzio, Zurakowski D, et al. Diagnostic performance of clinical examination ans selective magnetic resonance imaging in the evaluation of intraarticular knee disorders in children and ado- lescents. Am J Sport Med 2001;29:292–296. F4.large.jpg 1ʼ280×1ʼ008Pixel.pdf InDropboxgespeichert •30.05.2019, 16F06 F4.large.jpg 1ʼ280×1ʼ008Pixel.pdf InDropboxgespeichert •30.05.2019, 16F06 F5.large.jpg 1ʼ280×1ʼ039Pixel.pdf InDropboxgespeichert •30.05.2019, 16E07 F5.large.jpg 1ʼ280×1ʼ039Pixel.pdf InDropboxgespeichert •30.05.2019, 16E07 F6.large.jpg 1ʼ280×1ʼ027Pixel.pdf InDropboxgespeichert •30.05.2019, 16F07 F6.arge.jpg 1ʼ280×1ʼ027Pixel.pdf InDropboxgespeichert •30.05.2019, 16F07 Abb. 2: Beispiele für Verfahren der Kreuzbandplastik des VKB. (I) transphyseale Technik, (II) epiphysenaussparende Technik, (III) rein epiphyseale Technik (adaptiert nach [1]). Illustrationen: International Olympic Committee IOC Take-home Message: ■ bei Kniedistorsion an VKB-Ruptur denken ■ jede verpasste Diagnose ist ein Risiko für Meniskusläsionen und spätere Arthrose ■ konservative versus operative Therapie gemeinsam entscheiden (Knochenalter!) ■ hochqualifizierte Sportphysiotherapie sehr wichtig ■ die Rehabilitation braucht sehr viel Zeit und Geduld (mindestens 6–9 Monate) ■ evtl. second opinion bei mit jungen Patienten erfahrenem Sportmediziner / Kinderorthopäden einholen III II I
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