KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019

03 / 2019 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 33 de Kinder. Kinder mit Adipositas, psychischen und Ver- haltensauffälligkeiten profitieren von den die Energie­ bilanz verbessernden, aber auch psychisch aufhellenden oder beruhigenden Effekten. Die psychosozialen Aspek- te in einer Gruppe integriert zu sein – und nicht als «Möpsli», «Verschupfter», «motorisch Ungeschickter» oder «aneckender Wildfang» abgestempelt zu werden – sind unendlich wichtig, und gleichzeitig psychisch und körperlich gewinnbringend. Diese Kombination von «normal erleben» und «sozial integriert sein» ist unbe- zahlbar. B+S ist ein ideales physisch, psychisch und sozi- al effektives Sekundärpräventionsmittel. Motorisch auf- fällige Kinder profitieren von diversen Programmen, auf individueller Basis oder in Gruppen, ob aktivitäts- oder körperfunktionsgesteuert. Der Fokus wird idealerweise auf das schwächste Glied in der Aktivitätskette gelegt, um das Einüben von komplexen Bewegungsmustern zu erlauben. Erstaunlicherweise existieren keine Langzeit- studien, Kosten-Nutzenanalysen oder Untersuchungen über die motivierenden und emotionellen Aspekte sol- cher Therapieprogramme.  Gewicht zu reduzieren ist oft durch individuelle Bewe- gungsförderungsprogramme nicht möglich; ohne gleich- zeitige Ernährungsumstellung sind die Chancen auf Er- folg minimal. Auch da können Krippen oder Tagesmütter unendlich viel Gutes tun, da sie erlauben, das Kind aus dem obsogenen Setting zu Hause herauszunehmen und in ein «gesünderes» Umfeld zu verpflanzen. Trotzdem, die Chance auch in diesem Alter das Körpergewicht zu reduzieren, ist schon erstaunlich gering. Begünstigende Faktoren für eine erfolgreiche Gewichtsreduktion sind das gute Rollenmodell der Eltern, Anpassung des Bewe- gungs- und Ernährungsumfelds (Unterstützung der Be- wegung, «Verbannung» von ungesunden Nahrungs- mitteln), sowie die parallele Beratung der Eltern und Kinderbetreuung. Es lohnt sich, über Primärprävention nachzudenken und zu handeln, bevor es zu spät ist.  Viele therapeutischen Programme oder präventive Settings fördern sowohl die psychische Stabilität als auch die soziale Integration, ob motorisch ungeschickt, hyperaktiv oder auch übergewichtig, sodass die Kinder viel besser mit ihrem Anderssein umgehen können, da sie mehr Ressourcen haben. Take-home Message: ■ Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Primärprävention. ■ Kinder im Vorschulalter bewegen sich gerne – man muss sie nur lassen und Möglichkeiten schaffen. ■ Es gibt kein «falsch», «zu intensiv» und «zu viel» an Bewegung für Vorschulkinder, mehr ist besser. ■ Neben individueller Bewegungsförderung ist vor al- lem die strukturelle Verhältnisprävention wirksam. ■ Kinder mit chronischen Leiden profitieren von Bewe- gung genauso, wenn nicht sogar mehr als gesunde Kinder. ■ REFERENZEN ■ Schweizer Empfehlungen zur Bewegungsförderung https://www. hepa.ch/de/bewegungsempfehlungen.html. ■ WHO-Empfehlungen zur Bewegungsförderung https://apps.who.int/ iris/handle/10665/311664. ■ Fortbildungsmanual für Gesundheitsberufe im Vorschulalter (Paprica enfants) https://www.paprica.ch/category/kleinen-kindern/?lang=de. ■ Tremblay et al. Canadian 24-hour movement guidelines for the ear- ly years (0–4 years): An integration of physical activity, sedentary behaviour, and sleep. BMC Public Health 2017; 17 (Suppl 5): 874. ■ Carlson et al. Systematic review of the relationships between physi- cal activity and health indicators in the early years (0–4 years). BMC Public Health 2017; 17 (Suppl 5): 854. ■ West et al. Physical activity for children with chronic disease; a narra- tive review and practical applications. BMC Pediatrics (2019) 19:12. ■ Colquitt et al. Diet, physical activity, and behavioural interventions for the treatment of overweight or obesity in preschool children up to the age of 6 years. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, Issue 3. Art. No.: CD012105. M ia ist eine 11 Jahre alte Balletttänzerin. Sie trainiert in der Ballettschule des Opernhauses Zürich. Mit Bal- lett hat sie im Alter von 5 Jahren begonnen. Ihr Trainings- umfang umfasst derzeit dreimal zwei Stunden die Woche. Die Ballettlehrerin hat befunden, dass Mia nun bereit ist, auf «Spitze zu tanzen». Entsprechend stellt sie sich nun zur Spitzentanz-Tauglichkeitsabklärung in der Sprechstun- de vor, damit sie sich entsprechendes Schuhwerk erwer- ben kann. Die Abklärungen umfassen neben der Beurtei- lung der Fussform (ägyptisch, römisch, griechisch) sowie einer Fussmobilitätstestung (Penciltest: Kann ein Bleistift auf die verlängerte Linie des distalen Unterschenkels und den Fussrist aufgelegt werden bei maximal plantarflektier- tem Fuss) auch ballettspezifische Beurteilungen. So muss Mia «Plié, Pirouette, Sauté und Topple»-Testung machen. Weil sie all die Tests mit Bravour besteht, kriegt sie eine Be- scheinigung, die es ihr erlaubt, sich Spitzenschuhe zu be- schaffen und damit ihr Training zu beginnen. Das Glänzen in ihren Augen verrät, wie sie sich auf die neue Herausfor- derung freut als weiterer Schritt in ihrer Ballettlaufbahn.  Eine Spitzenschuh-Tauglichkeitsuntersuchung ist per se nicht sehr komplex, benötigt aber sehr ballettspezi- fische Testungen. Wer diese Untersuchungen durchfüh- ren mag, kann sich beispielsweise am Kapitel «Tanz mit Spitzenschuhen: Besonderheiten, körperliche Vorausset- zungen und Tauglichkeitskriterien» in Sportverletzung Sportschaden2017; Thieme; 31(04): 213–221orientieren. Ansonsten ist die Zuweisung zu einem Sportmediziner oder Pädiater mit Erfahrung in der entsprechenden Untersuchung auch eine Option. ■ DR. MED. FLORIAN SCHAUB, CO-EDITOR, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGEND­ MEDIZIN, SPEZ. KINDER- NOTFALLMEDIZIN PEMS, SPEZ. SPORTMEDIZIN SGSM, SCHULTHESS KLINIK UND KINDERSPITAL ZÜRICH Korrespondenzadresse: florian.schaub@kws.ch Fallvignette: Ballett als Leistungssport

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