KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019
FORTB I LDUNG 03 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 42 Vorbemerkungen Grundlage des Artikels bildet das 2018 IOC Consensus Statement [1]. Dabei wurden 6 Fragestellungen erörtert, welche auch für den Pädiater relevant sind. ■ Wie können Verletzungen des vorderen Kreuzbandes (VKB) vorbeugend verhindert werden? ■ Wie diagnostiziert der Kliniker VKB-Verletzungen bei Kindern? ■ Welches sind die Behandlungsoptionen für ein Kind mit VKB-Verletzung? ■ Was sind die wichtigsten Überlegungen bei Behand- lungsentscheidungen? ■ Wie misst der Kliniker den für das Kind relevanten Verlauf bzw. Outcome? ■ Welche Rolle spielen der Kliniker und das Umfeld (Ethics)? Wie die kürzlich publizierten Zahlen einer Studie aus Vic- toria, Australien zeigen, haben Fälle von im Spital be- handelten VKB-Läsionen bei Kindern unter 15 Jahren in den Jahren 2005 bis 2015 um nahezu 150% zugenom- men. Davon waren 54,7% Knaben und 45,3% Mäd- chen. 3,1% der Kinder waren sogar erst zwischen 5 und 9 Jahre alt. Beinahe 60% der Unfälle traten während ei- ner sportlichen Aktivität auf, v.a. bei Ballsportarten [2]. Diese Kinder und Jugendlichen leben dann ihr ganzes Leben lang mit der Knieverletzung und dem damit ver- bundenen Risiko von Meniskusverletzungen und dem vorzeitigen Beginn einer Osteoarthritis. Bei Erwachse- nen dauert es ca. 10 Jahre bis zum Auftreten einer sym- ptomatischen Osteoarthritis nach einer VKB-Verletzung. Daher wird befürchtet, dass ein 10-jähriger Knieverletz- ter bereits im Alter von 20 Jahren chronische degene- rative Kniegelenksschädigungen haben kann. Dies hat zu einem Paradigmenwechsel geführt: Heutzutage wer- den auch Kinder weit vor der Pubertät und Wachstums- fugenschluss zum Teil mittels Kreuzbandplastik operativ behandelt, mit all den damit verbunden Risiken (s. u.). Prävention Aufgrund der Tatsache, dass jede noch so gute Rehabi- litation, ob konservativ oder operativ, potenziell zu einer Arthritis führen kann, sind die Anstrengungen zur Prä- vention von höchster Priorität. Vor allem im Mannschaftssport hat sich das Präven- tionsprogramm «11+ For Kids» (Abb. 1) sehr bewährt. Es konnte damit die Häufigkeit von Verletzungen um bis zu 50% gesenkt werden, wie in einer kürzlich publizier- ten Studie gezeigt [3]. Diagnostik, klinische Tests und Bildgebung Anamnestische Angaben über den Unfallmechanismus, Untersuchungsbefunde und Tests (siehe Box 1) sowie die Bildgebung führen zusammen zur Diagnose. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei Kindern die Sensitivität bezüg- lich Kreuzbandläsionen in der klinischen Untersuchung bei 81,3% und im MRI sogar nur 75% beträgt [4]. Sonografie Erguss /Hämarthros Ein Längsschnitt durch den Recessus oberhalb der Patel- la hilft bei der Unterscheidung zwischen einer Weichteil- schwellung oder intraartikulärer Flüssigkeitsansammlung. ■ Beim Hämarthros (akute Knieschwellung innert 24 Std.) immer strukturelle Läsionen suchen. ■ Konventionelle Röntgenbilder (Knie ap./seitlich, evtl. zusätzlich Patella axial) bei Kindern mit Hämarthros zur Diagnose von ossären Läsionen wie Eminentia- ausriss, Epiphysenfrakturen und Patellafrakturen her- stellen lassen. ■ Das MRI gibt zusätzliche Informationen über den Zu- stand der Menisci und allenfalls Bänder- und osteo- chondrale Verletzungen. (MRI-Untersuchungen ge- nügen nativ, d. h. ohne Kontrastmittel). ■ Die grosse Variabilität der Gelenkslaxizität (im Seiten- vergleich!) und Darstellung von Entwicklungsvarian- ten im MRI erschweren die Interpretation bei Kindern. Behandlungsmöglichkeiten Ist die Diagnose gesichert, beginnt der Entscheidungs- prozess unter Einbezug von Patient und Eltern auf Grundlage der Kenntnisse aller möglichen Behand- lungsoptionen. Dabei gilt es folgende Behandlungsziele im Auge zu behalten: ■ Wiederherstellung eines stabilen, gut funktionieren- den Knies für einen lebenslangen gesunden aktiven Lebensstil. Diagnose und Management von pädiatrischen vorderen Kreuzbandrupturen DR. MED. MARKUS RENGGLI, FACHARZT FÜR KINDER UND JUGENDLICHE FMH, SPORTMEDIZIN SGSM, BADEN Korrespondenzadresse: info@sportmedaktiv.ch Box 1: Lachmann-Test In 20 Grad Kniebeugung wird der Unterschenkel gegenüber dem mit der Hand fixierten Femur nach ventral gezogen. Fehlt ein sog. harter Anschlag (wie wenn sich ein Seil spannt), so ist eine VKB-Läsion möglich. Immer Seiten vergleich!
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx