KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019
FORTB I LDUNG 03 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 40 Wachstumsspurt relativ verkürzten Knieextensoren ab. Die neuseeländische Physiotherapeutin Jenny Strickland hat nach langjähriger Anwendung und Dokumentation hervorragender Therapieresultate das nach ihr benann- te Strickland-Protokoll zur Behandlung des M. Osgood- Schlatter vorgestellt [19], welches wir zwischenzeitlich standardmässig im Universitätskinderspital beider Basel (UKBB) in modifizierter Form erfolgreich anwenden. Er- gänzend zu den beschriebenen Behandlungsoptionen wird dabei vor allem die Wichtigkeit der Mitbehandlung der myofaszialen Strukturen berücksichtigt. Deutlich seltener, aber unentdeckt wesentlich kompli- kationsträchtiger sind Stressfrakturen der proximalen Ti- bia. Bei belastungsabhängigen Schmerzen im Bereich des proximalen Unterschenkels sollte vor allem bei anamnes- tisch gesteigertem Trainingsumfang zwingend an eine Ermüdungsfraktur gedacht werden. Im frühen Stadium kann das Röntgenbild noch unauffällig sein. Bei längerer Schmerz-Anamnese zeigen sich oft eine Kortikalisverdi- ckung und/oder eine lokale Kallusbildung (Abb. 2). Nur bei erfolgloser konservativer Therapie ist eine operative Intervention mit Plattenosteosynthese oder intramedullä- rer Nagelung (bei geschlossenen Fugen) indiziert. Ferse: Die häufigste Ursache von Fersenschmerzen beim jungen Sportler ist die Apophysitis calcanei. Ver- gleichbar mit dem M. Osgood-Schlatter handelt es sich um eine Traktionsapophysitis durch repetitiven Zug der Achillessehne an der Apophyse des Fersenbeines. Auch hier zeigt sich ein Häufigkeitsgipfel zu Beginn des pu- bertären Wachstumsspurts [20]. In knapp ²/ ³ der Fäl- le liegt, wenn auch nicht zwingend in gleichem Aus- mass, ein beidseitiger Befund vor. Die Patienten klagen über Fersenschmerzen unter Belastung und zeigen kli- nisch eine Druckdolenz im Ansatzbereich der Achilles- sehne und meist noch ausgeprägter unmittelbar medial und lateral davon, bei der Prüfung mit dem Zangengriff («Squeeze Test»). Die Therapie entspricht derjenigen beim M. Osgood-Schlatter und sollte ebenfalls durch myofasziale Techniken unterstützt werden. Osteochondrale Läsionen (OCD): Vor allem bei Stop- and-Go-Sportarten kommt es zu sehr hohen Druck- und Scherkräften auf den Gelenkknorpel und den subchon- dralen Knochen. Dies kann neben akuten (Knochen-) Knorpel-Verletzungen auch zu chronischen Schäden führen. Am häufigsten betroffen sind Knie-, Ellenbogen- und Sprunggelenk. Schmerzen und eine Schwellung des betroffenen Gelenks sowie ein eingeschränktes Bewe- gungsausmass sind die klinischen Merkmale. Sollte der Befund auf dem konventionellen Röntgenbild nicht ab- grenzbar sein, kann die Diagnose mittels MRT objekti- viert werden. Damit können auch instabile Läsionen mit Flüssigkeitssignal zwischen dem Defekt und dem an- grenzenden Knochen erkannt werden [21]. Stabile OCDs werden primär konservativ behandelt. Ein operatives Vor- gehen sollte bei instabilen Läsionen und bei fehlendem Ansprechen der konservativen Therapie gewählt werden [22]. Jüngere Theorien sehen OCD, vor allem im Knie- bereich, primär als Folge einer Meniskus-Instabilität und richten den Fokus der Therapie auf die Behandlung der Instabilität ohne direkte Adressierung der OCD [23]. Prävention und praktische Implikationen Obwohl die Mehrheit der beschriebenen Überlastungs- schäden bei Kindern und Jugendlichen konservativ be- handelt werden kann, kommt es häufig zu einer langen Sportpause mit der Gefahr des Wiederauftretens der Be- schwerden bei zu früher Rückführung in den sportlichen Alltag. Umso entscheidender ist neben der Früherken- nung einer Überlastung deren Prävention. 2016 wurden von Brenner in Zusammenarbeit mit der American Aca- demy of Pediatrics die wichtigsten Empfehlungen zur Vermeidung von Überlastungsschäden und sportlichem Burn-out, gerade im Hinblick auf eine frühe sportartspezi- fische Spezialisierung, publiziert [9]. An erster Stelle soll- te für den jungen Athleten und sein soziales Umfeld die Freude am Sport und das Erlernen neuer Fertigkeiten stehen. Das Prinzip der frühen Diversifikation (polyspor- tiv) und späteren Spezialisierung (sportartspezifisch) soll- te ebenso berücksichtigt werden, wie es gilt, dem zeit- lichen Konflikt des in der Pubertät oftmals gesteigerten Trainingsumfangs bei gleichzeitig erhöhter Verletzungs- anfälligkeit des Wachstumsknorpels durch eine adäqua- te Planung der Regenerationszeit und optimaler Aus- rüstung Rechnung zu tragen. Zudem sollte gerade bei leistungsorientierten jungen Athleten eine regelmässige sportmedizinische Untersuchung durch Spezialisten mit Kenntnissen der altersabhängigen Eigenschaften des Be- wegungsapparates erfolgen. ■ REFERENZEN SIEHE E-PAPER-VERSION Abbildung 1: Radio logischer Nachweis ossärer Fragmente (roter Pfeil) im Bereich der Tuberositas tibiae bei einem 15-jährigen Fussballspieler mit therapierefraktärer Schmerzsymptomatik bei vorgängig klinisch diangostiziertem Mor- bus Osgood-Schlatter. Abbildung 2: Röntgenaufnahmen des linken Unterschenkels eines sportlich sehr aktiven 7-jährigen Knaben mit belas- tungsabhängigen Schmerzen an der proximalen Tibia. Abbildung a) zeigt die Verdickung der Kortikalis und Kallus reaktion proximal am meta-diaphysären Übergang. Abbildung b) zeigt den radio- logischen Verlauf nach einem Jahr nach erfolgter konservativerTherapie. a) b)
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