KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019
03 / 2019 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 37 tion die Atemlosigkeit, die weitaus am häufigsten das physiologische Belastungslimit signalisiert [32]. In Belastungstests wird ein Trainingsmangel vermutet, wenn die erbrachte Leistung in Watt oder anhand des Sauerstoffkonsums (VO ² ) bei erreichter maximaler Herz- frequenz unter den Erwartungen liegt und keine abnor- me kardiorespiratorische Reaktion erfasst wird. Allerdings ist die Abgrenzung zum Normalen nicht trivial, da viele Kovariablen – wie die motorische Effizienz, die Aufwärm- phase oder kürzlich durchgemachte Infekte – die Leis- tung beeinflussen und keine allgemeingültige Norm- daten existieren [33]. Während der Pubertät verdrei- facht sich die Leistungskapazität eines durchschnittlichen Jugendlichen von einer maximalen VO 2 von 1 L/min auf 3 L/min. Diese Leistungssteigerung wird jedoch nicht aus- schliesslich durch eine Zunahme der Körpermasse erklärt, die den Normwerten zugrunde liegt. Die Assoziation zwi- schen Leistungsfähigkeit und Körpermasse ist nicht line- ar, und die traditionelle Massgabe, eine Leistung unter 80% des Sollwertes als abnorm zu klassieren, wird der Tatsache nicht gerecht, dass die Streuung um den Mit- telwert (= 100% Sollwert) altersabhängig ist [34]. Bewe- gungsarme Jugendliche zu mehr Sport animieren ist gut, ihnen eine Leistungsschwäche zu attestieren aber heikel. Multifaktorielle Genese der Anstrengungsdyspnoe Die Differenzierung der drei häufigen Differentialdia gnosen ist nicht selten dadurch erschwert, dass sie in Kombination auftreten und viele Betroffene die Sym ptome nicht präzise beschreiben können, was zu sug- gestiven Fragen verleitet. Nach unterschiedlichen Quellen kann die ILO-Prävalenz bei Erwachsenen mit schwerem Asthma 30% und mehr betragen [35]. Auch unter jugendlichen Asthmatikern wird ein inspiratori- scher Stridor von einem Drittel und ein Klemmen im Hals von knapp der Hälfte der Betroffenen angegeben. Umgekehrt berichtet beispielsweise ein Viertel der Ju- gendlichen mit dysfunktioneller Atmung von einem ex- spiratorischen Giemen [36]. Tatsächlich kann bei der Hälfte der Jugendlichen mit Anstrengungsdyspnoe weder eine EIB noch eine EILO, bei 40% eine isolierte EIB und bei immerhin 5% so- wohl eine EIB wie auch eine EILO provoziert werden [37]. Der Anteil symptomatischer Jugendlicher ohne do- kumentierte EIB oder EILO war in dieser Studie übrigens bei Knaben mit 65% d. F. deutlich höher als bei Mäd- chen (39% d. F.), was nahelegt, dass Knaben die ent- täuschten Erwartungen an die eigene Leistungsfähig- keit häufiger einer Anstrengungsdyspnoe anlasten als Mädchen. Kommentar Eine Anstrengungsdyspnoe unter Jugendlichen ist häu- fig multifaktoriell bedingt. Ein isoliertes EIA ist eine the- rapeutisch «dankbare» Diagnose. Deutlich komplexer wird es, Patienten mit funktionellen oder konditionellen Atemproblemen gerecht zu werden, zumal eine funkti- onelle Leistungslimitation einer weiteren Dekonditionie- rung in die Hände spielt und umgekehrt. Die Tatsache, dass die betroffenen Jugendlichen mit diesen Sympto- men nur selten nochmals vorstellig werden, bedeutet nicht immer, dass sich das Problem erledigt hat. Es lohnt sich daher, Betroffene im Verlauf bei Gelegenheit hie und da darauf anzusprechen. ■ REFERENZEN SIEHE E-PAPER VERSION L eon, ein 14 Jahre alter Fussballer, kommt in die kinder- sportmedizinische Sprechstunde, weil er subjektiv einen Leistungseinbruch bekundet. Er ist U15-Spieler bei einem grossen Zürcher Stadtclub und ausserdem aktuell Reser- ve bei der U15 der Schweizer Nationalmannschaft, bei der er bis vor Kurzem im fixen Aufgebot stand. Die Laborun- tersuchungen sind unauffällig (insbesondere Augenmerk auf Ferritin und EBV wie CMV Serologie). Auffallend sind sein feiner Körperbau und die präpubertäre Physis (Tan- ner Stadium 1). Beide Eltern hatten anamnestisch auch erst spät ihren Pubertätseintritt. Das Handröntgen zeigt bei Leon ein Knochenalter von 12,5 Jahren (gut 1,5 Jah- re Retardierung zum chronologischen Alter). Bei genaue- rem Erfragen lässt sich eruieren, dass Leons jeweilige Ge- genspieler den jungen Athleten aktuell physisch überholt haben. So ist Leons «Leistungseinbruch» in Relation zu sehen zur pubertätsbedingten Leistungszunahme seiner Gegenspieler. Diese wird bei Leon mit Verzögerung ein- setzen und es ist anzunehmen, dass dann Leon physisch wieder auf Augenhöhe mit seinen Gegnern und Mitspie- lern mithalten kann. MERKE: Es ist möglich, einen jugendlichen Athleten mit retardier- tem Knochenalter zurückzustufen, damit er sich mit kör- perlich gleichentwickelten Athleten messen kann. Hierfür ist eine Kontaktaufnahme mit dem Verband notwendig und natürlich auch das Einverständnis des Ath- leten erforderlich. ■ DR. MED. FLORIAN SCHAUB, CO-EDITOR, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGEND MEDIZIN, SPEZ. KINDER- NOTFALLMEDIZIN PEMS, SPEZ. SPORTMEDIZIN SGSM, SCHULTHESS KLINIK UND KINDERSPITAL ZÜRICH Korrespondenzadresse: florian.schaub@kws.ch Fallvignette: Fussballer mit «Leistungseinbruch»
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