KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019
03 / 2019 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ D oping ist leider auch im Leistungssport im Jugendalter ein Thema – meist jedoch ein ungewolltes. In Zusammenarbeit mit Antidoping Schweiz wurde der folgende Text verfasst, der sowohl die jungen Athle- ten als auch die betreuenden Ärzte orientieren soll, medizinisch notwen- dige Medikationen und fairen Sport rechtlich korrekt zu kombinieren. Ohne unerwünschte Nebeneffekte! Beta-2-Agonisten und Glukokortikoide stehen auf der Dopinglis- te und sind im Sport demnach grundsätzlich verboten [1]. Für beide Sub- stanzgruppen gibt es allerdings genau definierte erlaubte Anwendungs- arten. Die Substanzen ■ Salbutamol (Ventolin ® ) ■ Formoterol (Symbicort ® , Vannair TM , Oxis ® ) ■ Salmeterol (Seretide ® , Serevent ® ) unterliegen bestimmten Bedingungen mit zulässigen Grenzwerten. Dabei handelt es sich um Dosierungsgrenzwerte für die Inhalation und diese gelten sowohl für Erwachsene als auch für Jugendliche in jedem Alter. Eine Dosierung oberhalb dieser Grenzwerte kann einen Verstoss gegen die Anti-Doping-Regeln darstellen bzw. erfordert eine ATZ (s.u.). Dassel- be gilt für andere Beta-2-Agonisten (u.a. Terbutalin, Reproterol), für wel- che keine Grenzwerte bestehen, d.h. diese sind gemäss der aktuellen Do- pingliste jederzeit verboten. Glukokortikoide sind bei intravenöser, intramuskulärer, oraler und rektaler Anwendung im Wettkampf verboten [1]. Die Inhalation von Glukokortikoiden ist gemäss der aktuellen Dopingliste jederzeit erlaubt. Der Doping-Status der in der Schweiz registrierten Arzneimittel kann mit der Medikamentenabfrage Global DRO geprüft werden. Grundsätz- lich sollen für Athleten in erster Linie die gemäss Dopingliste erlaubten Therapien ausgeschöpft werden. Kann keine erlaubte Therapie eingesetzt werden, besteht die Möglich- keit eine Ausnahmebewilligung zu Therapeutischen Zwecken (ATZ) (bzw. Therapeutic Use Exemptions, TUE) zu beantragen. Dabei stellt sich einerseits die Frage nach der zuständigen Organisation sowie nach dem Zeitpunkt des Antrages. Vereinfacht ausgedrückt sind für internationa- le Wettkämpfe die internationalen Verbände zuständig und für Ath- leten auf nationaler Stufe Antidoping Schweiz. Grundsätzlich müssen Athleten, die an internationalen Wettkämpfen teilnehmen oder von Anti doping Schweiz in einen Kontrollpool eingeteilt sind, vor dem Therapie- start im Besitz einer gültigen ATZ sein («vorgängige ATZ»; Ausnahme Notfalltherapien). Alle anderen Athleten sollen die detaillierten medizi nischen Abklärungen beim Arzt bereithalten und haben die Möglichkeit, nach einer allfälligen Dopingkontrolle einen nachträglichen ATZ-Antrag zu stellen. Da gewisse Kriterien bei der Antragstellung (diverse medizinische Un- terlagen wie z. B. Lungenfunktionstestresultate) erfüllt sein müssen, ist genügend Vorlaufzeit einzuplanen [2]. Laut Antidoping Schweiz werden häufig auch unnötige ATZ-Anträge für erlaubte Asthmamedikamente ge- stellt [3]. Das führe zu einem Mehraufwand bei allen Beteiligten. Komplex ist die vorgängige Antragstellung für eine ATZ bei Athleten mit Stimulanzien wie Methylphenidat (Ritalin ® , Concerta ® , Medikinet ® ), Dexmethylphenidat (Focalin ® XR) oder Lisdexamfetamin (Elvanse ® ) [4]. Bei der Einreichung der notwendigen Unterlagen ist nach Kriterien von Antidoping Schweiz die Diagnosestellung u. a. durch einen Kinder- und Jugendmediziner mit Schwerpunkt Neuropädiatrie oder Entwicklungs- pädiatrie erforderlich. Daneben können Psychiater mit entsprechenden Voraussetzungen die Diagnose stellen. Der alleinige Facharzttitel der Kin- der- und Jugendmedizin ist bei vorgängigen Anträgen nicht ausreichend. Weitere verbotene Substanzklassen umfassen die Wachstumshormone und Insulin, auch dafür existieren Antragskriterien. Wichtig ist zu wissen, dass Infusionen mit einem höheren Volumen als 100 ml innerhalb von maximal 12 Stunden verabreicht, unabhängig von den darin enthaltenen Substanzen, als eine gemäss Dopingliste verbotene Methode gelten. Es sei denn, sie werden berechtigterweise im Rahmen von Spitalbehandlun- gen, chirurgischen Eingriffen oder während klinisch diagnostischer Unter- suchungen verabreicht. Auch hier kann daher eine ATZ erforderlich wer- den. Ein Beispiel dafür ist eine Eiseninfusion [5]. Bei Supplementen [6] und Nahrungsergänzungsmitteln ist eben- falls Vorsicht geboten. Diese Produkte können im Sport verbotene Subs- tanzen enthalten, die nicht unter «Zutaten» deklariert waren. Das kann durch verunreinigte Produktionsanlagen oder durch absichtliche Beimi- schung durch den Hersteller erfolgen. Aufgrund der Gesetzgebung in der Schweiz ist der Hersteller in vollem Umfang für die Einhaltung der gesetz- lichen Vorschriften verantwortlich und es gibt keine offizielle Zulassung (im Ggs. zu Medikamenten). Zur Reduktion des Dopingrisikos ist zum ei- nen der Konsum auf den tatsächlichen individuellen Bedarf abzustim- men, Produkte vertrauenswürdiger Schweizer Hersteller mit Bezug zum Leistungssport zu bevorzugen und auf Käufe bzw. Bestellungen von Pro- dukten aus dem Ausland zu verzichten [7]. Grundsätzlich wird der Athlet für den Nachweis eines verbotenen Wirk- stoffs in seiner Probe immer selber haftbar gemacht – Strict Liability. Das gilt auch für Dopingfälle durch verbotene Substanzen in verunreinigten Supplementen und Nahrungsergänzungsmitteln. Wird einem Jugendli- chen ein Dopingverstoss vorgeworfen, wird grundsätzlich nicht zwi- schen einemminder- oder volljährigen Athleten unterschieden. Allerdings werde, gemäss Antidoping Schweiz, die «Minderjährigkeit bei der Festle- gung der Sanktion berücksichtigt» [8]. Eltern können disziplinarrechtlich belangt werden, wenn sie als Athletenbetreuer oder «andere Personen» im Sinne des Doping-Statuts 2015 handeln und einem Athleten (z.B. ei- nem Kind) Dopingsubstanzen zugeführt haben. Eine Auseinandersetzung mit der gesamten Thematik ist unumgäng- lich, da auch der Arzt in der Dopingproblematik im Fokus steht. Grund lage sind Änderungen des Art. 33 bis StaO (Standesordnung) der FMH in- klusive Aktualisierung des Anhangs 5 StaO der Ärztekammer [9,10]. Also beim Thema Doping: «Warte, luege, lose – laufe…» REFERENZEN [1] Antidoping Schweiz, Dopingliste 2019 <https://www.antidoping.ch/sites/default/ files/downloads/2018/dopingliste_2019_de_web.pdf> [2] antidoping.ch , Antrag für eine Ausnahmebewilligung zu therapeutischen Zwecken für Beta-2-Agonisten, <https://www.antidoping.ch/sites/default/files/downloads/ 2018/180109_beta-2-agonisten_leitfaden_de_8_0.pdf> [3] antidoping.ch , Jahresbericht 2018 <https://www.antidoping.ch/sites/default/files/ downloads/2019/jahresbericht_2018_antidoping_schweiz.pdf> [4] antidoping.ch , Antrag für eine Ausnahmebewilligung zu therapeutischen Zwecken für Methylphenidat (Ritalin ® , Concerta ® und weitere) und Lisdexamfetamin (Elvanse ® ), <https://www.antidoping.ch/sites/default/files/downloads/2017/171023_ methylphenidat_leitfaden_de_13.pdf> [5] antidoping.ch , Antrag für eine Ausnahmebewilligung zu therapeutischen Zwecken für intravenöse Infusionen <https://www.antidoping.ch/sites/default/files/down- loads/2019/190107_infusionen_leitfaden_de.pdf> [6] Swiss Sports Nutrition Society, Supplemente <http://www.ssns.ch/sportsnutrition/ supplemente/> [7] antidoping.ch, Supplemente und Nahrungsergänzungsmittel <https://www.anti- doping.ch/de/medizin-substanzen-und-methoden/supplemente-und-nahrungser- gaenzungsmittel> [8]) antidoping.ch , Doping-Statut <https://www.antidoping.ch/sites/default/files/down- loads/2014/doping_statut_2015_de.pdf> [9] Standesordnung der FMH nach Revision vom 25. Oktober 2018 <https://www.fmh .ch/files/pdf22/standesordnung_februar_2019_d.pdf> [10] Clénin G, Duruz J, Doping Revision der berufsethischen Regeln im Doping. SÄZ 2019; 100:196–199 Doping – Inhalativa und anderes Sven Sprenger, Co-Editor, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Spez. Sportmedizin SGSM, Zürich Korrespondenzadresse: sven_sprenger@web.de 41
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